Das GIANT Trance X Advanced E-MTB kommt für die Saison 2022 mit neuem Carbon-Rahmen, FOX Live Valve und Motor-Upgrade. Ob es dank dem elektronischen Fahrwerk von FOX mühelos über die Trails tänzelt oder eher einen langsamen Walzer schiebt, haben wir im Test herausgefunden.
GIANT hat das Trance X Advanced E+ einer umfangreichen Modellpflege unterworfen und mit einem neuen Motor und einem elektronischen Fahrwerk ausgestattet. Ob die technischen Helferlein die von uns im Vorjahresmodell bemängelte tiefe Front beheben konnten, haben wir herausgefunden.
GIANT Trance X Advanced E+ 0 2022 im Detail
Das GIANT Trance X Advanced E+ kommt in schicker Sicht-Carbon-Hülle mit fließenden organischen Formen und dem von GIANT gewohnten Maestro-Hinterbau, der sich mit seiner langen unteren Wippe bündig an den neuen GIANT SyncDrive 2-Motor anschmiegt. Der 625-Wh-Akku ist fest im Unterrohr verbaut, während sich die Remote universal links oder rechts befestigen lässt und dann bündig mit dem Griff abschließt. Aufgeräumt wirkt das Cockpit mit den viele Zügen und Leitungen dennoch nicht – dafür sorgen vor allem die Kabel des elektronischen FOX Live Valve-Fahrwerks, die mittels Spiralschläuchen mit den Zügen verbunden sind. Spätestens am Steuerrohr verschwinden dann aber alle Leitungen gut geklemmt und klapperfrei im Rahmen. Das 23,04 kg schwere Bike bietet außerdem die Möglichkeit, die Kapazität um einen 250-Wh-Range Extender zu erweitern, der laut Hersteller 1,8 kg zusätzlich auf die Waage bringt.
Die Ausstattung des GIANT Trance X Advanced E+ 0 2022 – Tech-Wunder zum überschaubaren Preis
In Sachen Ausstattung setzt GIANT bei den meisten Anbauteilen auf eigene Produkte – Lenker, Vorbau, Sattelstütze und Laufräder kommen aus dem eigenen Haus. Lediglich bei Antrieb und Bremsen bedient sich der taiwanesische Bike-Hersteller an der Shimano XT-Serie. Im getesteten GIANT Trance X Advanced E+ 0 ist ein hauseigener Carbon-Laufradsatz verbaut, der sich in Verbindung mit den EXO+ Reifen am Heck im Test als nicht sehr robust herausgestellt hat – eine angeknackste und damit nicht mehr fahrbare Felge war die Folge eines vermeintlich leichten Steinschlags. Die dünne Karkasse hätte vermutlich auch ohne Steinschlag bei aktiver Fahrweise dazu geführt, dass die Felge mehr abbekommt, als ihr guttut. Genauso unpassend zur sonst hochwertigen Ausstattung sind die günstigen gestanzten Shimano-Bremsscheiben, die aufgrund einer ungleichmäßigen Oberfläche für verminderte Bremsleistung sorgen.
GIANT Trance X Advanced E+0
8.499 €
Ausstattung
Motor SyncDrive Pro 2 85 Nm
Akku EnergyPak Smart Integrated 625 Wh
Display RideControl Go
Federgabel FOX 36 Factory Live Valve 150 mm
Dämpfer FOX FLOAT X Factory Live Valve 140 mm
Sattelstütze GIANT Contact Switch Vario 125 – 170 mm
Bremsen Shimano XT M8120 200/200 mm
Schaltung Shimano XT/SLX 1x12
Vorbau GIANT Contact SL 35 40 – 50 mm
Lenker GIANT Contact SLR Carbon 780 mm
Laufradsatz GIANT e-TRX Carbon 29"
Reifen MAXXIS ASSEGAI EXO/ DISSECTOR EXO+ 2,6"
Technische Daten
Größe S M L XL
Gewicht 23,04 kg
Zul. Gesamtgewicht 156 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 132 kg
Live Valve – Intelligentes Fahrwerk > intelligenter Fahrer?
