E-Bikes sind derzeit im Handel nicht nur schlecht verfügbar, sondern werden auch teurer. So wundert es nicht, dass immer mehr auf die vermeintlich geniale Idee kommen, sich ihr E-Bike selbst zu bauen. Aber darf man das offiziell überhaupt? Was ist der rechtliche Rahmen, was sind die Fallstricke? Wir klären auf.

Die Nachfrage nach E-Bikes hat die gesamte Branche 2020 vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. In unserem Artikel “Bike-Boom in der Krise“ haben wir bereits die Vor- und Nachteile dieser Entwicklung aufgezeigt. Jetzt kommt allerdings ein neuer Trend auf: In den letzten Wochen haben in den sozialen Medien verstärkt Anfragen und Anleitungen zum Do-it-yourself-E-Bike kursiert. Aber was darf man eigentlich und worauf sollte man achten, wenn man sein Bike umrüsten bzw. selbst zusammenbauen möchte? Kleine Vorwarnung: Um alles umfassend und richtig darstellen zu können, ist es wichtig, sich rechtliche Gegebenheiten sowie DIN-Normen und unterschiedliche Richtlinien im Detail anzusehen. Es wird also informativ und spannend, aber auch etwas kompliziert.

„I built a Chinese EBIKE!!“ Unter dieser Headline erklärt YouTuber Rob Hancill von Rob Rides EMTB, wie er Teile aus China benutzt hat, um sich selbst ein günstiges E-MTB zusammenzubauen. Mit seinem Video hat Rob eine große Diskussion darüber losgetreten, was legal und illegal ist. Über einen der unzähligen chinesischen Online-Händler hat er ein Frame-Set mit passendem Steuersatz, eine hintere Steckachse sowie einen BAFANG-Motor und -Akku gekauft und nach Großbritannien importiert. Kann man so was in Deutschland einfach nachmachen?

E-Bike einfach selbst zusammenbauen? Darf man das? Und wenn ja, hat es Folgen? Wir sagen euch, was geht, was nicht und was in einer Grauzone liegt.

E-Bike oder Pedelec, wovon sprechen wir eigentlich?

Wenn wir hier vom E-Bike sprechen, meinen wir im rechtlichen Sinne das Pedelec. Das Pedelec ist straßenverkehrsrechtlich als Fahrrad eingestuft. Man braucht dafür keinen Führerschein und keine Versicherung – die durchschnittliche Motorleistung des Elektromotors ist hier auf 250 W begrenzt und der Antrieb unterstützt beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h. International wird hierfür die Bezeichnung EPAC (Electrically Power Assisted Cycle) genutzt. Und hier beginnt der interessante Teil: Ein Fahrrad wird durch das Hinzufügen eines Motors zum Pedelec und dafür gelten andere Normen und Vorschriften, z. B. greifen für ein Pedelec die Maschinenrichtlinie und die EMV-Richtlinie. Es geht in diesem Artikel also um ganz normale E-Bikes, so wie ihr sie auch beim Händler kaufen könnt, nur eben selbst zusammengebaut. Illegale, mittels Chip-Tuning aufgemotzte E-Bikes werden in diesem Artikel nicht beleuchtet.

Ein Fahrrad wird durch das Hinzufügen eines Motors zum Pedelec und dafür gelten andere Normen und Vorschriften.

Tunen, bis die Polizei kommt? Die rechtlichen und versicherungstechnischen Aspekte des E-Bike-Tunings haben wir in einem separaten Artikel für euch zusammengefasst.

Was sagt der Zweirad-Industrie-Verband e.V. (ZIV) zum E-Bike Marke Eigenbau?

