Jahrelang hat die Eurobike versucht, den Spagat zu schaffen zwischen Industrie-Leitmesse, Handels-Orderplattform und Publikums-Event. Doch am Ende wurde sie von allem ein bisschen – und nichts davon richtig. Zu viel Kompromiss, zu wenig Klarheit, keine echte Identität. Nach Jahren struktureller Probleme und wachsender Entfremdung von den großen Marken beenden die beiden wichtigsten Branchenverbände, ZIV – Die Fahrradindustrie und Zukunft Fahrrad, ihre Zusammenarbeit mit der Messe. Und jetzt? Fragen über Fragen…
Was folgt auf den einstigen Pflichttermin der internationalen Bike-Szene? Wo wird sich die Branche künftig geschlossen präsentieren – gegenüber Politik, Medien und der Öffentlichkeit? Wer übernimmt die Rolle der Leitmesse – und wer die Verantwortung, die Branche nach außen hin zu repräsentieren?
Braucht es überhaupt noch eine klassische Messe – oder einen radikalen Neuanfang? Eine Plattform, die Haltung zeigt, Sinn stiftet und die Branche wirklich vereint?
Und vielleicht die wichtigste Frage: Wer hat den Mut und die Kompetenz, diese neue Ära einzuläuten – und das Vakuum zu füllen, das die Eurobike hinterlässt? Wer gibt ihr wieder eine Stimme, ein Gesicht, eine Bühne?
Das Problem: Bislang hat es keine Industrieveranstaltung, kein Verband und keine Messe geschafft, echte Visionen für die Bike-Welt zu entwickeln – Visionen, die die Branche wirklich stärken. Statt Ursachen zu heilen, hat man zu oft nur Symptome mit Schmerzmitteln betäubt. So haben wir uns in den letzten Jahren vor allem selbst geschwächt.
Doch vielleicht sind wir jetzt an einem Wendepunkt. Die Branche scheint zu erkennen, dass es so nicht weitergehen kann. Wichtig dabei: Kritisieren und Schuldzuweisungen sind einfach, aber man muss es erstmal besser machen. Die gute Nachricht: Es gibt erste positive Entwicklungen und ein neues Bewusstsein wächst.
Extrem wichtig: Wir brauchen keine Kurzschluss-Reaktion oder Panik, um eine schnelle Lösung für 2026 zu finden. Wir brauchen eine Longterm-Strategie mit einem soliden und zukunftsfähigen Konzept, das über Jahre Bestand haben kann. Ansonsten rennen wir Gefahr, von einer halblebigen Lösung zur nächsten zu springen und haben am Ende wieder nichts gewonnen!
Mit unserem jüngsten 41 Think Tank in Brixen und den bald erscheinenden Brixen Bike Papers greifen wir die zentralen Pain Points der Branche auf – und zeigen konkrete Wege, was eine zukunftsfähige Bike-Branche braucht.
So sehr wir die Eurobike schätzen: Die aktuellen Krisen sind kein Grund zur Verzweiflung. Im Gegenteil – sie sind genau das, was wir brauchen, um eine müde und marode Industrie endlich neu zu denken. Also: Kopf hoch. Packen wir’s an!
Hier die offizielle Pressemitteilung der Verbände ZIV – Die Fahrradindustrie und Zukunft Fahrrad
ZIV – Die Fahrradindustrie und Zukunft Fahrrad beenden Zusammenarbeit mit der Eurobike
Berlin, 30. Oktober 2025 | Die Verbände ZIV – Die Fahrradindustrie und Zukunft Fahrrad erklären ihre Gespräche mit der Eurobike zur zukünftigen Ausrichtung der Messe für gescheitert. Beide Verbände werden die Kooperation beenden und 2026 nicht an der Eurobike teilnehmen.
«Nach intensiven Gesprächen mit den Gesellschaftern der Eurobike haben wir uns entschieden, die Zusammenarbeit zu beenden. Wir konnten nicht erkennen, dass beide Gesellschafter mit derselben Konsequenz Maßnahmen unterstützen, die nötig wären, um die Messe zukunftsfähig für die Fahrradbranche aufzustellen», erläutert Bernhard Lange, ZIV – Die Fahrradindustrie-Präsidiumsmitglied und geschäftsführender Gesellschafter der Paul Lange GmbH & Co. KG die Entscheidung.
