Für sportliche E-Mountainbiker sind die Würfel gefallen: Abgesehen vom günstigeren Preis spricht nichts für den Kauf eines Hardtails – ein Fully bietet mehr Traktion, Komfort und Sicherheit. Bei alltagstauglichen E-Bikes sind vollgefederte Räder jedoch noch deutlich in der Minderheit. Doch würden nicht auch Pendler und Stadt-Radler von einer Hinterradfederung profitieren?

Fully vs. Hardtail – Bitte was?

„Fully, Hardtail, Federweg? Ich will doch einfach nur ein Fahrrad!“ Wer unser Magazin liest, ist mit den Fachbegriffen wahrscheinlich bestens vertraut, doch viele Bike-Käufer verstehen schon bei den Basics nur Bahnhof. Der Begriff Hardtail beschreibt ein Fahrrad ohne Hinterrad-Federung, ein Fully (Full Suspension) ist ein vollgefedertes Rad, bei dem auch das Heck gefedert ist. Bei sportlichen E-Mountainbikes gibt es abgesehen von den niedrigeren Anschaffungskosten keinen Grund mehr ein Hardtail zu fahren. Doch selbst hochwertige Bikes für den Alltag verzichten oft auf ein gefedertes Heck. Macht das überhaupt Sinn?

Die Kontrahenten

Um der Frage Fully vs. Hardtail im Alltagseinsatz auf den Grund zu gehen, haben wir zwei Bikes gesucht, die sich möglichst ähnlich sind. Bei CENTURION sind wir fündig geworden, denn das Hardtail Backfire Fit E und das Fully Lhasa E weisen extrem viele Gemeinsamkeiten auf und sind damit prädestiniert für einen direkten Vergleich. Für diesen Test haben wir uns für das 3.249 € teure Hardtail Backfire Fit E R850 EQ entschieden, das ähnlich ausgestattete Fully Lhasa E R850i EQ kostet 4.099 € und ist damit um 850 € teurer. Beide Modellbezeichnungen verfügen über den Zusatz EQ, der für equipped steht und bedeutet, dass die Bikes mit Schutzblechen, Gepäckträgern und Licht bestens für den Alltagseinsatz gerüstet sind.

CENTURION beschreibt das Lhasa E als „All Terrain Bike“ für Tour und Trekking und trifft es damit ziemlich gut. Es will nicht so recht in eine der üblichen Kategorien passen, denn es vereint verschiedene Elemente aus der Mountainbike- und Trekking-Welt zu einem einzigartigen Gesamtkonzept. Das Backfire Fit E ist ein E-MTB-Hardtail mit komfortabler Geometrie, das dank EQ-Vollausstattung auch für den täglichen Arbeitsweg und die Stadt geeignet ist.

Einziger nennenswerter Unterschied zwischen beiden Rädern ist – abgesehen von der Hinterradfederung – der Akku. Das Backfire Fit E kommt mit einem semi-integrierten Unterrohr-Akku, das Lhasa E verfügt über einen voll integrierten Bosch PowerTube-Akku. Ansonsten ist die Ausstattung identisch, beide Bikes verfügen über eine Shimano SLX-Schaltung, Shimano Deore-Bremsen und eine SR Suntour Mobie45-Federgabel mit 100 mm Federweg. Es gibt jeweils fünf Rahmengrößen, die kleinste ist ausschließlich mit 27,5”-Laufrädern verfügbar, die drei größten nur mit 29”-Rädern. Bei Rahmengröße 43 hat der Kunde die Wahl, denn diese Größe wird in beiden Laufradgrößen angeboten.

CENTURION Lhasa E R850i EQ

Federgabel SR Suntour Mobie45 100 mm
Dämpfer SR Suntour UNAIR LO-R
Motor/Akku Bosch Performance CX / PowerTube 500 Wh
Schaltung Shimano SLX
Bremsen Shimano Deore
Sattelstütze PROCRAFT AL
Laufradsatz Shimano Deore / PROCRAFT Pro
Reifen Schwalbe Smart Sam Performance 2,25”
Gewicht 24,72 kg
Preis 4.099 €

Herzstück
Der unscheinbare SR Suntour-Dämpfer macht in der Praxis einen großen Unterschied, das Lhasa E lässt das Backfire Fit E locker hinter sich
Aufgeräumt
Der voll integrierte Bosch PowerTube-Akku sorgt für eine aufgeräumte Optik und macht Platz für einen Flaschenhalter im vorderen Rahmendreieck
Hochsitz
Das Lhasa E ist so vielseitig und geländegängig, dass wir uns eine absenkbare Sattelstütze gewünscht hätten

CENTURION Backfire Fit E R850 EQ

Federgabel SR Suntour Mobie45 100 mm
Motor/Akku Bosch Performance CX / PowerTube 500 Wh
Schaltung Shimano SLX
Bremsen Shimano Deore
Sattelstütze PROCRAFT AL
Laufradsatz Shimano Deore / PROCRAFT Pro
Reifen Schwalbe Smart Sam Performance 2,25”
Gewicht 22,53 kg
Preis 3.249 €

Alltagstauglich
Die EQ-Ausstattung macht das Bike fit für den Alltag, Schutzbleche und Gepäckträger sind solide, das Licht könnte etwas heller sein
Lose Teile
Die Abdeckung des Ladeports ist nicht am Rahmen befestigt und kann daher leicht verloren gehen
Runde Sache
Die Schwalbe Smart Sam-Reifen passen hervorragend zum Einsatzzweck des Backfire Fit E und machen sowohl auf Schotter als auch auf Asphalt eine gute Figur

Das Duell

Wir haben die beiden CENTURION E-Bikes auf verschiedenen Strecken und im Pendler-Alltag gegeneinander verglichen. Zuerst fallen die vielen Gemeinsamkeiten auf. Die Sitzposition ist auf beiden Rädern sehr ähnlich, man sitzt aufrecht komfortabel, aber keineswegs unsportlich. Die Schwalbe Smart Sam-Reifen erweisen sich als perfekte Allrounder, sie bieten auf Schotter ausreichend Grip und rollen leicht und leise auf Asphalt. Schutzbleche und Gepäckträger sind stabil und gut integriert, beide Bikes punkten im Alltagseinsatz mit einem Ständer. Die Lichtanlage ist leider kein Highlight, reicht für Stadt und Radweg aber aus. Das Backfire Fit E bietet eine etwas niedrige Überstandshöhe, beide Bikes würden aber von der zusätzlichen Bewegungsfreiheit durch eine absenkbare Sattelstütze profitieren.