Wir haben Ernst Brust, den Geschäftsführer des ZIV, um eine rechtliche Einordnung zu selbst gebauten E-Bikes gebeten. Er meint: „Auch Pedelecs, die von Privatpersonen zum Eigengebrauch gebaut werden und außerhalb eines Privatgeländes benutzt werden, unterliegen der Maschinen- und EMV-Richtlinie und müssen gemäß der Norm DIN EN 15194-2017 geprüft werden. Dies schließt auch ein CE-konformes Typenschild am Pedelec mit ein.“

Ernst Brust ist Geschäftsführer des ZIV und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Fahrräder.

Aber was genau umfasst diese DIN EN 15194-2017 für E-Bikes? Was muss man bei der Prüfung alles vorweisen können? Branchengrößen wie das Zweiradmechaniker-Handwerk, velotech.de, VSF., das Zedler-Institut und der ZIV haben gemeinsam den Leitfaden Wissenswertes über das Nachrüsten von Fahrrädern mit E-Antrieb erarbeitet. Darin listen sie auch auf, welche Prozesse zum Erfüllen dieser Norm durchgeführt werden müssen und welche Dokumente ihr haben müsst:

  • Risikoanalyse erforderlich
  • Stückliste und Entsorgungshinweise
  • Betriebsfestigkeitsnachweis aller sicherheitsrelevanten Bauteile muss erbracht werden
  • EMV-Nachweis (elektromagnetische Verträglichkeit) für das komplette Fahrzeug erforderlich
  • Nachweis der funktionalen und elektrischen Sicherheit
  • Original-Betriebsanleitung in Landessprache in gedruckter Form
  • Konformitätsbewertung
  • Konformitätserklärung
  • CE-konformes Typenschild

Im Leitfaden sind auch die rechtlichen Folgen zusammengefasst, die auf den Händler oder Endverbraucher zukommen können, wenn die Nachrüstung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde:

  • Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder strafrechtliche Konsequenzen
  • Haftung des Händlers für Personen- und Sachschäden
  • Verlust der Versicherungsdeckung der Betriebshaftpflicht
  • Verkaufsverbot durch das Gewerbeaufsichtsamt
  • wettbewerbsrechtliche Konsequenzen

Glossar – Die wichtigsten Begriffe erklärt

Produktsicherheitsgesetz

Das Produktsicherheitsgesetz zwingt jeden Hersteller – unabhängig von jeder Norm – dafür zu sorgen, dass die Sicherheit beim Gebrauch des Bikes gewährleistet ist. Das bedeutet für den Hersteller eines E-Mountainbikes, dass er sein Bike härter testen muss, als es die Norm ISO 4210 (für herkömmliche Bikes) bzw. EN 15194 (für E-Bikes) eigentlich verlangt. Der Hersteller muss sich an dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik orientieren; eine generelle Normkonformität befreit nicht von Haftungsansprüchen.

Maschinenrichtlinie 2006/42/EG

Grundsätzlich muss jedem Pedelec, das innerhalb der EU verkauft wird, eine EU-Konformitätserklärung beiliegen. Sie ist meistens in der Bedienungsanleitung mit abgedruckt oder liegt extra als Papierdokument bei. In Absatz 2 (i) dieser Richtlinie ist ganz klar geregelt, wen diese Richtlinie betrifft: „[Es] wird jede natürliche oder juristische Person, die eine von dieser Richtlinie erfasste Maschine oder unvollständige Maschine in Verkehr bringt oder in Betrieb nimmt, als Hersteller betrachtet.“ Das heißt im Klartext: Auch Privatpersonen müssen sich an die Maschinenrichtlinie halten, denn rein rechtlich gelten sie als Hersteller. Wer die Richtlinien einhält, bekommt nach der Prüfung die Erlaubnis, das CE-Kennzeichen auf der Maschine, sprich dem Pedelec, anzubringen. Wer technisch versiert ist und sich genauer in die Thematik einlesen möchte, der kann sich hier über die Maschinenrichtlinien schlau machen.

