20 Jahre ohne Sport und 144 kg Lebendgewicht – wie wird aus einem 56 Jahre alten Mann ein 56 Jahre junger Mountainbiker? Diese persönliche Geschichte von unserem Leser Frank Thomas Arnhold über die wohl letzte Chance, etwas im Leben grundlegend zu verändern, regt zum Nachdenken an. Und einige vielleicht auch zum Handeln.

Die Jahre sind dahin gegangen, und es waren keine schlechten. Mit 55 Jahren musste ich mich allerdings mit gut 144 kg Körpergewicht auseinandersetzen. Bei 1,85 m Körpergröße schon heftig. So ein Gewicht macht, positiv betrachtet, bequem und gelassen. Kritisch betrachtet aber behäbig und auch belastungsträge. Und: Es kann krank machen.

Frank früher …

Wie man das auch drehen und wenden mag: Mein Gewicht machte sich in Form von ersten vereinzelten Belastungsschmerzen in den Fußgelenken, Knien und im unteren Rücken bemerkbar. Längere Treppenwege und Wege bergauf brachten mich zum Keuchen, und im Kopf kamen verstärkt Zweifel auf, ob sich das wirklich noch gesund anfühlt. Immer wieder trieben mich die Gedanken zu einer Analyse: Was war mit mir über die Jahre geschehen?

Vor 25 Jahren steckte ich noch voll im Mountainbike-Fieber. Gut 3.000 km pro Jahr wurden regelmäßig von mir mit Leidenschaft über Gelände runtergespult, beim Fun Ride Bike-Festival in Winterberg 1995 hatte ich sogar eine Urkunde eingefahren. Dann erfüllte ich mir einen Kindheitstraum: Ein BMW Boxer-Motorrad. Die Übergangsphase vom MTB verlief ebenso schnell wie unmerklich. Das Mountainbike verstaubte. Als sportlichen Ausgleich zum Motorrad suchte ich mir den Badminton-Sport aus. Da ich aber jemand bin, der sich schnell extrem fordert und mit der Belastung gerne übertreibt, musste ich sogar zweimal mit Herz-Kreislauf-Problemen abbrechen. Damit begrub ich das Thema Sport endgültig. Und so setzte sich über die Jahre das eine oder andere Kilo an mir fest, weil ich ein kulinarischer Genießer und auch hier leidenschaftlich dabei bin. Aber gleichzeitig aufgrund meiner „unbewegten“ Lebensweise einen niedrigen Stoffwechselumsatz hatte.

Im Jahr 2017 hinterfragte ich meinen Lebensstil ernsthaft. Der Startschuss für meinen endgültigen Wandel? 2018 wurde in meinem Betrieb das Dienstrad-Leasing angeboten. Ich packte sofort zu. Und war der Erste, der davon Gebrauch machen sollte. Als ich beim Bike-Händler meines Vertrauens wunschgemäß auf einem Bergamont E-Trekkingrad eine Probefahrt absolvierte, fragte mich der Berater anschließend ganz einfühlsam nach meinem Gewicht – sein sorgenvoller Blick auf das Trekking-Bike war mir dabei nicht entgangen. Er beriet sich mit einigen Kollegen und bot mir eine Probefahrt auf einem E-MTB von Haibike an – mit einer gemäßigten Rahmengeometrie, die auch noch während des Tretens Platz für meinen stattlichen Bauch ließ. Ein Blick auf das Haibike HARDSEVEN 7.0 – und da war sie plötzlich wieder da: meine verloren geglaubte Leidenschaft! Die großen 29‘‘-Räder, der fette Alu-Rahmen und der mattblaue Lack erhöhten meinen Adrenalinspiegel sofort, und dabei saß ich noch nicht einmal auf dem Bike. Es machte auf mich einen unkaputtbar-stabilen Eindruck und weckte sofort mein Vertrauen. Während der Probefahrt meldete sich dann erneut mein Kopf und mahnte, dass dies wohl die letzte Chance ist, in meinem Leben etwas zu ändern, bevor es dafür endgültig zu spät sein würde. Und das E-Bike – inzwischen unter mir – schien dazu magisch zu flüstern: „Ich bin deine Rettung“. Den Deal schließlich einzugehen, war ein Leichtes, der Anfang in der Praxis dagegen war schon schwieriger.

Meine Körperform und mein Gewicht in Verbindung mit meinen inzwischen absolut unsportlichen Eigenschaften verlangten ihren Tribut, den ich glücklicherweise durch die verschiedenen Unterstützungsstufen des Motors gut ausgleichen konnte. Dennoch merkte ich, dass ich trotz Unterstützung tatsächlich selber treten musste. Die ersten Kilometer bewältigte ich aber, ohne anschließend ein Sauerstoffzelt zu benötigen. Das machte mir Mut und gab mir mentalen Antrieb.