Der Bosch CX-Motor geht gewohnt kraftvoll ans Werk. Beide Räder verfügen über den eMTB-Modus, bei dem die Unterstützung des Motors dynamisch an den Input des Fahrers angepasst wird. Der eMTB-Modus eignet sich nicht nur für’s Gelände, sondern gefällt auch mit seiner harmonischen Abstimmung beim Pendeln. Will man in der Ebene über 25 km/h fahren, bremst einen das Getriebe des Motors etwas aus. Doch dank der großen Laufräder und den leicht rollenden Reifen lassen sich beide Bikes überraschend gut über der Unterstützungsgrenze bewegen.

Bei den Komponenten gibt es nichts zu meckern, die Shimano SLX-Schaltung wechselt präzise die Gänge, die Deore-Bremse bietet für den Einsatzbereich genügend Bremskraft. Die SR Suntour-Federgabel ist nicht nur komfortabel, sondern auch steif und setzt Lenkimpulse präzise um. Doch bei so vielen Gemeinsamkeiten stellt sich zwangsläufig die Frage, ob das Lhasa E seinen 850-€-Aufpreis wert ist?

  Beide Bikes fühlen sich auf Schotterwegen am wohlsten, machen jedoch ohne Murren einen Abstecher ins leichte Gelände mit.

Der voll integrierte Akku ist zwar nicht das Kernthema dieses Vergleichs, dennoch zeigt er deutlich die Evolution heutiger E-Bikes. Trotz Dämpfer und Umlenkwippe wirkt das Lhasa E deutlich aufgeräumter als das Backfire Fit E, außerdem bietet es Platz für einen Flaschenhalter im Rahmendreieck. Der Ladeport sitzt beim Lhasa E eindeutig besser zugänglich auf dem Oberrohr, der integrierte Akku lässt sich dennoch leicht entnehmen. Das Lhasa E Fully wiegt zwar über 2 kg mehr als das Backfire Fit E, im Fahrverhalten merkt man das Mehrgewicht jedoch kaum.

Beide Bikes fühlen sich auf Schotterwegen am wohlsten, machen jedoch ohne Murren einen Abstecher ins leichte Gelände mit. Das Lhasa E erweist sich dabei als erheblich komfortabler und vielseitiger. Die Heckfederung mit 90 mm Federweg nimmt Schlaglöchern und kleinen Hindernissen den Schrecken und sorgt für ein deutlich entspannteres Fahrgefühl – die Bandscheibe wird es danken. Bergauf sorgt die Federung dafür, dass das Hinterrad förmlich am Boden klebt und so bietet das Lhasa E auf unbefestigten Wegen mehr Traktion als sein ungefedertes Pendant.

Den größten Vorteil bietet die Hinterradfederung aber bergab. Sobald der Weg etwas uneben wird, vermittelt das CENTURION Lhasa E Fully dem Fahrer deutlich mehr Sicherheit und Stabilität als ein Hardtail. Da ein Fully bereits durch das Gewicht des Fahrers immer etwas einfedert, sitzt man auf dem Lhasa E spürbar weniger frontlastig. Hinzu kommt, dass der Lenkwinkel von Haus aus bereits etwas flacher ist. So fühlt man sich bergab auch bei höheren Geschwindigkeiten nicht unwohl, das Lhasa E ist erstaunlich laufruhig und ausbalancierter als das Hardtail. Beim Backfire Fit E hingegen lastet mehr Gewicht auf den Händen, was mit der Zeit unangenehm werden kann. Außerdem muss der Körper auf dem Hardtail deutlich mehr Schläge abfangen und ermüdet daher früher also auf dem Fully.

Zwar ist das Lhasa E kein reinrassiges Mountainbike, dennoch ist es erstaunlich geländegängig. Mit dem Fully nimmt man auf dem Weg zur Arbeit gerne die Abkürzung über den Trail, während man mit dem Backfire Fit E lieber außen herum fährt. Doch auch in der Stadt kann das Lhasa E punkten, denn durch die Heckfederung ist es erheblich leichter, über Bordsteine und Hindernisse zu kommen. Einziger Wermutstropfen: Die Funktion der Federung hängt vom Beladezustand des Heckträgers ab. Denn wer mit viel Gepäck unterwegs ist, muss sich mit einer hohen ungefederten Masse abfinden, was die Sensibilität deutlich reduziert.

Fazit

Das CENTURION Backfire Fit E ist ein klasse Rad für Alltag und Touren, doch in diesem Vergleich muss es sich dem vollgefederten Lhasa E deutlich geschlagen geben. Das Fully bietet mehr Komfort und Sicherheit und beweist damit, dass eine Hinterradfederung auch an einem Alltagsrad viele Vorteile bietet. Den Aufpreis von 850 € würden wir hier auf jeden Fall investieren.

Mehr Infos zu den Bikes unter centurion.de


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Words: Photos: Valentin Rühl