Innerhalb der EU unterliegt auch das von einer Privatperson zum persönlichen Gebrauch gebaute Pedelec der Maschinen- und EMV-Richtlinie und muss gemäß der Norm DIN EN 15194-2017 geprüft werden. Das gilt auch für die unentgeltliche Weitergabe des E-Bike-Eigenbaus, wobei das Verschenken als Inverkehrbringen innerhalb der EU mit allen dazugehörigen Pflichten zählt. Dieses schließt auch ein CE-konformes Typenschild am Pedelec mit ein. (Jens Müller)

Jens Müller, BDSF-geprüfter Sachverständiger für Maschinensicherheit, hat uns Auskunft zur Rechtslage bei selbst gebauten E-MTBs gegeben.

Richtlinie 2014/30/EU (EMV-Richtlinie)

Die Richtlinie 2014/30/EU zur elektromagnetischen Verträglichkeit (kurz: EMV-Richtlinie) regelt genau diese Verträglichkeit für fast alle elektrischen Geräte im europäischen Binnenmarkt. Das soll sicherstellen, dass sich elektrische Geräte nicht ungewollt gegenseitig beeinflussen oder stören.
Deshalb müssen die Hersteller von Betriebsmitteln auch nachweisen, dass ihre Geräte die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen. Das geschieht in einem sogenannten Konformitätsbewertungsverfahren (siehe unten). Außerdem stellen die Hersteller technische Unterlagen zusammen, fügen den Geräten eine Betriebsanleitung und Sicherheitsinformationen bei und bringen die CE-Kennzeichnung an.

CE-Kennzeichnung

Die CE-Kennzeichnung ist eine eigenverantwortliche Prüfung des Herstellers – nur ganz selten prüft eine unabhängige Zertifizierungsstelle das Produkt. In erster Linie geht es bei dieser Kennzeichnung also um eine Art Versprechen der Hersteller: Sie sichern damit zu, dass ihr Produkt den geltenden europäischen Vorschriften entspricht und dem Konformitätsbewertungsverfahren (siehe unten) unterzogen wurde. Jedes Bike, das ihr online oder im Laden kauft, muss eine CE-Kennzeichnung haben.

Mit der CE-Kennzeichnung auf dem Sitzrohr bestätigt hier SCOTT, dass es sich bei dem E-Mountainbike um ein EPAC (Electrically Power Assisted Cycle) handelt, das die geltenden EU-Richtlinien erfüllt.

Konformitätserklärung

Mit der Konformitätserklärung bestätigt ein Hersteller oder Importeur, dass sein Produkt die geltenden EU-Richtlinien und -Normen erfüllt. Was in der Erklärung genau enthalten sein muss, unterscheidet sich je nach Produktart. Gleich ist: Die Haftung übernimmt in der Regel der Hersteller. Wenn ein Hersteller oder Importeur versäumt, die Konformitätserklärung für sein Produkt zu erstellen, können bis zu 30.000 € Bußgeld fällig werden.

Internationale Normen

Für E-Bikes gelten zwei Normen, die ISO 4210 und die EN 15194. So gut wie alle Rahmen und Bike-Parts werden weltweit nach diesen Standards getestet und freigegeben.

  • ISO 4210:
    In der ISO 4210 für Fahrräder (europäisch und international gültig) sind einheitliche Teststandards festgelegt, die der Industrie die Prüfaufbauten beschreiben. Die ISO 4210 geht von einem maximalen Systemgewicht (Bike + Fahrer + Zuladung/Rucksack) von 100 kg aus.
  • EN 15194:
    Neben der ISO 4210 existiert für E-Bikes noch die Europäische Norm 15194. Sie gilt für sogenannte EPAC (Electric Power Assisted Cycles), die mit Pedalen und einem elektrischen Hilfsmotor ausgestattet sind und auf öffentlichen Straßen verwendet werden. In der EN 15194 werden ebenfalls Prüfaufbauten beschrieben, allerdings mit erhöhten Lasten und einem maximalen Systemgewicht von 120 kg. Diese Norm bezieht sich jedoch auf Straßen- und Tourenräder und soll sicherstellen, dass E-Antrieb und Komponenten den Mindestanforderungen entsprechen und das Zusammenspiel der Komponenten funktioniert.
Durch das Hinzufügen eines Motors wird ein Fahrrad zum E-Bike und somit zur Maschine. Damit gelten andere Normen und Vorschriften, z. B. greift nun die Maschinenrichtlinie.
Hat man Rahmen und Motor, geht der Einbau des Motors in den Rahmen erfahrenen Hobby-Mechanikern meist leicht von der Hand.
Wichtig ist, sich vor dem Um- oder Einbau über die Folgen zu informieren. Hier muss jeder selbst abwägen, ob es sich lohnt oder nicht.