Das Fahrwerk des GIANT Trance X Advanced E+ 0 kommt von FOX und wird elektronisch geregelt. Bereits in unserem ersten Test des FOX E-Live Valve-Systems konnte das intelligente Fahrwerk beweisen, dass es das Zeug dazu hat, einem E-MTB bergauf bis dahin ungeahnte Kletterqualitäten zu verleihen und im Downhill aus trägen E-MTBs agile Kurvenräuber zu machen. Es kann den Einsatzbereich stark verbreitern, sodass man mit demselben E-Bike effizient pendeln wie auch einen Alpencross oder eine Enduro-Abfahrt in Angriff nehmen kann. Neben Pivot, SIMPLON und SCOTT setzt auch GIANT in ausgewählten Modellen aufs FOX Live Valve-System, das via Sensoren an Gabel und Hinterbau die Fahrsituation beurteilt und daraufhin die Druckstufendämpfung in Echtzeit anpasst. Das System wird vom Hauptakku des Bikes gespeist und verursacht so keinen weiteren Wartungs- bzw. Ladeaufwand. Bis auf die Kabel, die zur Echtzeitübertragung der Daten nötig sind, ist das System unauffällig am Oberrohr in den Rahmen integriert. Wie sich das Live Valve im GIANT fährt, erfahrt ihr weiter unten im Fahreindruck.
GIANT SyncDrive Pro 2 – Muskelmotor mit Losbrechmoment
Die neue Generation des GIANT SyncDrive Pro-Motors basiert auf dem Yamaha PW-X3, der im Vergleich zum Vorgänger kompakter und rund 300 g leichter wurde. Mit 85 Nm ist er nominal gleich stark wie die Motoren von Shimano und Bosch, doch von Zahlenangaben auf dem Papier sollte man sich nicht blenden lassen. In der Praxis und dem Gefühl unterm Hintern können sich riesengroße Unterschiede ergeben, die durch das FOX E-Live Valve-System noch verstärkt werden. So fühlt sich der Motor des GIANT Trance X Advanced E+ 0 enorm kraftvoll und effizient an. Der adaptive Unterstützungsmodus Smart Assist misst neben Kadenz und Drehmoment an der Kurbel auch die Neigung der gefahrenen Strecke und leitet daraus die optimale Unterstützung ab. Der Motor reagiert bereits bei nur minimaler Berührung des Pedals und lässt schon im Stand die Muskeln spielen. In hoher Unterstützungsstufe und bei leichtem Gang kann das schon mal für einen Schrecken beim Anfahren sorgen. Um beispielsweise an einer Ampel sicher stehen zu bleiben, solltet ihr in der Eingewöhnungszeit die Füße von den Pedalen nehmen. Der SyncDrive Pro 2 ist im Vergleich zur Konkurrenz besonders in niedrigen Kadenzen sehr leise und lässt lediglich ein leichtes Ausfädelgeräusch verlauten, wenn die optimale Drehzahl überschritten wird.
Die Modelle des GIANT Trance X E+
Die Modellpalette des GIANT Trance X Advanced E+ umfasst 3 Varianten, wobei die niedrigste Zahl am Ende auf die edelste Ausstattungsvariante hindeutet – in unserem Test-Bike Advanced E+ 0 fanden wir also das Topmodell vor. Neben dieser sind noch die Modelle 1 und 2 erhältlich, die bei den gleichen Komponenten auf hauseigene Produkte zurückgreifen wie das Topmodell, nur ohne Carbon – was wir bei den Alu-Laufrädern sehr begrüßen. Ebenso wie das Advanced E+ 0, das für 8.499 € erhältlich ist, setzen die beiden günstigeren Modelle für 7.399 € bzw. 6.399 € auf ein FOX-Fahrwerk in der schwarzen Performance-Variante, die trotz fehlender Kashima Beschichtung im Fahrbetrieb keine Nachteile bedeutet. Die Modelle GIANT Trance X Advanced E+ 0 und Trance X Advanced E+ 1 haben das elektronisch geregelte Fahrwerk an Bord, während man bei der 2er-Variante mechanisch zum Compression-Hebel greifen muss.
Spannend sind außerdem die Alu-Modelle, die ohne den Advanced-Namenszusatz und ohne elektronisches Fahrwerk auskommen, dafür aber auf 750 Wh Akkukapazität setzen. Wer also eher ausgiebige Touren räubern und nicht ganz so tief ins Portemonnaie greifen will, ist mit den Alu-Modellen zwischen 4.899 € und 6.199 € gut versorgt.
