Immer wieder hört man von dramatischen Service- und Qualitätserfahrungen von Lesern und aus dem Handel – doch was steckt dahinter? Pech und Einzelfälle oder gang und gäbe? Wir haben eine spezifische Umfrage zu diesem Thema durchgeführt – mit spannenden Ergebnissen und Erkenntnissen.

Was sind Service-Unterschiede zwischen stationärem Handel und Online-Händlern? Wie lange dauert ein Service im Durchschnitt? Was sind die häufigsten Probleme und welche Motoren sind am anfälligsten? Wo gibt es den besten Service? Uns erreichen wöchentlich viele Leserbriefe zu diesem Thema. Dienstleistungen – und damit auch deren Qualität von Händler zu Händler (und sogar von Mechaniker zu Mechaniker bei ein und demselben Unternehmen) – sind einfach zu unterschiedlich, als dass wir alleine solche Fragen umfassend und repräsentativ beantworten können.

Deshalb haben wir euch gefragt. Eure Probleme, eure Erfahrungen, eure Defekte als Kollektiv sprechen für sich. Über 3.000 E-Mountainbiker haben an unserer spezifischen Service-Umfrage teilgenommen und liefern einen Realitätscheck zum Thema Service-Qualität. Und das Beste: Gerade auch für die Hersteller sind die Daten zum Thema Service interessant. Ihr helft damit, Probleme aufzudecken und die Qualität innerhalb unserer geliebten Branche zu verbessern.
Wer die Qualität und Probleme unterschiedlicher Service-Modelle bzw. Marken vergleichen will, muss diese Daten und Erfahrungen in einen größeren Kontext setzen – erst so können aussagekräftige Schlüsse gezogen werden.

Wo habt ihr eure Bikes gekauft?

Von den über 3.000 Teilnehmern haben 75 % ihr E-MTB im stationären Handel gekauft und 19 % online. Gebrauchte Bikes sind nur für 4 % der gewählte Weg zum E-Mountainbike-Glück. Überraschenderweise haben prozentual mehr Leute zwischen 30 und 60 Jahren ihr Bike online gekauft als 20- bis 30-Jährige. Der Hauptgrund, online zu kaufen, ist für euch der Preis, gefolgt von der Verfügbarkeit. Unsere Umfrage hat interessanterweise ergeben, dass ihr beim Online-Händler im Schnitt einen Tag länger auf euer neues Bike warten müsst – 26 Tage. Wenn auch nur knapp, geht es beim stationären Handel mit durchschnittlich 25 Tagen schneller. Für den Kauf beim stationären Händler sprechen für euch mehrere Gründe, hier die Tops: Servicemöglichkeiten und Ansprechpartner vor Ort, die Möglichkeit einer Testfahrt und persönliche Beratung im Laden. 57 % würden ihr Bike erneut beim gleichen Online- bzw. stationären Händler kaufen, 20 % sind unentschlossen und 23 % wollen ihrem letzten Händler den Rücken kehren. Das heißt aber nicht, dass ihr vom Online-Händler zum stationären Händler wechseln wollt. Denn 74 % wollen ihr nächstes E-Bike weiterhin beim stationären Händler und 21 % online kaufen.

Die durchschnittliche Wartedauer beträgt online 26 Tage, beim stationären Händler 25 Tage

Was sind eure Probleme?

1.665 der Teilnehmer hatten schon technische Probleme mit ihrem E-Mountainbike – mit 59 % sind das mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer. Betrachtet man die technischen Probleme genauer, liegen diese bei etwas weniger als der Hälfte am Motor. Wie zu erwarten, bestätigte unsere Umfrage, dass sich die Probleme mit steigender Motor-Laufleistung häufen. Erstaunlicherweise hatten aber 39,8 % von euch bereits während der ersten 500 km Probleme. Nach über 5.000 km sind es 68,9 %. Positiv: 31,1 % hatten selbst nach über 5.000 km keinerlei Probleme. Neben Motorproblemen (24 %) hatten 18 % an der Schaltung zu schaffen, 11 % hatten Probleme mit ihrem Akku, 6,6 % mit ihrem Display und 7,5 % mit Federelementen. Rahmenbrüche sind zwar selten (1 %), als absolute Zahl sind es allerdings immerhin 31 unter den Teilnehmern, die schon einen kaputten E-MTB-Rahmen hatten.