Welche Möglichkeiten für den E-Bike-Eigenbau gibt es eigentlich?

Wir haben uns für diesen Artikel die folgenden drei Szenarien näher angeschaut:

  1. Ein Fahrrad mit einem Nachrüstsatz zu einem E-Bike umbauen
  2. Ein E-Bike mit einem Frame-Set selbst aufbauen
  3. Ein E-Bike komplett aus Einzelteilen selbst aufbauen

Möglichkeit 1 – Ein vorhandenes Fahrrad mit einem E-Bike-Nachrüstsatz zu einem E-Bike umbauen

Findet man einen Händler, der einem sein geliebtes Fahrrad (hier gilt die ISO 4210) zu einem E-Bike (hier gilt zusätzlich die EN 15194) aufrüstet, ist man erst mal fein raus. Denn dann trägt der Händler das Risiko beim Umbau. Rein rechtlich hat der Händler damit ein neues Produkt hergestellt und müsste die oben genannten Prüfungen eigenverantwortlich durchführen. Und das für jedes einzelne E-Bike! Macht er das nicht, dann nimmt er das Risiko auf seine Kappe und kann voll in die Haftung genommen werden. Auch ein noch so gut geschulter Fahrradmechaniker kann aber die hundertprozentige Eignung von Rahmen und Komponenten für einen Umbau kaum feststellen und umsetzen. Bei älteren Fahrrädern kommen außerdem Faktoren wie Materialermüdung und Folgen von Stürzen hinzu. Das heißt, jeder Händler nimmt in diesem Fall sehr hohe Risiken auf sich und sollte sich dessen bewusst sein. In der Auflistung „Wissenswertes über das Nachrüsten von Fahrrädern mit E-Antrieben“ findet ihr nochmal alles Wichtige in kompakter Form.

Wir hatten zwar in den letzten Jahren mehrere Kundenanfragen, letztendlich haben wir aber die Nachrüstung stets abgelehnt, da wir dadurch rechtlich zum Hersteller geworden wären, was einen ganzen Rattenschwanz nach sich zieht. (Marcus Heinz)

Marcus Heinz leitet die Werkstatt des E-Bike Center Leonberg mit ca. 20 Mitarbeitern. Beim Aufrüsten eines herkömmlichen Bikes zum E-Bike müsste er die volle Haftung als Hersteller übernehmen.

Eine weitere Möglichkeit ist, sich einen Nachrüstsatz zu besorgen – beim Händler oder direkt im Internet – und sein Bike selbst aufzurüsten. Aber auch hier muss man wissen, dass derjenige, der sein Fahrrad umbaut, zum Hersteller einer Maschine wird. Will man ein legales Bike bauen, muss man damit auch als Privatperson zur Prüfung. Denn auch Nachrüst-Pedelecs müssen den Anforderungen der Maschinenrichtlinie 2006/16/EG entsprechen.

Tipp: Checkt zuerst, ob sich das Upgrade vom Fahrrad zum E-Bike überhaupt lohnt. Beim sportlichen E-MTB haben wir größte Zweifel und hier ist ein Gebrauchtkauf sicher die bessere Entscheidung. Alles Wissenswerte findet ihr in unserer Kaufberatung.

