Elektromotoren verschieben nicht nur die Grenzen dessen, was mit einem Mountainbike möglich ist. Sie stellen auch die etablierten Bike-Kategorien infrage. Wir haben das Haibike XDURO Dwnhll gegen das Haibike XDURO Nduro getestet und herausgefunden, ob mehr Federweg mehr Fahrspaß und Sicherheit bringt und ob man mit einem E-Downhiller problemlos auf Tour gehen kann.

Die These

Traditionelle Mountainbikes gehen immer einen Kompromiss ein aus Effizienz im Uphill und optimaler Abfahrtsperformance, dementsprechend sorgen bereits feine Unterschiede bei Gewicht, Federweg, Geometrie und Ausstattung für große Differenzen in der Performance. Bei E-Mountainbikes sieht es in der Theorie ganz anders aus. Bis 25 km/h hat man mit jedem E-Mountainbike Rückenwind, darüber wird es meist zäh. Deshalb sollte es keinen Unterschied machen, ob man mit einem Straßenrad oder einem Downhillbikeunterwegs ist, solange der gleiche Motor verbaut ist. Schließlich unterstützen beide bis zur gleichen Tempogrenze und schalten dann ab – je nach Motor (Stichwort innerer Widerstand). Greift man also zum dickeren Kaliber, dem E-Downhillbike, sollte laut dieser These der größte merkbare Unterschied in der besseren Abfahrtsperformance liegen. Ist Bigger also Better? Oder muss man mit Einbußen bei Reichweite und effektiver Unterstützung rechnen? Und wie wichtig ist die richtige Sitzposition für den Fahrkomfort?

Die bisherigen Definitionen

Enduro: Enduro ist nicht nur ein Mountainbike-Rennformat, sondern für viele auch eine Art, Rad zu fahren: eine längere Tour mit hohem Trail- und Spaßanteil. Bergauf geht es entspannt, bergab rasant.

Downhill: Die meist sehr technischen Downhill-Kurse führen – wie der Name schon sagt – hauptsächlich bergab und sind mit zahlreichen Hindernissen gespickt. Downhillbikes sind in der Regel sehr spezielle und extreme Bikes, die nur für die Abfahrt designt wurden und mit denen man nicht bergauf fährt. Wer Downhill liebt, der schiebt, nimmt den Lift oder shuttelt.

Die Fakten: Bikes

Ein Unterschied von gerade einmal 20 mm Federweg trennt das Haibike XDURO Nduro vom XDURO Dwnhll. Gerade einmal 20 mm Federweg trennen das Haibike XDURO Nduro vom XDURO Dwnhll, außerdem ist am Dwnhill eine Doppelbrückengabel verbaut. Ein Blick in die Geometrietabelle zeigt jedoch, dass die Unterschiede deutlich tiefer gehen. Mit einem knapp 50 mm längeren Radstand, einem 2° flacheren Lenkwinkel, einer 30 mm geringeren Überstandshöhe und einem 15 mm tieferen Tretlager trotz mehr Federweg verspricht das Dwnhll mehr Laufruhe und Fahrsicherheit.

Haibike XDURO Nuro 9.0 | 180/180 mm (v/h) | 22,97 kg | 6.999 €

“Agilität und Fahrspaß stehen beim XDURO NDURO im Vordergrund, in Sachen Fahrsicherheit liegt das Dwnhll aber vorn!”


Klettergang
Die SRAM EX1 weiß mit ihrer großen Übersetzungsbandbreite zu überzeugen, der leichte Klettergang ist ideal bei fiesen Steigungen. Die großen Gangsprünge sind aber gewöhnungsbedürftig.
Sehr satt
Trotz spürbar weniger Federweg bietet auch der Hinterbau des XDURO Nduro viel Komfort und gute Traktion.
Unterdimensioniert
Auf langen Abfahrten gerieten die Bremsen des XUDRO Nduro ans Limit. Hier würden wir uns ebenfalls eine Shimano Saint wünschen, wie sie am XDURO Dwnhll zum Einsatz kommt.

Doch ist das Dwnhll auch die eierlegende Wollmilchsau mit maximaler Sicherheit und gutem Fahrspaß, die es in der Theorie zu sein scheint, oder trifft das doch eher auf das bereits bewährte Nduro zu? Mit einem Gewicht von 22,97 kg spart das Nduro gerade einmal 1,43 kg im Vergleich zum 24,40 kg schweren Downhillboliden. Wie viel leichtfüßiger und agiler ist es?

Haibike XDURO Dwnhll 9.0 | 200/200 mm (v/h) | 24,40 kg | 7.999 €

Laufruhe satt – das XDURO Dwnhll liegt so sicher auf dem Boden wie ein Güterzug auf Schienen!


