Ausgabe #018 Inspiration

Generationen verbunden – Wie E-MTBs es uns erlauben, als Familie loszuziehen

Zum allerersten Mal waren wir drei gemeinsam mit Bikes unterwegs: Mein Vater, mein kleiner Sohn und ich. Mehr als siebzig Jahre trennen das jüngste und älteste Mitglied unserer Gruppe. Können E-Mountainbikes die Lücke zwischen den Generationen schließen?

Vor 10 Monaten bin ich Vater geworden! In diesem ausgelassenen und beängstigenden Moment, als mein Sohn zum ersten Mal seine Augen öffnete und das Licht der Welt erblickte – und somit auch mich – wusste ich sofort, dass sich alles verändert hatte. Selbstsucht, Egoismus und die Sehnsucht nach Selbstzufriedenheit schmolzen dahin und wichen einem tiefen Beschützerinstinkt. Beim Blick in die großen blauen Augen dieses kleinen Wesens verspürte ich nur noch einen Wunsch: ein besserer Mensch zu sein. Konfrontiert mit den Höhen und Tiefen der Elternschaft habe ich – wie so viele Eltern – begonnen, Dinge infrage zu stellen oder aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, inklusive des Verhältnisses zu meinem eigenen Vater. Je älter man wird, desto weiter entfernt fühlen sich Kindheitserinnerungen an, verschwommen und weichgezeichnet. Auch die Beziehung zu den eigenen Eltern ändert sich. Man wird reifer, wird selbst zum Mann oder zur Frau und unterhält sich auf einer Ebene mit seinen Eltern über verschiedenste wichtige Themen. Doch echte Emotionen und Selbstzweifel spricht man kaum aus und behält sie für sich.

My child arrived just the other day
He came to the world in the usual way
But there were planes to catch, and bills to pay
He learned to walk while I was away

Dann plötzlich wird man selbst zu einem Elternteil und die neue Situation wirft einige Fragen auf: Gab es eine Zeit, in der mein Vater mit derselben innigen Verbindung auf mich herabblickte, wie ich sie nun fühle, wenn ich meinen Sohn ansehe? Gewiss war es damals eine andere Zeit, doch vielleicht schlich auch er mitten in der Nacht über die kalten Gänge des Hauses, schaukelte mich in seinen Armen, während ich schrie und zahnte – und vergaß dann genauso seine Erschöpfung und Frustration beim kleinsten Anzeichen eines Lächelns. Wenn man ein Kind ist, dann bedeuten einem die eigenen Eltern alles: Sie sind die Superhelden, Eigentümer unvorstellbaren Reichtums, gewaltiger Stärke und unbeugsamer Ausdauer. Dann wächst man heran, wird immer größer, die dürren Glieder füllen sich mit Kraft und die eigene Fitness bildet sich heraus. Und schließlich, an entgegengesetzten Punkten des Lebens, wird man stärker als seine Eltern. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal mit meinem Vater mit dem Rad unterwegs war, doch es war sicherlich vor sehr langer Zeit. Sicher hat er keine Vorstellung davon, auf welchen Trails ich heutzutage unterwegs bin. Enduro und Downhill sind meine Spielwiesen – Terrain, das er als unmöglich und verrückt ansehen würde.

My son turned ten just the other day
He said, thanks for the ball, dad, come on let’s play
Can you teach me to throw, I said, not today
I got a lot to do, he said, that’s okay

Doch auch mein Vater fährt Rad, sein ganzer Stolz ist ein E-Bike, das er täglich nutzt, um in der kleinen Küstenstadt, in der er lebt, herumzukommen. Damit bringt er seine Rentner-Freunde zum Staunen, wenn sie bei ihm vorbeischauen und es wie eine Horde aufgeregter Kids auf dem Schulhof begaffen. Einmal sah ich meinen Vater, wie er sich durch den Verkehr schlängelte, die Fahrradtaschen völlig überladen mit dunklem Bier, einer dicken Zeitung und den Zutaten für einen Sonntagsbraten. Zunächst dachte ich an seine Sicherheit, doch dann war ich über alle Maßen stolz. Mit 70 Jahren sind Ausflüge mit Bikes in anspruchsvolleres Terrain für ihn bloße Erinnerungen. Ich hatte es schon beinahe aufgegeben, mit meinem Vater noch einmal mit Bikes einen Vorstoß ins Gelände zu wagen. Vor einigen Jahren hatten wir es zuletzt ausprobiert, ein tapferer Versuch mit Trail-Bikes. Letztendlich erwies sich unser Altersunterschied von 30 Jahren als zähe Verhandlungsbasis. Doch plötzlich bot sich eine neue Chance: Dank der E-MTBs und ihrer Tretunterstützung lassen sich Altersdifferenzen ausgleichen. Nun könnte ich meinem Vater vielleicht doch ein Bild meiner Welt zeigen – und gleichzeitig die Erfahrung auch mit meinem mittlerweile 10-monatigen Sohn teilen. Drei Generationen verbunden durch dieselben abenteuerhungrigen Gene.

