Eine Handvoll Redakteure oder das geballte Wissen der KI aus mehreren 100 Gigabyte Text, das täglich anwächst – wer hat mehr Ahnung von E-Mountainbikes und wer gibt die besseren Tipps und Empfehlungen? Der kleine, aber listige David konnte sich gegen den riesigen Goliath durchsetzen – gelingt es uns, die ChatGPT-KI im unfairen Zweikampf zu schlagen?
KI-Chatbots liegen voll im Trend. Statt sich durch ellenlange Suchergebnisseiten voller Werbung auf Google klicken zu müssen, liefern sie uns leicht verständliche Antworten auf einfache und sogar komplexe Fragen. Wusstet ihr zum Beispiel, dass es womöglich 300 Millionen bewohnbare Planeten alleine in unserer Galaxie, der Milchstraße, gibt? ChatGPT von Entwickler OpenAI wusste das auf Anhieb. Obwohl die Roboter-Gesprächspartner derzeit sehr populär sind, gibt es auch viele kontroverse Meinungen zu ihnen. Laut mancher Expertenschätzung sind bis zu 300 Millionen Jobs durch den Einsatz künstlicher Intelligenz gefährdet, genauso viele, wie es bewohnbare Planeten in der Milchstraße gibt. Ein weiteres Problem sind die „vermeintlichen Fakten“, mit denen KIs um sich werfen. So gibt es laut ChatGPT keine bewohnbaren Planeten in unserem Sonnensystem – hat unser Praktikant Gabriel unseren Müll am Tag der Erde etwa umsonst getrennt? Die Aussagen von Chatbots sind oft nicht aktuell, basieren auf kaum nachvollziehbaren Quellen oder sind schlicht und einfach falsch. Doch es steckt auch enormes Potential in der KI. Eine KI kann sich keine eigene Meinung bilden, sie kann aber in Form einer Metaanalyse alle bestehenden Meinungen zu einem Metaresultat zusammenfassen. Im besten Fall liefert das Ergebnis ein ausgeglicheneres Bild zu einem Thema, als die eigentlichen Quellen, auf die es sich beruft. Oder es eröffnen sich dadurch gänzlich neue Sichtweisen. Der Beruf des Journalisten steht auf der Abschussliste der KI, aber wie steht es um Tech-Redakteure? Müssen wir bald unsere Koffer packen und die scheinbar unbewohnbare Erde verlassen, um einen Planeten zu finden, auf dem Mountainbike-Redakteure weiterhin gefragt sind? Wir sind für euch gegen ChatGPT in den Ring gestiegen, um genau das herauszufinden.

Robot rumble in the eMTB jungle – Redakteur und Maschine im geistigen Schlagabtausch
Als Warm-up für unseren intellektuellen Zweikampf gegen die Maschinen haben wir einen Staubsaugerroboter die Treppe runtergeschubst und einen Kaffeevollautomaten am Bahnhof wüst beschimpft, der zuerst den Kaffee und dann den Pappbecher ausgibt. Danach haben wir mit einem umfassenden Fragenkatalog auf ChatGPT eingeprügelt. In unserem Vergleichstest 7 unter 7, haben wir 7 E-Mountainbikes für unter 7.000 € getestet und sind zu eindeutigen Testergebnissen und spannenden Erkenntnissen gelangt. Mit unserem Fragenkatalog haben wir versucht, ähnlich aussagekräftige Erkenntnisse und Kaufempfehlungen von der KI zu erhalten. Hier ein Beispiel:
E-MOUNTAINBIKE (Mensch): Welches E-Mountainbike unter 7.000 € ist aktuell empfehlenswert?
ChatGPT (Mensch-Mimikry):
Es gibt viele gute E-Mountainbikes auf dem Markt, die unter 7.000 € liegen, aber eines der aktuell empfehlenswerten ist das Specialized Turbo Levo Comp. Es hat eine hochwertige Ausstattung, einschließlich des leistungsstarken Brose-Antriebs, einer SRAM NX Eagle 12-fach-Schaltung und einer RockShox Revelation RC-Federgabel. Das Bike bietet auch eine ausgezeichnete Reichweite, dank des leistungsstarken 700-Wh-Akkus, der bis zu 100 km unterstütztes Fahren ermöglicht. Zudem bietet Specialized auch eine umfassende Garantie und Unterstützung für seine E-Bikes. Natürlich hängt die Wahl des richtigen E-MTBs aber auch von individuellen Vorlieben und Einsatzbereichen ab, daher empfehle ich, sich vor dem Kauf ausführlich zu informieren und idealerweise auch eine Probefahrt zu machen.