Möglichkeit 2 – Ein E-Bike-Frameset selbst aufbauen

Weitaus eleganter, aber auch teurer ist es, sich ein Frame-Set zu besorgen. Solche kompletten E-Bike-Rahmensätze gibt es z. B. von Specialized. Hat man sich für ein Rahmenset entschieden, dann bekommt man den Rahmen inkl. montiertem Motor, Akku und Dämpfer geliefert. Dann muss man nur noch die gewünschten Laufräder, Bremse, Federgabel, Lenker und die weiteren Komponenten dazu kaufen.

Das S-Works Turbo Levo-Frameset wird auf der Website von Specialized für 5.999 € angeboten. Aber was muss man beachten, wenn man sein E-Bike aus einem Specialized-Rahmenset selbst aufbauen will? Darüber haben wir mit Dominik Geyer gesprochen, dem Leader Global Turbo Business bei Specialized.

E-MOUNTAINBIKE: Bekommt der Käufer eines Rahmensets von euch eine EG-Konformitätserklärung und ein Typenschild mit CE-Kennzeichnung?
Dominik Geyer: Ja. Wir vertreiben das Rahmenset als „unvollständige Maschine“ mit allen erforderlichen technischen Unterlagen sowie einer Einbauerklärung. Eine CE-Kennzeichnung ist hierbei nicht erforderlich.

E-MOUNTAINBIKE: Wird ein Specialized Owners Manual mitgeliefert?
Dominik Geyer: Ja. Das dient als Hilfestellung für eigene Dokumentationen und als Referenz für mögliche eigene Aufbauten.

E-MOUNTAINBIKE: Was muss der Käufer eines Rahmensets beim Kauf der noch fehlenden Bauteile beachten?
Dominik Geyer: Der Käufer eines Rahmensets muss beim Kauf beachten, dass die Bauteile technisch kompatibel mit dem Rahmenset sein müssen und die Produkteigenschaften zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Komplettrads passen.

E-MOUNTAINBIKE: Hat der Käufer nach dem Zusammenbau mit CE-konformen Teilen die Maschinenrichtlinie eingehalten oder muss von seiner Seite aus noch etwas getan werden?
Dominik Geyer: Der Käufer muss einfach sicherstellen, dass das vollständig aufgebaute Bike den Bestimmungen sämtlicher zum aktuellen Zeitpunkt anwendbarer Richtlinien entspricht und dass die Konformitätsbewertung gemäß allen anwendbaren Richtlinien durchgeführt worden ist.

Dominik Geyer ist Leader Global Turbo Business bei Specialized und hat uns gesagt, auf was man beim Kauf eines Framesets achten muss.

Tipp: Das eigene E-MTB zu individualisieren, ist eine verlockende Vorstellung. Aber wer kein Schrauber-Gen und passendes Werkzeug hat, sollte dennoch besser zum Komplett-Bike greifen. Schließlich hält sich auch die vermeintliche Kostenersparnis beim Eigenbau in Grenzen.

Möglichkeit 3 – Ein E-Bike komplett aus Einzelteilen selbst aufbauen

Darf man sein eigenes E-Bike selbst zusammenbauen? Ja, grundsätzlich darf man erst mal alles bauen, was man will. Wenn man damit legal auf die Straße möchte, dann muss man – wie oben schon erwähnt – allerdings auch als Privatperson die Maschinenrichtlinie einhalten. Das Nichteinhalten der Normen (siehe Glossar) durch eine Privatperson führt in der Regel zu keiner Sanktionierung, hier besteht ganz offensichtlich ein Graubereich. Wichtig ist, dass man nicht über die 25-km/h-Motorunterstützung kommt und dass das Bike nicht schneller als 6 km/h mit einem Gashebel bzw. einer Schiebehilfe ohne Unterstützung fährt. Denn sonst gilt das Bike als Kraftfahrzeug und unterliegt noch viel schärferen Auflagen. Beim Eigenbau sollte man außerdem wissen, welchen Motor man gerne verbauen würde, schließlich muss er zum Rahmen passen. Aber bereits bei der Motorenauswahl kommt man ziemlich schnell an die Grenze des Unterfangens: Denn die großen Player wie Bosch, Shimano, Brose, Yamaha, FAZUA, Mahle oder TQ verkaufen ihre Motoren nicht an Endkunden.

