War nicht gerade erst Wochenende? Während die Sonne mit perfektem Wetter lächelnd lockt, sitze ich im stickigen Büro, der Ventilator gibt sich alle Mühe und ich auch – doch vergeblich. Die Minuten wollen einfach nicht verstreichen. Verdammt, ich will biken! Die Konzentration geht, der Stress kommt: Muss das sein?

Der trockene Glückskeks bleibt mir fast im Hals stecken, als wir vom Asia-Imbiss zurück ins Büro fahren: „EIN EINFACHER ZWEIG IST DEM VOGEL LIEBER ALS EIN GOLDENER KÄFIG“, so prangt es in Großbuchstaben auf dem Zettel. Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr werde ich mir meiner eigenen Situation bewusst. Neidisch verfolge ich auf Instagram das Leben meiner Start-up-Freunde, die sich selbst als Digital Nomads bezeichnen und scheinbar nur am Strand und in Coffeeshops arbeiten. Die Arbeitswoche zehrt schon jetzt an meinen Kräften – gibt es da keine Chance auf ein kurzes Luftholen? Wozu verdammt noch mal gibt es Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit? Und heißt Homeoffice tatsächlich, dass man zu Hause sein muss?

Gegen den Strom

Ich denke an den armen Vogel, der nicht fliegen darf (mich) und frage mich: Wenn nicht jetzt, wann dann? Mein Plan: antizyklischer Tagesablauf. Statt Nine-to-Five-Arbeit nehme ich mir vor, bis zur Mittagspause zu arbeiten, dann die Segel zu hissen und mich am Abend noch mal für ein paar Stunden an den Rechner zu setzen. Antizyklisch heißt auch: kein Stau, kein Frust, keine Eile – dann Auto fahren, wenn die Autobahnen leer sind, dann Spaß haben, wenn die anderen alle arbeiten. Ich fühle mich wie ein Rebell, energiegeladen und motiviert.

Also: Bike geladen, Auto gepackt und ab auf die Autobahn. Next Stop: Heidelberg. Die schöne Stadt am Neckar verspricht nicht nur (noch) besseres Wetter als in Stuttgart, sondern auch eine Vielzahl toller Trails und unbesorgtes Studentenflair. Ankommen, kurzer Snack auf die Hand und ab auf die Trails, das war mein Plan. Nicht mit einkalkuliert habe ich, dass Heidelberg eine echte Touristenhochburg ist, die Studenten alles andere als Nine-to-Five lernen und entsprechend viel los ist. Aber egal, durchs Getümmel durch und ab auf die Trails: Das E-Mountainbike macht Spaß. Ich gebe Vollgas, ohne Vollgas zu geben. Auf den Königstuhl trägt mich mein Specialized Turbo Levo mit maximaler Unterstützung – wenn das meine Kollegen wüssten! Die Aussicht, die Trails, der Genuss, allein für mich unterwegs zu sein … ein Traum! Romantische Sonnenuntergänge, die man beim Afterwork-Ride erlebt, darf ich hier nicht erwarten, dafür hartes Licht, schließlich steht die Sonne auf 12 Uhr. Das erfordert mehr Konzentration im dichten Unterholz, wo das Licht mit dem Schatten tanzt.


Nach zwei Abfahrten geht es zurück an die Arbeit. Meinen vertrauten Bürotisch habe ich mit einem Café gewechselt: Beim Coffee Nerd in Heidelberg werden selbst meine hippen Start-up-Freunde auf Instagram neidisch!


Dank dem E-Mountainbike habe ich mich sportlich betätigt, bin aber nicht so ausgepowert, dass ich nicht mehr arbeiten könnte. Im Gegenteil: Die Motivation ist größer denn je! Die Arbeit von drei Stunden schaffe ich gar in zwei! Und weil’s so schön war, geht es noch mal kurz auf die Trails und dann zum Eis Schlemmen an die Neckarwiese – romantischer Sonnenuntergang inklusive. Wer hat gesagt, man könne nicht beides haben? Biken, arbeiten und Akku laden, biken: der Escape Day für Profis!

Du fürchtest Neid bei den Kollegen oder hegst Selbstzweifel, ob du solch einen Tag durchziehen könntest? Ja, die gibt es immer. Aber Kommunikation ist alles: Wer seinen Kollegen Bescheid gibt, stellt sicher, dass sich jeder auf die kurzzeitige Abwesenheit einstellen kann, und kann im direkten Gespräch auch gleich noch für Verständnis sorgen. Die Herausforderung ist vielmehr, den Tag richtig zu planen und zu wissen, wann man zurück zur Arbeit kommen sollte. Wer abliefert, wird auch Akzeptanz für diese neue flexible Arbeitseinteilung ernten. Ach ja, den Instagram-Post im Zweifel einfach weglassen, so schön es sich im Profil auch machen würde. Diese Art von Neid bringt niemanden weiter.

Klingt zu weit weg für deine (Arbeits-)Welt? Versuch es! Denn wer keinen Mut aufbringt, wird das Fliegen nie lernen. Der goldene Käfig existiert nur in unserem Denken. Zumindest wenn du den Luxus von Gleitzeit, Homeoffice oder Vertrauensarbeitszeit besitzt. Vergesst René Descartes, das neue Credo lautet: Ich tue, also bin ich.


Dieser Artikel ist aus E-MOUNTAINBIKE Ausgabe #013

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Words: Carina Faißt Photos: Robin Schmitt

Über den Autor

Carina Faißt

Mit meinem Background in der Fashion-Industrie und Projektmanagement unterstütze ich Max-Philip und Robin bei der Umsetzung und Realisierung unserer zahlreichen Projekte und koordiniere viele Marketing-Aktivitäten. Manchmal bedeutet das endlose Stunden vor dem Laptop zu kleben, aber das Ergebnis ist es oftmals mehr als wert. Ach ja, dass wir Meetings häufig auf dem Bike abhalten, quer durch Europa reisen und regelmäßige Lunch- und Afterworkrides machen, gleicht das mehr als aus!