Technische Probleme hatten 58,65 % von euch. Hauptprobleme sind: Motor (24 %), Schaltung (18 %), Akku (11 %), Display (6,6 %), Federelemente 7,5 %, Sattelstütze 9,1 %, Reifen 8,1 %

Welche Marke hat die meisten Motorprobleme?

Wir haben euch zwar nicht direkt nach der Marke eures Motors befragt, können aber anhand der Aufschlüsselung der Motorprobleme in Verbindung mit den Marken eurer Bikes einige Rückschlüsse ziehen. Marken wie MERIDA, Canyon, und YT, die ausschließlich Shimano-Motoren verbauen, und klassische Bosch-Marken wie CUBE, Moustache, Trek und Riese & Müller haben deutlich weniger Probleme als Hersteller wie Specialized, ROTWILD und FANTIC, die viele Brose-Motoren verbauen. Vermutlich geht es bei den Brose-Motoren hauptsächlich um die bekannten Probleme mit gerissenen Riemen im Brose Drive S Mag. Sowohl Brose als auch Specialized haben hier bereits reagiert und wollen die Probleme unter anderem mit einem Software-Update und weiteren Updates in den Griff bekommen haben. Specialized geht sogar so weit, die Garantie aller betroffenen Modelle von zwei auf vier Jahre ab Kaufdatum zu erhöhen. Alle Einzelheiten dazu erfahrt ihr hier. Es zeigt sich eine klare Tendenz: Motoren von Shimano und Bosch machen ähnlich oft Probleme und schneiden deutlich besser als Brose, die aufgrund der bekannten Probleme aktuell abgeschlagen sind.

Fakt ist jedoch auch: Jeder Motorenhersteller hat noch Verbesserungsbedarf – je nach Region gibt es stark unterschiedliche Problemursachen und Vorkommnisse. Logischerweise haben Regionen wie etwa Schottland (12 Monate im Jahr Matsch und Regen!) ganz andere Herausforderungen in Sachen Wasserdichtigkeit bzw. Wasserschäden als staubtrockene Regionen wie Südfrankreich. Manche Leser hatten sogar mehrmals Motorprobleme – man hört manche Horrorstorys von bis zu 6 neuen Motoren an ein und demselben Bike. Das liegt häufig daran, dass mit einer bestimmten Nutzungsweise ein und dieselbe Schwachstelle des Motorsystems attackiert wird und es hierfür keine wirkliche Lösung gibt. Außer die Schwachstelle zu identifizieren und das Nutzungsverhalten anzupassen. Andernfalls treten die Probleme immer wieder auf.

Die angegebenen Prozentzahlen beziehen sich auf alle, die an der Umfrage teilgenommen haben und ein E-Bike dieser Marke fahren. Ein Beispiel: 353 von euch fahren ein E-MTB von CUBE, 66 davon hatten schon mal Motorprobleme. Somit ergibt sich ein Prozentsatz von rund 19 %.

An wen wendet ihr euch mit technischen Problemen?

Viele von euch (68 %) legen erstmal selbst Hand an und schrauben an ihrem Bike, um technischen Problemen Herr zu werden. Natürlich gibt es aber auch technische Herausforderungen, die nicht selbst gelöst werden können. Diese Erfahrung haben schon 75 % von euch gemacht. An wen ihr euch mit Problemen gewendet habt, konntet ihr per Multiple Choice-Frage beantworten: 74 % der Teilnehmer der Umfrage haben sich an den lokalen Bike-Shop gewendet, aber auch freie Werkstätten (22 %), der Händler direkt ( 11 %), der Onlineshop, bei dem ihr das Rad gekauft habt (6 %), der Komponentenhersteller (4 %) und Freunde/Bekannte (5 %) sind Optionen.