«Die Mitglieder von Zukunft Fahrrad und ZIV – Die Fahrradindustrie haben klare Vorstellungen zu notwendigen strukturellen und inhaltlichen Anpassungen formuliert. Leider sehen wir keine realistische Chance, diese zu erreichen», sagt Ulrich Prediger, Zukunft Fahrrad-Vorstandsvorsitzender und Gründer von JobRad.
Der Entscheidung vorangegangen war ein intensiver gemeinsamer Feedbackprozess der Verbände mit ihren Mitgliedern im direkten Nachgang der diesjährigen Messe. Das Ergebnis war ein «10-Punkte-Plan Eurobike 2026», der als Basis für die Gespräche mit den Messegesellschaften diente.
«Die Branche erwartet grundlegende Änderungen als Voraussetzung und klares Signal für eine erfolgreiche Zukunft der Eurobike – im Ergebnis sehen wir diese nicht», so Claus Fleischer, Vorstandsmitglied im ZIV – Die Fahrradindustrie und CEO von Bosch eBike Systems.
«Wir haben uns diese gemeinsame Entscheidung nicht leicht gemacht und wir bedauern sehr, dass sie notwendig ist. Es ist wichtig, dass wir jetzt Klarheit für alle Seiten schaffen», betont Dirk Zedler, Zukunft Fahrrad-Vorstandsmitglied und Gründer und Geschäftsführer der Zedler-Gruppe.
Der ZIV – Die Fahrradindustrie und seine Tochtergesellschaft ZR Zweirad-Gesellschaft mbH haben ihre Kooperationsvereinbarungen mit der fairnamic GmbH gestern gekündigt. Zukunft Fahrrad hat zeitgleich um Aufhebung des Vertrags gebeten.
Beide Verbände blicken jetzt entschlossen nach vorn:
«Die Nachfrage unserer Mitglieder nach einer starken gemeinsamen Plattform ist ungebrochen groß. Entsprechend führen wir den begonnenen engen Dialog mit unseren Unternehmen und Partnerverbänden weiter», so Wasilis von Rauch, Geschäftsführer Zukunft Fahrrad.
Burkhard Stork, Geschäftsführer ZIV – Die Fahrradindustrie, kündigt an: «Wir werden mit dem Prozess sehr zügig voranschreiten. Das Thema Branchenplattform gilt es, zukunftsgerecht zu lösen, denn wir alle sehen die enormen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen für unsere Branche.»
ZIV – Die Fahrradindustrie
Der ZIV – Die Fahrradindustrie ist die nationale Interessenvertretung und starke Stimme der deutschen und internationalen Fahrradindustrie – inklusive Import und Großhandel sowie etablierter Unternehmen und Start-ups aus dem gesamten Eco-System Fahrrad. Als Branchenverband bündelt und vertritt der ZIV die Interessen von rund 140 Mitgliedsunternehmen gegenüber den Gesetzgebern in der EU und in Deutschland, der Regierung, Behörden, Medien, Institutionen und Organisationen. Rund 90 Prozent der 2024 in Deutschland produzierten Fahrräder und E-Bikes stammen von Mitgliedsunternehmen des ZIV, die zusätzlich zum Absatz im Binnenmarkt jährlich 1,3 Mio. Fahrzeuge exportieren.
Zukunft Fahrrad
Der Wirtschaftsverband Zukunft Fahrrad vertritt die Interessen der innovativen Fahrradwirtschaft in Deutschland. Zu den über 100 Mitgliedern gehören Dienstleister, Hersteller, Anbieter von Soft- und Hardware der Digitalisierung, Händler sowie Zulieferer der Fahrradwirtschaft. Vom Start-up bis zum Global Player eint sie das Ziel einer ambitionierten und Radverkehr fördernden Verkehrspolitik. Zukunft Fahrrad setzt sich für die Transformation der Mobilitätswirtschaft in Deutschland ein und arbeitet daran, Deutschland als stark wachsenden und innovativen Standort der Fahrradwirtschaft zu einem internationalen Leitmarkt zu machen.
Words: Robin Schmitt Photos: EUROBIKE Frankfurt: Frank Baumhammel / Silke Magino / Jens Braune del Angel