Gleichzeitig begannen meine Frau und ich eine Ernährungsumstellung. Wir verbannten sämtliche Weizenprodukte vom Speiseplan. Aus dem anfänglichen Lamentieren wie „Man kann ja gar nichts mehr essen“ entwickelte sich eine variantenreiche und kulinarisch wertvolle Küche, die für uns mittlerweile das Normalste der Welt geworden ist. In Verbindung mit dem Mountainbiken passierte plötzlich etwas, was ich eigentlich schon für unmöglich gehalten hatte: Ich verlor Gewicht! Parallel dazu stieg stetig meine Leistungsfähigkeit und die Fahrfreude, und nach knapp zwei Monaten durchbrach ich erstmals die Abmachung mit meiner Frau, nicht mehr wie früher unbefestigtes Terrain zu befahren. Da ich früher ein echter Draufgänger war und dabei manchen akrobatischen Sturz hingelegt hatte, befürchtete meine Frau, dass die Pferde wieder mit mir durchgehen würden. Naja, man wird ja reifer und umsichtiger. Mittlerweile lässt meine Frau, die sich auch ein E-Bike angeschafft hatte, wieder … . Anfangs nahm ich erst den einen oder anderen moderaten Feldweg unter die Räder, später dann auch mal einen breiten Waldweg. Nach einem halben Jahr konnte ich mich dann nicht mehr beherrschen und bog vorsichtig von einem Waldweg in einen verwurzelten, einfachen Singletrail. Nur mal versuchen, dachte ich. Es folgten für meine damalige Situation knackige Anstiege und ebensolche Abfahrten.

Dann spürte ich es, dieses Dauergrinsen in meinem Gesicht. Mein Herz sprang vor Freude, weil mich meine wiedergewonnene Leidenschaft vorantrieb. Zusammen mit meinem 28 Jahre jungen Schwiegersohn habe ich mich seitdem immer häufiger auch auf anspruchsvolle Singletrails im Sauer- und Siegerland begeben. Ich fühle mich inzwischen so gut wie schon lange nicht mehr. So gut wie schon Jahre nicht mehr!

Bis zum November 2018 hatte ich 22 kg abgenommen, und ich fühle mich seitdem fit und gar nicht mehr 56 Jahre alt, sondern 56 Jahre jung. Dem E-Mountainbike sei Dank!

… Frank heute

Die folgende dunkle, kalte Jahreszeit passte mir jetzt so gar nicht in mein Konzept, da ich wegen einer langjährigen unheilbaren Störung im Bronchialsystem nicht bei größerer Kälte fahren kann. Daher war meine Freude besonders groß, als ich bereits im Februar 2019, bedingt durch die beinahe schon frühlingshaften Temperaturen, auf dem E-MTB wieder losziehen konnte.

Franks altes Independent MTB… 20 Jahre hatte er kein Bike mehr angefasst

Es wird wohl in 2019 noch das eine oder andere Kilo verschwinden, aber ich mache mir keinen Druck. Es kommt, wie es kommt, Der Spaß ist die Hauptsache. Der ist allerdings mittlerweile so groß, dass ich bei meinem Bike-Händler noch ein zweites E-Bike bestellt habe – ein Haibike XDURO 6.0, mit FOX-Fahrwerk und mehr Performance für Singletrails. Die Jungs dort im Bike-Shop sind fasziniert und begeistert, denn einen solchen Wandel bei einem mittlerweile 57-Jährigen haben sie bisher noch nicht erlebt. Aber letztlich waren sie es, die dem „alten Mann“ wieder auf das MTB geholfen haben.

Mein altes Independent MTB, mit dem ich früher durch die Weltgeschichte geheizt war, steht noch verstaubt auf unserem Dachboden. Die Grip-Shift-Schaltung klemmt, die Goretex-Züge hängen durch und die schmalen Ritchey-Reifen sind ohne Luft. Bisher habe ich das alles mit einer gewissen sentimentalen Erinnerung betrachtet. Doch es hat bei mir eine neue Ära begonnen. Als motivierende Erinnerung an die damalige Zeit habe ich die roten Ritchey Klick-Pedale vom alten Bike abmontiert und an mein Haibike geschraubt. Sie funktionieren immer noch so gut wie damals. Sie verbinden jetzt die Vergangenheit mit der Gegenwart, und auf beides bin ich verdammt stolz. Alles hat eben seine Zeit, so ist der Lauf des Lebens.

Einzig meine 25 Jahre alten Shimano-Schuhe habe ich durch trendiges Northwave-Schuhwerk ersetzt, um wieder richtig in die Pedale treten zu können. Und das werde ich auch: Mit meinem Schwiegersohn habe ich die nächsten Tourenabenteuer im Sauer- und Siegerland über die Komoot-App geplant – die längste mit 78 Km.

Ergreift die Chance! Denn E-Mountainbiken verändert Leben – so wie das von unserem Leser Frank Thomas Arnhold.

Die vermeintlich letzte Chance – man findet sie tatsächlich, wenn man ernsthaft danach sucht. Mit einer Prise Mut ergreift man sie sich völlig – und belohnt sich mit jeder Kurbelumdrehung. Und sollte das Terrain mir doch zu viel abverlangen, bleibt mir immer noch die nächste Unterstützungsstufe des E-Antriebs. In diesem Sinne: Ergreift eure Chance!


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Words & Photos: Frank Thomas Arnhold