Die Service-Zufriedenheit mit den unterschiedlichen Dienstleistern konntet ihr in der Umfrage mit 0–5 Sternen bewerten. Der Gewinner ist der stationäre Bike-Shop mit 4,2 Sternen. Der Onlineshop, bei dem ihr das Bike gekauft habt, freie Werkstätten, Komponentenhersteller und der Fahrradhersteller liegen hier ungefähr gleichauf mit durchschnittlich etwa 3,7 von 5 Sternen.

Service-Zufriedenheit mit den unterschiedlichen Dienstleistern konntet ihr in der Umfrage mit 0–5 Sternen bewerten. Eurer klarer Sieger: der lokale Bikeshop.

Müsst ihr beim Online-Händler länger warten als beim stationären Handel?

Bei einem Problem kontaktieren 66 % von euch am liebsten euren Service-Dienstleister persönlich vor Ort. Das gilt aber nicht ausschließlich: 25 % haben wegen technischer Probleme aber auch schon mal zum Hörer gegriffen und 42 % eine E-Mail geschrieben. Ganze 68 % aller Service-Ansprechpartner haben innerhalb von 24 Stunden auf eure Anfrage reagiert und nur 2,7 % haben niemals eine Antwort bekommen. Bei der Reaktionszeit wird der Unterschied zwischen Online-Händler und stationärem Handel deutlich: Im Handel wartet ihr im Schnitt 2,6 Tage und online 3,9 Tage, bis ihr nach dem Erstkontakt eine Antwort bekommt. Die durchschnittliche Wartezeit, bis ihr euer E-MTB ab dem Zeitpunkt des Defekts wieder fahren konntet, beträgt durchschnittlich 16 Tage. Vergleicht man Online-Händler mit dem stationären Handel, ergeben sich auch hier deutliche Unterschiede. Online dauert es im Durchschnitt 23 Tage und beim stationären Händler 14 Tage. Nur bei 3,2 % hat es länger als 3 Monate gedauert, bis euer Rad wieder fahrbereit war. Bei 7,3 % konnten die Probleme auch nach 3 Monaten noch nicht gelöst werden.

Habt ihr euer online gekauftes Bike schon mal beim Fachhandel in den Service gebracht?

9,5 % von euch mussten beim lokalen Fachhandel schon mal draufzahlen, weil sie das Bike nicht dort gekauft haben, wo sie es in den Service gegeben haben. Und 18 % wurden deshalb sogar vom Fachhandel abgewiesen. 44 % haben angegeben, keine Probleme gehabt zu haben, ihr Versender-Bike im Fachhandel reparieren zu lassen. Werkstätten, die euer Bike auch reparieren, obwohl ihr es nicht dort gekauft habt, findet ihr beispielsweise auf www.bikerepair.com.

Beim E-Bike Kauf sollte man nicht nur Ausstattung, Image, Performance und Preis in Betracht ziehen, sondern auch das Thema Service. Es ist eine Herausforderung für die ganze Industrie, sich hier zu verbessern und wirtschaftlich tragbare Lösungen zu finden. Es zeigt sich ironischerweise auch, dass der Online-Handel, der bis dato durch die Umgehung des Fachhandels bessere Preise und Margen erzielen konnte, aufgrund der Elektrifizierung des Fahrrads immer mehr lokale Service-Stationen braucht. E-MTBs sind hier erst der Anfang. Auch urbane E-Mobilitätslösungen, vom E-Cargo-Bike bis hin zum Commuter, werden dies immer mehr benötigen – idealerweise inklusive Mobilitätsgarantie und weiteren Dienstleistungen. Wir erwarten hier noch große Meilensteine in Sachen Professionalisierung und Innovationen in den nächsten Jahren.

Auch für uns als Magazin ist es eine Herausforderung, das Thema Service fair und repräsentativ abzubilden, aber wie ihr an diesem Artikel seht: Wir arbeiten mit Hochdruck daran.


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Words & Photos: Text: Jonas Müssig, Illustrationen: Julian Lemme