Alle namhaften Motorenhersteller wie Bosch, Shimano, Brose, Yamaha, FAZUA, Mahle, TQ und der chinesische Hersteller BAFANG verkaufen ihre Motoren nicht an Endkunden.

Da bleibt dann nur wieder der Import aus Asien, wie es z. B. Rob Hancill von Rob Rides EMTB für sein eingangs erwähntes Video gemacht hat. Er hat sich über einen Online-Händler in China einen BAFANG-Motor besorgt. Auf unsere Anfrage hin stellte Katherine Ma vom BAFANG-Marketing Team in Shuzu, China, Folgendes klar: BAFANG verkauft keine Motoren an Endkunden. Wer also – über welche Quellen auch immer – einen Motor in China kauft, der muss sich laut der BAFANG Warranty Policy wegen Garantien und Gewährleistung direkt an den Verkäufer wenden.

Rob Hancill beim Aufbau seines E-Bikes. Screenshot aus seinem Video „I built a Chinese EBIKE!!“.

Hat man dann doch einen Motor ergattert, muss man darauf achten, dass der gekaufte Rahmen die entsprechende Motoraufnahme besitzt. Außerdem muss der Akku mit dem Motor und dem Ladegerät kompatibel sein, das sogenannte System-Package muss stimmen. Man sieht: Der Eigenbau erfordert jede Menge Wissen und Know-how. Nicht jeder ist technisch in der Lage, sich selbst ein E-MTB zusammenzubauen. Und es vor allem auch so zusammenzubauen, dass es funktioniert und keine sicherheitsrelevanten Mängel besitzt. Man hört oder liest immer mal wieder Horrorstorys von E-Bikes, die in Flammen aufgehen und große Schäden verursachen. Was man dabei auf dem Schirm haben sollte: Die meisten dieser Räder sind Eigenbauten.

Deshalb sollte man dringend darauf achten, dass jedes gekaufte Teil mit einer CE-Kennzeichnung versehen ist. Vorsicht bei Eigenimporten, z. B. aus China: Wenn der Zoll das Produkt kontrolliert und kein CE-Kennzeichen findet, wird die Ware auf Kosten des Bestellers zurückgeschickt oder vernichtet.

Tipp: So reizvoll der Eigenbau auch sein mag – es stellt schon eine große Hürde da, dass keiner der renommierten Hersteller seine Motoren an Endkunden verkauft. Deshalb raten wir vom Eigenbau aus Einzelteilen ab.

Was kostet eine Prüfung inkl. CE-Kennzeichnung?

Was braucht man also, um ein Pedelec legal im öffentlichen Verkehr betreiben zu dürfen? Das haben wir Marco Brust gefragt. Er ist Geschäftsführer von velotech.de, einem renommierten Prüfinstitut aus dem Bereich der Fahrradtechnik. Ihm zufolge müssen folgende Punkte eingehalten werden:

  • Produktsicherheitsgesetz
  • Maschinenrichtlinie
  • EMV-Richtlinie
  • Niederspannungsrichtlinie

Für eine Komplettradprüfung (Komplettfahrzeug und einzelne Bauteile), die schlussendlich zur Konformitätserklärung führt, belaufen sich die Kosten auf 20.000–25.000 €. Allein die EMV-Prüfung kostet rund 3.000 € und führt damit die Idee des Geldsparens beim Eigenbau ad absurdum. Wer also auf der Suche nach einem günstigen Bike ist, sollte sich lieber unseren Budget-Vergleichstest anschauen, als das E-Bike selbst zu bauen. Rechnet man die Kosten für die CE-Kennzeichnung und Prüfung des Bikes mit ein, lassen sich günstige, legale selbstgebaute E-MTBs kaum realisieren.

