In Zeiten der Globalisierung werden die meisten Bikes in Fernost produziert. Wir haben uns auf die Suche nach echter Wertarbeit gemacht und sind dabei auf einem Bauernhof im Nirgendwo gelandet. Hier kommt ein Blick hinter die Kulissen von NICOLAI.

Wir leben in einer Zeit, in der Sachen produziert werden, um sie nach kurzer Zeit wieder wegzuwerfen. „Ein Produkt für die Ewigkeit“ ist nicht mehr als die neue Werbelüge, „Gut & günstig“ für viele nicht mehr nur im Supermarktregal der neue Standard. In unserem vermeintlich heilen Raduniversum sieht das nicht anders aus: Alu war der neue Stahl und Carbon ist das neue Alu. Die Faszination „Carbon“ ist groß, schlussendlich aber auch nicht mehr als Sondermüll. Das zu ändern, liegt leider nicht in unserer Macht. Einen Lichtblick gibt es aber dennoch.

8 Uhr morgens auf einer nebelverhangenen Landstraße irgendwo im nördlichen Niemandsland in Deutschland. Zwischen Feldern, Wiesen, Sumpf und Wald liegt das 160 Seelen große Lübbrechtsen, einer der ältesten Orte Deutschlands. Nachdem wir fast ein zweites Mal vorbeigefahren wären, rollen wir auf das 134 Jahre alte Gehöft und damit auf das Firmengelände der NICOLAI GmbH. Eindrucksvoll und zugleich irritierend wirkt der alte Bauernhof. Hier vermutet man Kühe, Traktoren und vielleicht noch eine Leiche im Misthaufen. Was man aber sicher nicht erwartet, ist eine der innovativsten und gleichzeitig radikalsten Radmanufakturen in Europa. Wie Steve Jobs fing auch NICOLAI-Firmengründer Karlheinz Nicolai alias Kalle in einer Doppelgarage an, die Welt auf den Kopf zu stellen. Im Falle von Jobs ging es um das Einläuten der Computer-Ära, bei Kalle um die Revolution der Mountainbikes. Aus seinem Kopf stammen Downhiller mit Weltmeistertitel, die ersten Dirtbikes, Mountainbikes mit Riemengetriebe und neuerdings auch eines der radikalsten E-Mountainbikes auf dem Markt: das NICOLAI E-BOXX.

  Die Schande, ein E-Mountainbike zu fahren, ist komplett weg. Kalle

Um sich an der Spitze zu behaupten, muss man nicht auf jeden Trend aufspringen, und so verzichtet NICOLAI bewusst auf Carbon als Werkstoff und zeigt, dass die Grenzen von Aluminium noch lange nicht erreicht sind. Das Rezept: die Kombination aus Moderne, Tradition und der Liebe zur Entwicklung. Diese heutzutage untypische Mischung zeigt sich bereits auf den ersten Blick: Im Inneren des geschichtsträchtigen Gebäudes arbeiten CNC-Fräsen neben Schweißermeistern, Ingenieure arbeiten mit Monteuren und Entwickler zusammen mit Lackierern. „Alles aus einem Haus“ ist hier nicht einfach nur ein Spruch, sondern Fakt. Die Würze machen die Leidenschaft und die Hingabe, die von jedem der insgesamt 20 Mitarbeiter an den Tag gelegt werden. Schließlich stecken Cleverness und Innovation bei NICOLAI auch im Detail: Seien es die langsam gezogenen und weltberühmten Schweißnähte, Lackierungen und Pulverbeschichtungen in allen erdenklichen Farben oder der besondere Service für den Kunden. Denn wer ein Problem mit seinem Rad haben sollte, ist herzlich eingeladen, es einfach vorbeizubringen, sich das Firmengelände anzuschauen und sein Rad meist innerhalb von ein paar Stunden wieder mitzunehmen. Nicht ohne Grund werden in Lübbrechtsen regelmäßig Räder restauriert, die schon weit über 10 Jahre alt sind. Haltbarkeit wird bei NICOLAI anders definiert: Hier werden Räder gebaut, die ein Leben lang halten können und nur ersetzt werden, wenn die Unvernunft siegt.

  Ich bin jetzt 50. Ich will mich nur noch um Sachen kümmern, die mir am meisten Spaß machen, und das ist die Entwicklung. Kalle

Wie bei vielen Bikeherstellern trägt auch die Zukunft von NICOLAI ein großes „E“ mit sich. Das neue E-BOXX steht mit dem Bosch PowerTube 500 in den Startlöchern, bekommt damit eine deutlich schlankere Silhouette und dank der doppelwandigen Rahmenkonstruktion bleibt es auch mindestens genauso stabil wie vorher. Wir haben Visionen von elektrischen Motocrossern aufgeschnappt, neue Firmengebäude betreten und das Leuchten in Kalles Augen gesehen. Das Team von NICOLAI macht Innovation aus Tradition. Es kennt seine Wurzeln, aber schwelgt nicht in der Vergangenheit – immerhin kannte die Firma schon immer nur eine Richtung, und die geht ganz klar nach vorne. Natürlich werden auch die klassischen Mountainbikes nicht vergessen und auch dahingehend konnten wir schon spannende Einblicke erhaschen. Ganz gleich, was die Zukunft bringt, bei NICOLAI kann man sie kaum erwarten

Hier findet ihr den Test zum NICOLAI ION-G16 EBOXX 2018

Chapeau, Kalle! NICOLAI ist der Beweis, dass Qualität trotz Globalisierung und schnellem Konsum mehr wert ist als ihr Preisschild.

Firmengründer und CEO Kalle mit dem ersten fertigen Hauptrahmen des neuen NICOLAI ION-G16 EBOXX.

Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!

Words & Photos: