Stürze gehören zum Mountainbiken dazu! Was meistens gut ausgeht, kann schnell zu Notfallsituationen führen, in denen ihr euren Freunden oder wildfremden Menschen plötzlich helfen müsst. Unwissen, gefährliches Halbwissen und längst vergessene Erste-Hilfe-Kurse verschlimmern das Ganze unnötig. Mit diesem Must-Read-Artikel zeigen wir euch, was im Notfall zu tun ist.

Bereits 70% von euch sind schon einmal ernsthaft gestürzt! Leider mussten wir in unserer spezifischen Umfrage zum Thema Crashing mit über 2800 teilnehmenden Lesern auch feststellen, dass viel Unwissen, gefährliches Halbwissen und längst vergessene Erste-Hilfe-Kurse die Notfallsituationen unnötig verschlimmern. All das hat uns dazu bewegt, dieses Thema aufzugreifen. Doch soll das hier kein Online Erste-Hilfe-Kurs werden, vielmehr wollen wir, dass das Thema nicht verdrängt wird und ihr unterbewusst für das Schlimmste gerüstet seid. Also nutzt diese hilfreichen, einfach umzusetzenden Tipps und Tricks und gestaltet damit euren nächsten Bike Trip sicherer.

Ja, wir alle fahren Mountainbike, um eine gute Zeit zu haben und die wenigsten beschäftigen sich gerne mit der dunklen Seite des Sports. Dabei weiß jeder Bike-Profi und jeder Bike-Guide wie wichtig es ist, sich mit den Eventualitäten und dem Worst-Case-Szenario auseinanderzusetzen. Bei Piloten ist das nicht anders: Wer eine Fluglizenz will, muss natürlich das Fliegen lernen, aber ein Großteil der Flugstunden setzt sich ausschließlich mit Notfällen und Situationen, in denen etwas schief geht, auseinander. Beim Biken bedeutet das: Wer weiß, wie man richtig crasht sowie sich abrollt und wer die richtigen Vorbereitungen für seine Abenteuer trifft, wird jeglichen Risiken deutlich entspannter entgegensehen!

So auch wir: In Summe haben unsere Redakteure über 100 Jahre Bike-Erfahrung und logischerweise – in all den Jahren – einiges erlebt und mitgemacht. Doch damit nicht genug: Unser Redakteur Peter Walker hat zusätzlich eine dreijährige Berufsausbildung zum Notfallsanitäter gemacht und über Jahre hinweg hautnah die Best Practices im Falle des Falles gelernt und angewendet. Als Notfallsanitäter hat er viel erlebt und auch bei vielen schweren Mountainbike Stürzen geholfen und seine Lehren daraus gezogen:

Eine simple Vorbereitung, ein bewusstes Verhalten und die richtige Prävention erspart in einer Notfallsituation viel Drama, kann Leben retten oder Folgeschäden deutlich reduzieren. Peter Walker, technischer Redakteur und ausgebildeter Notfallsanitäter

Wer vorbereitet ist, braucht keine Angst zu haben

Ganz gleich ob Unfall zu Hause, mit dem Auto oder auf dem Bike – irgendetwas ist uns zwangsläufig schon mal selbst passiert oder wir haben es miterlebt. Auch wenn wir selbst nicht verletzt sind, passiert uns meist dennoch etwas: die Schockstarre. spektakuläre Bilder und erschreckende Soundkulissen sorgen für ordentlich Adrenalin im Blut und treiben unseren Puls derart hoch, dass wir nicht mehr klar denken können. In Notfallsituationen droht dann schnell eine Überforderung, weil wir nicht wissen, was jetzt das Richtige ist. Wer im Fall der Fälle noch klar denken kann und gezielte, systematische Maßnahmen anwendet, hat einen großen Vorteil – und das kann man lernen.

Gleichzeitig lassen sich Notfallsituationen durch die richtige Vorbereitung deutlich entschärfen oder gar vermeiden, insbesondere dann, wenn wir in unwegsamem oder unbekanntem Terrain unterwegs sind. Die meisten Unfälle passieren durch Unachtsamkeit oder durch Fehleinschätzung der Umgebung oder des eigenen Limits. Ob ihr bereit für das nächste Abenteuer seid, findet ihr schnell heraus, indem ihr eine eigene kurze Checkliste erstellt und diese abhakt.

1. Wo gehts hin?

Eine Runde auf den lokalen Trails birgt andere Risiken als der Ausflug in einen Bikepark oder die Suche nach neuen Trails in den Alpen. Seid vorbereitet auf spontane Wetter-Umschwünge, schlechten Handyempfang und erschwerte Wege für die Rettungskräfte. Informiert euch im Voraus darüber, was die geltenden Notrufnummern sind und ob nicht sogar die Bikeregion oder der Bikepark eine spezielle Nummer hat, bei der ihr Hilfe von jemandem mit super Ortskenntnissen erhaltet. Denn „der dritte Sprung auf der roten Linie“ sagt dem Rettungsdienst-Disponent meist wenig und das genaue Erklären eures Standortes kann kostbare Zeit und Nerven kosten.