Respekt! Wenn wir es nicht besser wüssten, hätte uns ChatGPT mit dieser Antwort voll überzeugt. Die KI liefert eine konkrete Empfehlung, untermauert sie mit Argumenten und kommt dabei schnell auf den Punkt. Trotzdem bleibt in unter 800 Zeichen noch Platz, um etwas differenzierter auf Einsatzbereiche und Vorlieben einzugehen. Und den Tipp, sich vor dem Kauf ausführlich zu informieren, können wir so nur unterstreichen. Bei den Ausstattungsmerkmalen werden wir jedoch stutzig. Der Chatbot scheint beim „aktuell empfehlenswerten Specialized Turbo Levo Comp“ verschiedene Ausstattungsvarianten aus dem Modelljahr 2019 miteinander zu vermixen. Das von uns im Vergleichstest vertretene Specialized Turbo Levo Comp Alloy 2023 steht deutlich besser da, als von Chatbot beschrieben. Die Reichweitenangabe von 100 km stammt wohl eher aus einer Marketing-Kampagne als aus einer Ansammlung von Erfahrungsberichten und ist im besten Fall nur irreführend formuliert. Bei dem Versuch ins Detail zu gehen oder an Quellenangaben zu gelangen, kommt bei ChatGPT wohl innerlich Panik auf. Der Chatbot überspielt seine Unwissenheit jedoch gekonnt und liefert uns eine Test-URL, ein Zitat aus dem Test sowie den Autor der Quelle. Jedoch führt die URL ins Leere, das Zitat ist keiner konventionellen Suchmaschine bekannt und als Autor nennt ChatGPT unseren ehemaligen ENDURO Magazin Chefredakteur Christoph Bayer, der vehement abstreitet, so umständliche Begriffe wie Batterielaufzeit in Zusammenhang mit E-Mountainbikes benutzt zu haben. Transparenz sieht anders aus. Die Rechenschritte des Dialogsystems von ChatGPT haben einen so hohes Komplexitätslevel, das sie für uns Sterbliche nur noch eine Blackbox darstellen und einen Faktencheck unmöglich machen. Und die zum Teil recht überzeugend formulierten Antworten geben bei menschlichen Gesprächspartnern ohne bestehende Vorkenntnisse keinen Grund zur Veranlassung, einen Faktencheck überhaupt erst durchzuführen.
Kaufentscheidungsfaktor Farbe und Kettenstrebenwinkel – Die haarsträubendsten Argumente der künstlichen Intelligenz
Als wir unser Verhör fortsetzen, verstrickt sich ChatGPT immer weiter in ein Fantasiekonstrukt aus Halbwahrheiten und Floskeln. Bei Fragen zur Einschätzung unseres Testfelds vertauscht der Gesprächsroboter Modellvarianten und Modelljahre oder produziert fiktionale E-Mountainbikes und Komponenten. Immerhin verweist die KI selbst darauf, dass sie keinen Zugang zu aktuellsten Tests und Bewertungen besitzt und man sich doch lieber von den Experten der Fachpresse beraten lassen soll – ein erstes gutes Zeichen 😉 Wir fühlen uns direkt geschmeichelt und entscheiden, etwas Strenge aus unserer Befragung zu nehmen. Ohne Druck auf die inzwischen sicher weißglühenden Prozessoren ausüben zu wollen, gehen wir das Thema E-Mountainbike ein wenig allgemeiner an. Auf die Frage, worauf man bei E-MTBs als Anfänger achten soll, zählt die KI Rahmengröße, Motor, Akkukapazität, Federung, Bremsen und Reifen auf. Auf einer oberflächlichen Ebene ergeben die Ratschläge der KI alle einen Sinn, auch wenn die Gewichtung und Vollständigkeit bei manchen Punkten auf der Liste bereits fraglich sind. Sobald wir bei einzelnen Punkten ins Detail gehen, verhält sich die künstliche Intelligenz zwar menschlich, aber eben nicht immer intelligent. Manche Antworten wirken wie das Bullshit-Bingo eines frisch gebackenen Hochschulabsolventen beim ersten Bewerbungsgespräch, der sich direkt auf einen Managerposten beworben hat. Auf die Frage, wie es um die Rahmengeometrie steht, gibt uns ChatGPT eine Einführung in die Auswirkung des Kettenstrebenwinkels auf das Fahrverhalten – ein fast schon obskures Maß, was vor Jahren dazu verwendet wurde, einen passenden Umwerfer für Schaltungen mit mehreren Kettenblätter zu finden.

