E-Mountainbiken mit der ganzen Familie, kann das gut gehen? Quengelnde Kinder, vollkommen unterschiedliche Leistungslevel und Interessen – ach, wer kennt sie nicht, die typischen Familienprobleme?

Viele Biker stehen am Wochenende vor einem Dilemma. Auf der einen Seite rufen verlockende Bike-Abenteuer, auf der anderen warten Familie und Beziehung: Der Partner möchte Aufmerksamkeit, die Kids wollen bespaßt sein, der neue Ikea-Schrank muss aufgebaut werden. Ganz zu schweigen von Oma, die zum allwöchentlichen Sonntagsbraten einlädt. Klar, vor all dem kann man sich auf Dauer nicht drücken, um dem Ruf der Bikerwildnis in famose Wochenend-Destinationen in die Alpen oder gar Finale Ligure zu folgen. Doch muss das überhaupt sein? Schließlich liegt das Glück so nah. Ein Kurzausflug genügt meist, um die ärztlich empfohlene Tagesdosis E-Bike-Grinsen zu erreichen!

Ein Kurzausflug genügt meist, um die ärztlich empfohlene Tagesdosis E-Bike-Grinsen zu erreichen!

Und genau das haben wir gemacht, als wir mit dem Zahnarzt unseres Vertrauens und Freund Kilian Klügel, seiner Frau Julia und deren Nachwuchs (Nelson 5 Jahre, Ruben 9 Monate) zum Mobilitätszentrum Münsingen auf der Schwäbischen Alb gefahren sind, das „eine neue Form der Mobilität, eine neue Form des Tourismus“ verspricht. Wir waren gespannt, was das heißen sollte. Damit der Tagesausflug nicht nach wenigen Meter mit alles verweigernden Kids endete oder in organisatorischen Stress ausartete, wollten wir die Risiken so gut wie möglich reduzieren.

Wie das bei Familienausflügen so ist: Die Knirpse waren deutlich besser ausgerüstet als die Eltern. Sohnemann Nelson hatte sein E-Bike dabei, der 9-monatige Ruben seinen Kinderanhänger. Nur für die Eltern hätte beim besten Willen kein Bike mehr ins Auto gepasst, auch wenn die Klügels mit einem T5-Multivan anreisten. Kein Problem – denn das von Jürgen Schwald geleitete Mobilitätszentrum in Münsingen bietet alles, was man braucht: rund 25 Leihbikes von Bergamont und CONWAY, auf deren Bosch Nyon-Bordcomputer die Strecken bereits vorinstalliert sind; zudem professionelle Beratung und Hilfestellungen. Eine zeitintensive Tourenplanung entfällt damit auch!

Seit 2016 gibt es das Mobilitätszentrum schon, das mit einem ganzheitlichen Konzept für navigationsgeführte E-Bike-Touren ein ca. 700 km umspannendes Radnetz im Biosphärengebiet Schwäbische Alb und darüber hinaus erschlossen hat. Wer mit seinem eigenen Bike unterwegs ist, kann die Touren bequem über Apps wie Komoot laden und nachfahren. Zudem sind alle Routen durchgängig beschildert. Wer ein E-Bike ausleihen möchte, sollte es vorab reservieren – denn die Nachfrage ist groß! Besucher können aus aktuell 12 Touren wählen, die Streckenauswahl richtet sich an Familien, Touren-Enthusiasten sowie Einsteiger und führt durch das malerische UNESCO-Biosphärengebiet und vorbei an den schönsten Sehenswürdigkeiten der Region. Alle, die das Adrenalin auf Singletrails suchen, müssen sich derzeit noch gedulden: Strecken mit technischem Profil sind in Planung. So ist der Bau eines Uphillflow-Trails in Kooperation mit Bosch im Gespräch.

Uns betraf das dieses Wochenende ohnehin nicht, wir waren ja auf Familienausflug. Nach kurzem Bike-Setup, Kinderanhänger-Montage, Einweisung und Tourenbesprechung ging es los. Wer will, kann mit einem Genuss-Tour-Stempelheft die lokale Gastronomie entlang der Touren abfahren und erhält dabei kleine Vergünstigungen. Da wir mit den noch jungen Kids unterwegs waren, verzichteten wir von vornherein auf einen Zeitplan – schließlich weiß man nie, ob und vor allem wann die Stimmung kippt. Mal schauen, wie lang der Nachwuchs mitmachte!

Nicht nur für Superman: Nelsons schickes und super leichtes Ben-E-Bike TWENTY E-POWER

Im lockeren Tempo fuhren wir los, über Wiesen und Täler, die Aufstiege flogen wir entspannt hinauf, die Stimmung war super. Wir ließen uns von den kleinen Dingen am Wegesrand überraschen: Pflaumen pflücken, Sträuße begutachten, am Brunnen spielen, Holzziegen auf einem Bauernhof reiten. Wer in die Augen der Kids schaute, sah ganz deutlich, dass es Glück zum Anfassen tatsächlich gibt!

Wir passierten den ehemaligen Truppenübungsplatz, der heute das Biosphärengebiet Schwäbische Alb ausmacht, und waren befeuert davon, wie gut wir vorankamen. Bis Nelson flog wie Superman – nur leider ungewollt, nämlich vom Rad runter. Auch das muss man einkalkulieren, doch nach einer kurzen Pause und einer Umarmung von Mutti war das Lächeln wieder zurück.

Nachdem wir über die wunderschöne Trailfinger Schlucht zurück nach Münsingen gelangt waren, zogen wir den Joker, den wir eigentlich gar nicht gebraucht hätten: einen Eis-Stopp in einer Gelateria – ein sicheres Glücksrezept! Während das verdiente Eis unsere Zungen kühlte und über die Hände der Kids lief, wurde klar: Die Sorgen, die man sich als Eltern oftmals im Vorfeld macht, sind meistens unnötig!

Tage wie diese zeigen einem immer wieder, wie schön so ein Kurzausflug sein kann. Vor allem dann, wenn man sich nicht um das Equipment und die Tourenplanung kümmern muss. Ein Sorglos-Paket, wie man es früher gewohnt war, als die eigenen Eltern die Tagesausflüge organisiert haben! Hinter uns lag ein ereignisreicher, aber sehr entspannter 12-Stunden-Urlaub mit der Familie. Wer hat noch mal gesagt, die Wochenenden seien so kurz und man stecke als Biker immer in einem Dilemma? Eins war klar: Wir kommen wieder! Aber am nächsten Tag stand erst mal Omas Sonntagsbraten an.

Mehr Infos unter: muensingen.com


Dieser Artikel ist aus E-MOUNTAINBIKE Ausgabe #017

Das E-MOUNTAINBIKE Magazin erscheint auf Deutsch und Englisch im digitalen App-Format. Ladet euch jetzt die App für iOS oder Android und lest alle Artikel auf eurem Tablet oder Smartphone. Kostenlos!


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!

Words & Photos: Robin Schmitt

Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.