Marco Brust ist Geschäftsführer des nach DIN EN ISO 17025 akkreditierten Prüflabors velotech.de. Er sagt: „Die Kosten für eine Komplettradprüfung belaufen sich auf 20.000–25.000 €.“

Zahlt die Privathaftpflichtversicherung bei einem Schadensfall mit einem selbstgebauten E-Bike?

Mit welchen rechtlichen Konsequenzen muss man in einem Schadensfall mit dem selbstgebauten E-Bike rechnen? Das haben wir Christian Weishuber gefragt, den Leiter Kommunikation Sachversicherung der Allianz Deutschland.

E-MOUNTAINBIKE: Nehmen wir Folgendes an: Eine Privatperson baut sich aus im Handel erhältlichen Teilen (Rahmen, Motor, Akku, Räder etc.) ihr eigenes E-Bike mit einer Motorunterstützung von bis zu 25 km/h. Laut der EU-Maschinenrichtlinie ist die Privatperson Hersteller des E-Bikes und hat eine eigenverantwortliche Prüfung zu veranlassen, um eine CE-Kennzeichnung zu erlangen. Diese CE-Kennzeichnung liegt jedoch nicht vor und es kommt mit diesem E-Bike zu einem Schadensfall. Kommt eine Privat-Haftpflichtversicherung in einem solchen Fall für den Schaden auf?

Christian Weishuber: Das Fehlen einer CE-Kennzeichnung führt nicht automatisch zum Verlust des Versicherungsschutzes in der Privathaftpflichtversicherung.
Für die beschriebene Schadenskonstellation kommt es auf den zugrundeliegenden Vertrag, die Umstände des Schadens (Verschulden ja/nein), die Forderung und die Beschaffenheit des E-Mountainbikes an. Sehr alte Versicherungsverträge bieten bei uns keinen Versicherungsschutz für den Gebrauch motorbetriebener Fahrzeuge (darunter fallen auch Pedelecs bis 25 km/h). Bei neuen Privathaftpflichtverträgen ist der Gebrauch nicht versicherungspflichtiger Kraftfahrzeuge versichert. Hierbei sind Schäden aus dem Gebrauch eines Pedelecs (bis 25 km/h) mitversichert.
Für Strafzahlungen oder etwaige Kosten für eine nachträgliche Kennzeichnung besteht kein Versicherungsschutz.

Das Ergebnis unserer schriftlichen Anfrage bei der Allianz: Eine Privathaftpflichtversicherung wird trotz Nichteinhaltung der Normen und Standards, wie Konformitätserklärung, CE-konformes Typenschild etc., bei einem E-Bike Marke Eigenbau den Schaden Dritter übernehmen. Bei einem nachfolgenden Telefonat mit der Allianz wurde uns bestätigt, dass die private Haftpflichtversicherung auch bei grober Fahrlässigkeit Schäden gegenüber Dritten übernimmt. Wichtig: Wie andere Versicherungen das handhaben, muss im Einzelfall geklärt werden! Eine generelle Anfrage reicht meist nicht, am besten lässt man seinen vorhandenen Vertrag prüfen, da der je nach Abschlusszeitpunkt bzw. Alter natürlich unterschiedlich ausfallen kann.

Im Gegensatz zum Händler bewegt sich der Endverbraucher in Sachen Haftung also noch in einer Grauzone. Das sollte aber kein Freibrief sein! Auch die Umstände des Schadens (Verschulden ja/nein), die Forderung und die Beschaffenheit des E-Mountainbikes spielen eine Rolle. Deshalb werden die Versicherungen den Anspruch im Einzelfall prüfen – ein Restrisiko bleibt also. Außerdem hat man mit einem selbstgebauten E-Bike natürlich auch keine Garantie oder Produkthaftung, falls etwas passiert.