Massiv
Die FOX 40-Federgabel mit satten 200 mm Federweg bügelt alles platt, was ihr in den Weg kommt. Die Bauweise mit Doppelbrücke limitiert jedoch den Lenkeinschlag. Auf dem Trail ist das kein Problem, im Alltag aber nervig.
Immer Vollgas
Das schwere XDURO Dwnhll mit seinen fetten Reifen sind wir nahezu ausschließlich im Turbo-Mode gefahren. Dieses Bike braucht Speed und wirkt nur dann agil und spritzig.
Am Limit
Die geringe Übersetzung (11–36 Zähne) macht das Erklimmen richtig steiler Rampen unmöglich. Beim klassischen Downhillbike soll der kurze Schaltwerkskäfig die Kette besser führen und für Ruhe sorgen, beim E-MTB ist er deplatziert.

Der Vergleich: der Praxistest

Im Downhill besitzt man mit dem Haibike XDURO Dwnhll im direkten Vergleich zum Nduro mehr Laufruhe und mehr Reserven, insbesondere wenn es steil und wirklich technisch wird. Zudem macht sich die niedrigere Überstandshöhe bemerkbar, die nicht nur das Auf- und Absteigen erleichtert, sondern auch für ein höheres Sicherheitsgefühl sorgt. Auch in der Ebene zeigen sich kaum Nachteile – klar ist die Geometrie des Dwnhll recht extrem, aber nach kurzer Eingewöhnungszeit kommen damit selbst ungeübte Fahrer zurecht. Während bei konventionellen Mountainbikes die Geschwindigkeit in der Ebene meist geringer ist, fährt man dort mit einem E-Mountainbike schneller; die extremere Geometrie des Dwnhll macht sich in Form eines seitlich wegkippenden Vorderrades weniger bemerkbar, als man vermuten würde. Wer einen aktiven Fahrstil pflegt und häufig verwinkelte Trails mit engen Kurven fährt, kommt mit Dwnhll zwar überall durch, wird mit dem agileren Nduro jedoch mehr Spaß haben. Soll konkret heißen: Deutlich wichtiger als der Federweg ist die Geometrie, denn sie bestimmt maßgeblich den Fahrspaß und die Sicherheit des Bikes. Ob man zum Dwnhll oder zum Nduro greifen sollte, ist in diesem Sinne vom Fahrstil abhängig. Doch wie steht es um die Tourentauglichkeit des XDURO Dwnhll?

Obwohl man mit dem Haibike XDURO Dwnhll zweifelsfrei eine kurze Tour unternehmen kann, limitieren einige Faktoren ganz klar die Allroundqualitäten des motorisierten Downhillers. An erster Stelle ist hier das kurze Sitzrohr zu erwähnen. Auch wenn es die geringe Überstandshöhe erst möglich macht, verursacht es doch ein neues Problem: Es kann nur noch eine kurze Teleskopsattelstütze verbaut werden, wodurch uns die Einstellung der optimalen Sitzhöhe nicht möglich war (Testfahrergröße 180 cm, Testbike in Größe Large). Zudem killt die Übersetzung der Kassette (11–36 Z) die Uphillperformance und würgt im steilen Gelände den Bosch Performance CX-Motor ab. Solange man sich nicht auf eine Downhillstrecke begibt und einen eher aktiven Fahrstil pflegt, hat man mit dem XDURO Nduro mehr Spaß, weil es agiler ist. Dank der SRAM EX1-Schaltung mit 11–48 Z ist die Gangbandbreite deutlich größer und besser für Uphillpassagen geeignet. Außerdem fährt das Nduro dem Dwnhll in gleicher Unterstützungsstufe davon – Geometrie und Fahrwerk scheinen hier einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss zu haben. Wir fuhren das Haibike Dwnhll vor allem im Turbo-Modus, da es sonst die Spritzigkeit missen ließ, die wir von kurzhubigeren Bikes gewohnt sind.

Was bedeutet das?

Zuallererst sei gesagt, dass es sich hier um ein Experiment handelt und das Dwnhll als E-Downhillbike von Haibike konzipiert wurde. Dennoch zeigt der Test, dass man E-Mountainbikes nicht analog zu traditionellen Mountainbike-Kategorien designen sollte, sondern von Grund auf neu denken und entwickeln muss. Denn mit ein paar Adaptionen (z. B. einer Schaltung mit größerer Gangbandbreite und einem Sattelrohr, in das man eine längere Teleskopsattelstütze verbauen könnte) wäre das Dwnhll uneingeschränkt tourentauglich. Wie ein SUV im urbanen Stadtdschungel würde der E-Downhiller ein Plus an Fahrsicherheit und Reserve bieten, wofür man etwas weniger Agilität in Kauf nehmen muss. Ob der Fahrspaß darunter leidet oder sogar vergrößert wird, ist definitiv abhängig vom Fahrstil. Biker mit aktivem Fahrstil werden das Nduro lieben – Fahrer, die vom Bike erwarten, dass es einen Großteil der Arbeit übernimmt, werden das Dwnhll lieben. Doch bei einem Faktor werden sich alle Fahrertypen einig sein: Das Dwnhll bietet nicht nur eine bessere Downhill-Performance, sondern natürlich auch ein größeres Poser-Potenzial an der Eisdiele.


Mehr Infos zu den Bikes findet ihr unter: haibike.com
Junge gebrauchte Haibikes powered by rebike1



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Words: Robin Schmitt Photos: Valentin Rühl

Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.