2. Habe ich das richtige Equipment?

Tragt ihr ausreichend Schutzausrüstung für das Terrain, sodass ihr euch wohl und sicher fühlt?

Checkt euer Equipment:

  • Ist euer Bike in einem guten Zustand? Checkt regelmäßig, insbesondere vor größeren Rides die wichtigsten Schrauben (Cockpit, Rahmen, Steckachsen der Laufräder)
  • Ist euer Helm schon seit Jahren in Benutzung und hat bereits einiges durchgemacht?
  • Habt ihr ein Erste-Hilfe-Kit dabei und ist euer Handy geladen, um einen Notruf abzusetzen?

Die wenigsten von uns fahren gerne mit Hip-Bag oder Rucksack, aber keiner sollte auf die Erste-Hilfe-Ausrüstung verzichten. Seid ihr mit Freunden unterwegs, solltet ihr euch davor absprechen, damit nichts vergessen wird und ihr kein unnötiges Material mitschleppt. Viele Hersteller bieten speziell angepasste Erste-Hilfe-Kits an, integrieren hilfreiche Features wie den NFC-Chip in ihre Produkte und die meisten von uns tragen bereits ein sehr nützliches Gerät dauerhaft bei sich.

Ein Handy tragen wir fast alle dauerhaft bei uns! Nutzt es auch, denn Hersteller wie z.B Apple bieten den einfach zu erreichenden Notfallpass an. Durch ihn bekommen Außenstehende wichtige medizinische Informationen und Kontaktdaten.
Das Erste-Hilfe-Kit von High-Above ist speziell für den Mountainbike Einsatz konfiguriert und enthält die wichtigsten Hilfsmittel. Es ist handlich, leicht und findet in jedem Hip-Bag Platz.
Der NFC-Chip im neuen POC Kortal Race MIPS Helm
Per App können im NFC-Chip wertvolle Informationen wie Notfallkontakt, Adresse und Allergien hinterlegt werden. Zusätzlich besitzt der Helm Recco-Reflektoren, was das Auffinden mit speziellen Sensoren vereinfachen soll.
Der Tocsen Crash-Sensor von UVEX
Im Falle eines Sturzes kann der am Helm befestigte Sensor eure Notfallkontakte und andere Tocsen-Nutzer benachrichtigen und verschickt sogar eure GPS-Koordinaten.

3. Prävention statt Notfallsituation

Fahrt mit Köpfchen und einer gesunden Selbsteinschätzung. Seid ihr alleine auf abgelegenen Wegen unterwegs, solltet ihr riskante Manöver und fiese Sprünge eurer eigenen Sicherheit zuliebe auslassen. Habt ihr einen schlechten Tag oder müde Knochen spricht nichts gegen eine entspannte Runde in der Natur, aber ohne die dicksten Sprünge und der Jagd nach der schnellsten Zeit auf Strava. Empfängt euer Handy schon seit Ewigkeiten keine Nachrichten mehr, weil die Netzabdeckung nicht ausreichend ist, muss euch bewusst sein, dass im Falle eines Sturzes jemand die Notfallsituation verlassen muss, um Hilfe zu holen! Ist das nicht möglich, verbringt ihr im schlimmsten Falle eine sehr lange Zeit alleine im Wald.

Wie bereits erwähnt, möchten wir euch mit diesem Artikel keinen Online Erste-Hilfe-Kurs geben – dafür aber ermutigen, in regelmäßigen Abständen euer Wissen aufzufrischen. Ein speziell für Outdoor-Sport konzipierter Kurs ist sehr empfehlenswert und gleichzeitig eine spaßige Veranstaltung, die ihr gemeinsam mit euren Bike-Buddys unternehmen könnt. Zahlreiche Anbieter wie lokale Rettungsdienste bieten euch ein breites und meist preisgünstiges Angebot an speziellen Mountainbike-Kursen bis hin zum standardmäßigen Erste-Hilfe-Training an.

Shit happens – wenn’s doch mal kracht

Handlungsfähig zu bleiben ist das große Stichwort! 10 Sekunden für 10 Minuten ist die Lösung, wenn ihr plötzlich in einer Notfallsituation steckt und nicht mehr weiter wisst. Lasst alles stehen und liegen, atmet tief durch und nehmt euch 10 Sekunden Zeit, um über die nächsten 10 Minuten nachzudenken. Macht euch klar, worauf es jetzt wirklich ankommt und entscheidet euch für eine weitere Vorgehensweise. Ruhe bewahren, anstatt in Panik und Aktionismus zu verfallen, hilft euch – und vor allem der verletzten Person.