Rob Hancill hat zunächst Rahmen, Motor und Akku aus China importiert und sich dann bei Online-Händlern in UK die restlichen Parts besorgt.

Privat-Import eines E-Bike-Motors oder E-Bike-Nachrüstsatzes aus China/Asien

Das Themenfeld Zoll und Steuern wollen wir nur kurz anreißen. Grundsätzlich muss eine Post- oder Kuriersendung aus einem Nicht-EU-Staat zollamtlich abgefertigt werden. Wir haben Jürgen Wamser zur Einfuhr aus China befragt. Er ist stellvertretender Pressesprecher der Generalzolldirektion in Bonn.

E-MOUNTAINBIKE: Müssen die aus China bestellten Teile (Rahmen, Akku und Motor) bereits eine CE-Kennzeichnung bei der Einfuhr haben und gilt das auch, wenn Privatpersonen sie kaufen?
Jürgen Wamser: Versendet ein Wirtschaftsakteur aus einem Drittland (Nicht-EU-Land) z. B. im Online- oder Versandhandel ein Produkt im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit an eine private Person in der EU, ist diese für die Einhaltung der europäischen produktsicherheitsrechtlichen Bestimmungen verantwortlich. Bei der Einfuhr kontrolliert der Zoll auch solche Sendungen und informiert bei Verdacht auf Verstoß gegen diese Vorschriften die zuständige Marktüberwachungsbehörde. Zu den rechtlich vorgeschriebenen Produktanforderungen kann der Zoll keine Aussagen treffen. Hierfür sind Marktüberwachungsbehörden zuständig.

E-MOUNTAINBIKE: Was passiert zollrechtlich, wenn die CE-Kennzeichnung fehlt oder gefälscht ist?
Jürgen Wamser: Entscheidet die Marktüberwachungsbehörde, dass ein Produkt nicht zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen werden kann, kommt bei Privatpersonen in der Regel nur die Wiederausfuhr oder die Zerstörung in Betracht.

E-MOUNTAINBIKE: Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen Fahrradteile bei der Einfuhr aus China vom Zoll wegen fehlender CE-Kennzeichnung oder wegen sonstiger Verstöße beschlagnahmt wurden?
Jürgen Wamser: Eine Beschlagnahme durch den Zoll von Produkten, die nicht den produktsicherheitsrechtlichen Bestimmungen entsprechen, ist rechtlich nicht vorgesehen. Die angehaltene Ware wird entweder wieder zurückgeschickt oder vernichtet. Eine diesbezügliche Statistik wird vom Zoll nicht geführt.

Wer sich mit dem Thema Internetbestellungen aus Nicht-EU-Staaten intensiver beschäftigen will, sollte sich auf der Website des Zolls informieren.

Biker oder Schrauber? Wenn ihr einfach nur ein preiswertes trailtaugliches Bike wollt, dann lohnt sich der Eigenbau nicht. Wenn ihr hingegen die Schrauber-Herausforderung sucht, steht euch aktuell rechtlich (noch) nichts im Weg. Aber ihr bewegt euch in einer Grauzone.

Fazit

Wer mit selbst gebautem Bike ohne teure CE-Kennzeichnung unterwegs ist, verstößt gegen geltende Normen. Anders als Händler bewegen sich Privatpersonen hier noch in der Grauzone: Die Konsequenzen sind bisher überschaubar und die private Haftpflichtversicherung greift bisher dennoch häufig – je nach Vertrag. Allerdings muss man beim Bau auf die Motoren der renommierten Hersteller verzichten, viel Know-how mitbringen und wissen, dass die vermeintliche Kostenersparnis schnell zur Spaßbremse werden kann. Wer also nicht schrauben, sondern biken will, sollte den Bau den Profis überlassen.

E-Bike-Eigenbau mit neuem Shimano EP8-Motor? Unwahrscheinlich bis unmöglich!

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Words: Manne Schmitt, Susanne Feddersen Photos: Rob Hancill, E-MOUNTAINBIKE Magazin, divers