I’ve long since retired and my son’s moved away
I called him up just the other day
I said, I’d like to see you if you don’t mind
He said, I’d love to, dad, if I could find the time

Der Ausflug vor einigen Wochen war eine spontane Idee, eine Frage im Sinne von „Bekommen wir das hin?“. Aber er hat sich zu so viel mehr entwickelt. Aus der gemeinsamen Ausfahrt ist eine Möglichkeit entstanden, unsere Verbindung zu stärken und von alten Zeiten zu erzählen. Uns zu beobachten und meine Liebe zu meinem Sohn zu spüren, hat in meinem Vater tiefe nostalgische Gefühle entfacht und die Geschichten sind nur so aus ihm herausgesprudelt. Bei der Auffahrt durch duftende Kiefernwälder habe ich so unglaublich viel über mich als Kind erfahren – fast vergessene Geschichten und Erzählungen, die ohne diesen einzigartigen Moment in den Tiefen der Vergangenheit verborgen geblieben wären. Erinnerungen sind auch in mir wieder wach geworden, etwa an meine ersten Kurbelumdrehungen ohne fremde Hilfe. Die vergangenen 35 Jahre haben viele Details verschwimmen lassen, doch sehe ich den Moment noch immer klar vor Augen, wie ich durch den Park geschoben wurde und lachend die Kurbeln glühen ließ, so schnell es meine kurzen Beine eben zuließen. Als ich damals über meine Schulter zurückblickte, konnte ich es nicht glauben, dass mein Papa mich nicht mehr hielt, sondern 20 Meter hinter mir stand – mit einem ermutigenden und stolzen Blick auf seinem Gesicht. Ich fuhr ganz allein Fahrrad.

And the cat’s in the cradle and the silver spoon
Little boy blue and the man in the moon
“When you coming home, son?” “I don’t know when”

Wir beobachteten die Sonne, wie sie am Horizont eintauchte und eins mit ihm wurde. Meinen Vater und mich verbanden 110 Jahre miteinander verflochtener Erfahrungen und Abenteuer – während eine andere Lebensgeschichte gerade erst begann. Als wir so dahinrollten, verblüffte mich der Gedanke, dass unsere Ausfahrt noch vor fünf Jahren unmöglich gewesen wäre. Ohne E-Mountainbikes wären wir keineswegs in der Lage gewesen, gemeinsam am Seeufer entlang zu fahren, Scherze über Eiscreme zu machen und Steine über das Wasser hüpfen zu lassen. Manchmal sind es eben doch die kleinsten Dinge, an die man sich am intensivsten erinnert: Das E-Bike-Lächeln auf dem Gesicht meines Vaters oder auch die begeisterten Laute aus dem Babysitz. Genau das sind die Erinnerungen, die ich bei mir behalten werde. Die wirklich wichtigen.

But we’ll get together then, dad
We’re gonna have a good time then

Als wir den Hügel wieder hinabrollten, war die Luft erfüllt von Baby-Gebrabbel und unseren Unterhaltungen. Doch ich fühlte mich auch ein wenig traurig, dass wir drei möglicherweise nie wieder ein solches Erlebnis teilen würden. Bei dem Bike meines Vaters handelte es sich um ein Leih-Bike, ein bloßes Mittel zum Zweck. Doch während wir gemächlich vor uns hin cruisten, vernahm ich endlich die Frage, auf die ich so sehnsüchtig gehofft hatte: „Also, wieviel würde dieses E-MTB denn nun genau kosten?“ Der Grundstein war also gelegt.


Dieser Artikel ist aus E-MOUNTAINBIKE Ausgabe #018

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