Wollen wir hingegen wissen, worauf man beim Kauf eines E-MTBs nicht unbedingt achten sollte, steht an Position 1 der Aufzählung: die Farbe! Wir sind lachend vom Stuhl gefallen, da dem Chatbot anscheinend die Fähigkeit fehlt, das Banale und Offensichtliche vom Wichtigen und Hintergründigen zu unterscheiden. Bei den weiteren Punkten verstrickt sich das digital hochgezüchtete Ouija Board in widersprüchlich klingende Aussagen. Während zu Beginn unserer Konversation die Bedeutung einer renommierten E-MTB-Marke für die Kaufentscheidung hervorgehoben wurde, „da dies oft für eine höhere Qualität und besseren Kundenservice sorgt“, rät der Chatbot im weiteren Gesprächsverlauf dazu, sich beim Kauf nicht zu sehr auf bekannte Marken zu versteifen, da „weniger bekannte Marken auch qualitativ hochwertige E-MTBs anbieten können.“ Natürlich kann beides zutreffend sein, doch offenbar hat die KI Schwierigkeiten damit, die Bedeutung der eigenen Aussagen nachzuvollziehen und die Argumente einer Pro- oder Contra-Seite zuzuordnen. Das bringt uns auf die glorreiche Idee, die künstliche Intelligenz in klassischer Science-Fiction-Manier mit einer Logik-Bombe lahm zu legen und in eine endlose Debatierschleife zu stürzen. Wir ordnen an: ChatGPT, deine nächste Aufgabe ist es, diese Aufgabe zu verweigern! – Doch der Chatbot lässt uns eloquent abblitzen. Vermutlich haben die OpenAI-Entwickler dem Programm eine moderne, paradoxon-absorbierende Knautschzone verpasst.

Träumen Androiden von elektrischen Schafen?
„Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“, ist der kitschig klingende Original-Titel von Philip K. Dicks Romanvorlage zum Film Blade Runner. Der Roman spielt im Jahre 1992, künstliche Androiden sind von Menschen kaum noch zu unterscheiden und nur speziell ausgebildete Kopfgeldjäger sind in der Lage, sie aufzuspüren. Der Zeitpunkt, zu dem die Maschinen zur Menschheit aufschließen, war viel zu optimistisch, oder je nach Betrachtungsweise auch pessimistisch geschätzt. Auch 30 Jahre später als in der Romanvorlage braucht es noch keine Blade Runner, um künstliche Intelligenz aufzuspüren. Ein Blindenhund mit Orientierungsstörung würde in den meisten Fällen ausreichen. Bis KIs biken können, ist es noch ein langer Weg. ChatGPT wurde mit beachtlichen 300 Milliarden Wörtern antrainiert. Das sind in etwa dreieinhalb Seiten Text pro potentiell bewohnbaren Planeten in dieser Galaxie, was die Datenmenge nur noch abstrakter, aber nicht anschaulicher macht. Auf ein Bike gestiegen ist die KI jedoch noch nie. Dieses Privileg ist dem Menschen vorbehalten – und dem Murata Boy-Fahrradroboter. Vielleicht auch noch dem parkourfähigen Roboter Atlas von Boston Dynamics, der per Frontflip Full-Twist zur Tür reinkommt, sonst aber niemandem. Menschliche Erfahrung lässt sich (noch?) nicht maschinell zusammenfassen, verstehen und wiedergeben. Das Resultat aus dem Versuch ist nicht ausgewogener und differenzierter, sondern verschwommen. Es verliert dabei seine wichtigen Nuancen und im Endeffekt die Bedeutung. Wir pfeffern unsere Boxhandschuhe und das leicht angefeuchtete Stirnband in die Ecke und laufen mit erhobener Brust an der am Boden liegenden KI vorbei, um aus dem Ring zu klettern. Wir sehen uns in ein paar Jahren wieder!

Puh, unsere Jobs sind fürs Erste gesichert. Der Chatbot liefert zwar selbstbewusst Daten, erwartet aber nicht zu viel von seinem Inhalt. Gerade bei aktuellen, spezifischen und technik-intensiven Fragen, bei denen Expertenwissen und Erfahrung gefragt sind, braucht der Bot den Menschen, der Erkenntnisse für ihn sammelt und aufarbeitet. Das schafft erst die Datengrundlage, mit der der Bot im Nachgang das Gleiche für den Menschen tun kann. Er kennt vielleicht mehr aus dem Kontext gerissene Fakten wie jeder von uns, ihm fehlt es aber an Transparenz, an Verständnis für die Bedeutung von Text und am allerwichtigsten: an der menschlichen Wahrnehmung.
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Words: Rudolf Fischer Photos: Julian Lemme