Geometrie des GIANT Trance X Advanced E+ – Anpassung in Nuancen
Die Geometrie bleibt im Vergleich zum Vorgänger quasi unverändert. Lediglich die Kettenstrebenlänge ist um einen Millimeter auf stattliche 473 mm gewachsen – viel kürzer wäre durch den quer eingebauten Motor und die untere Maestro-Wippe kaum möglich gewesen. Das Bike verfügt über einen Flip-Chip, der den Sitz- und Lenkwinkel um 0,8° steiler macht. Ein Umbau, den ihr euch aufgrund der ohnehin schon frontlastigen Sitzposition getrost sparen könnt. Das zulässige Gesamtgewicht liegt bei stolzen 156 kg und war schon in unserem großen Vergleichstest das höchste im Testfeld. Beim Gewicht unseres Bikes bleiben so 133 kg Zuladung, die theoretisch ausgeschöpft werden können. In Verbindung mit den leichten Reifen und den Carbon-Felgen stand es allerdings schon bei unserem 80 kg schweren Testfahrer 1:0 für den Fahrer. Um das zu vermeiden, zieht euch gleich nach Kauf mindestens Reifen mit Doubledown-Karkasse auf die Carbon-Felge. Alle Modelle sind in S–XL-Rahmen erhältlich und bieten so Fahrern und Fahrerinnen zwischen 165 und 195 cm Körpergröße eine Plattform. Bei der Größenauswahl nimmt euch GIANT durch die Eingabe eurer genauen Größe sowie Bein- und Armlänge an die Hand und schlägt euch die passende Größe vor.
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 400 mm | 425 mm | 450 mm | 475 mm |
Oberrohr | 575 mm | 605 mm | 635 mm | 665 mm |
Steuerrohr | 95 mm | 100 mm | 110 mm | 120 mm |
Lenkwinkel | 65,7° | 65,7° | 65,7° | 65,7° |
Sitzwinkel | 77,2° | 77,2° | 77,2° | 77,2° |
Kettenstrebe | 473 mm | 473 mm | 473 mm | 473 mm |
Tretlagerabsenkung | 30 mm | 30 mm | 30 mm | 30 mm |
Radstand | 1.220 mm | 1.239 mm | 1.268 mm | 1.300 mm |
Reach | 439 mm | 457 mm | 482 mm | 510 mm |
Stack | 606 mm | 611 mm | 621 mm | 630 mm |
Fahrverhalten des GIANT Trance X Advanced E+ 0 – Es klebt und klettert!
Das GIANT Trance X Advanced bietet durch den relativ steilen Sitzwinkel eine etwas vorgelagerte Sitzposition. Was sich bei einer Tour über den flachen Deich als unkomfortabel und handlastig herausstellt, macht das Bike beim Uphill im alpinen Terrain hingegen zum mühelosen Kletterer. In Verbindung mit dem adaptiven FOX-Fahrwerk und dem bei niedrigen Kadenzen sehr kraftvollen Yamaha-Motor wird das GIANT zur absoluten Klettermaschine und kompensiert selbst den eher schwach profilierten MAXXIS DISSECTOR am Hinterrad. Das E-Live Valve-System lässt euch selbst im Uphill keine Schlaglöcher spüren und danach auch nicht im Lockout in den Trail starten. Es ermöglicht auf Flowtrails ein effizientes Pushen, ohne bei plötzlich auftretenden Hindernisse für harsche Überraschungsmomente zu sorgen.
Kommt es zu Anliegern, neigen die mit 2,6” sehr breiten Reifen allerdings zum Abknicken und einem schwammigen Gefühl. Die Live Valve-Federelemente sind in der Einstellbarkeit leider beschränkt und verfügen nur über eine FIT4-Kartusche mit einem einfachen Rebound und einfacher Dämpfung, was das Fahrwerk bei schnellen Schlägen, wie z. B in Steinfeldern und Wurzelteppichen, verhärten lässt. Wer eine perfekt abstimmbare Federgabel für den Downhill sucht, ist mit herkömmlichen Alternativen wie der GRIP2-Kartusche deutlich besser aufgehoben. Generell spürt man im Downhill, wie frontlastig das Bike unterwegs ist. Die Front bleibt am liebsten satt am Boden kleben, Sprünge und langsam gefahrene Drops werden zum Kraftakt. Dahingegen bietet das Bike auch Anfängern in offenen Kurven sehr viel Traktion und Kontrolle und selbst enge Kehren lassen sich trotz der langen Kettenstreben noch erstaunlich gut meistern.
Fazit zum GIANT Trance X Advanced E+ 0 2022
Wer eine Klettermaschine sucht, die für einen vernünftigen Preis bis zum Kinn mit Technologie vollgepackt ist, wird mit dem GIANT Trance X Advanced E+ sehr gut versorgt. Das Bike eignet sich so für alpine Anstiege und natürliche Abfahrten und generiert stets eine Menge Traktion. Bei gebauten Strecken und steilen Steinstufen ist das Advanced hingegen überfordert und will den Boden nur ungern mit einer Menge an Kraftaufwand verlassen. Das System Live Valve erzeugt zwar einen deutlichen Mehrwert, konnte allerdings die Probleme der tiefen Front, die wir beim Vorgänger schon hatten, nicht ganz ausmerzen – die Lösung ist wohl nicht immer elektronisch.
Für mehr Information besucht giant-bicycles.com
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Words: Julian Schwede Photos: Thomas Weiss