Sichert die Unfallstelle, ganz besonders auf hoch frequentierten Trails und bringt eure Bikes und Ausrüstung von der Strecke, um weitere Zusammenstöße zu vermeiden. Ist das nicht möglich, solltet ihr gut sichtbar und mit ausreichend Abstand zur Unfallstelle die Strecke absperren. Erst jetzt kümmert ihr euch um den Verunfallten und klärt ab, wie ernst die Situation ist. Entscheidet ihr euch dazu, externe Hilfe anzufordern, solltet ihr exakt erklären, wo ihr euch befindet oder euch mit Hilfe der Notrufleistelle orten lassen. Die fünf W’s helfen euch hier:

  • Wo ist das Ereignis?
  • Wer ruft an?
  • Was ist geschehen?
  • Wie viele Betroffene?
  • Warten auf Rückfragen!

Lässt es die Lage zu, profitieren externe Helfer von einem gut positionierten Einweiser, der den Weg zur Unfallstelle zeigen kann. Auch mehrere Einweiser sind in solch einer Situation hilfreich, denn meist kommen mehrere Fahrzeuge zu euch und treffen zu ganz unterschiedlichen Zeiten ein, oder der Weg zur Unfallstelle ist sehr kompliziert und erfordert mehrere Posten. Als Helfer solltet ihr nach dem Eintreffen der Rettungskräfte in der Nähe bleiben, falls diese Informationen oder eure Hilfe benötigen. Lasst sie aber dennoch in Ruhe arbeiten und vermeidet es, über Ausrüstung zu steigen oder euch dicht an euren verletzten Bike-Partner zu drängen.

Glücklicherweise sind die meisten Menschen im Falle des Falles sehr hilfsbereit und in solchen Situationen wird man oft angesprochen, ob weitere Hilfe benötigt wird. Nehmt sie an, auch wenn euch im Moment noch keine spezielle Aufgabe einfällt, können externe Helfer im Verlauf gerade als Einweiser oder zum Tragen sehr geschickt sein. Werden sie dann doch nicht benötigt, sind euch die Wenigsten böse, dass sie warten mussten.

Eure Verletzungen, unsere Auswertung

Diese Statistik will keiner sehen und erst recht nicht die Bilder dazu, aber jeder Biker sollte wissen, worauf er sich einlässt! Die Ergebnisse unsere großen Erste-Hilfe-Umfrage mit 2800 Teilnehmern:

Fazit

Auch wenn sich kaum jemand mit dem Worst Case auseinandersetzen möchte, ist er Teil unseres Sports. Die richtige Vorbereitung hilft euch, das Risiko zu reduzieren in unschöne Notfallsituationen zu geraten. Eine regelmäßige Auffrischung der Erste-Hilfe-Skills lässt euch im Ernstfall ruhig(er) bleiben, genauso wie die 10-für-10-Regel. Fachmännische Hilfe ersetzt das bei ernsten Fällen zwar nicht, aber ihr könnt aktiv den Rettungsdienst und Verletzten unterstützen. Und nicht vergessen: Weiterhin gilt Regel Nr. 1: Rubber side down!


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Words: Peter Walker Photos: E-MOUNTAINBIKE | Illustrationen: Julian Lemme

Über den Autor

Peter Walker

Peter ist als technischer Redakteur nicht nur ein Mann der Worte, sondern auch der Taten. Mit ernsthaften Bike- und Schrauber-Skills, seiner Motocross-Historie, diversen EWS-Teilnahmen und über 150 Bikepark-Tagen in Whistler – ja, der Neid der meisten Biker auf diesem Planeten ist ihm gewiss – ist für Peter kein Bike zu kompliziert und kein Trail zu steil. Gravel und Rennrad kann er übrigens auch! Das für unsere redaktionelle Arbeit wichtige Thema Kaufberatung hat Peter in Vancouvers ältestem Bike-Shop von der Pike auf gelernt und setzt sein Know-how auch im journalistischen Alltag um. Wenn er nicht gerade die Stuttgarter Hometrails auf neuen Test-Bikes unsicher macht, genießt er das Vanlife mit seinem selbst ausgebauten VW T5. Dass er dazu noch ausgebildeter Notfallsanitäter ist, beruhigt seine Kollegen bei riskanten Fahrmanövern. Zum Glück mussten wir Peter bislang nie bei seinem Spitznamen „Sani-Peter“ rufen. Wir klopfen auf Holz, dass es dazu auch nie kommen wird!