E-Bike-Motoren mit integriertem Schaltgetriebe sind voll im Kommen. Sie versprechen nicht nur eine bessere Schaltperformance – sie sollen auch Tricks beherrschen, die eine Kettenschaltung nicht drauf hat. Wir haben drei Modelle von Pinion, Valeo und E2 Drives mit Getriebemotoren im direkten Vergleich getestet. Sind das die E-Bikes von morgen?
Hut ab! – Eine Kettenschaltung ist ein geniales Stück Technik. Seit über einem Jahrhundert erleichtert sie Radfahrern den Anstieg über steile Passstraßen, beschleunigt uns auf wahnwitzige Geschwindigkeiten bei der Talfahrt und sorgt für angenehme Trittfrequenzen auf dem Fernradweg. Doch sie ist bei weitem nicht perfekt.
Die Kettenschaltung wurde ursprünglich nicht dazu erdacht, zusammen mit einem E-Bike-Motor zum Einsatz zu kommen – vielmehr wurde sie im Laufe der Zeit dahingehend adaptiert. Und nach der erfolgreichen Integration eines E-Bike-Motors in das Rad, war es für viele E-Bike-Connaisseure folgerichtig, die Schaltung im nächsten Schritt direkt in den Motor zu integrieren.
Ist der Getriebemotor somit die konsequente Weiterentwicklung des E-Bike-Motors? Wir haben drei aktuelle E-Bikes mit unterschiedlichen Getriebemotoren zum Test geladen und sie auf ihre Zukunftsfähigkeit untersucht. Im SIMPLON Kagu Pinion werkelt die Pinion MGU E1.12-Motor-Getriebe-Einheit, Ultima schickt das Multipath Trekking Allroad mit einem Valeo Cyclee-Motor mit integriertem Schaltgetriebe ins Rennen und Decathlon steuert das BTWIN LD 920E mit E2 Drives Owuru-Getriebemotor für unseren Vergleichstest bei.
Wenn ihr euch dafür interessiert, welchen Eindruck die einzelnen E-Bikes bei unserem Team hinterlassen haben, folgt den Links zu den jeweiligen Biketests:
Warum Getriebemotoren? – Darum!
Getriebemotoren versprechen, viele Vorteile mit sich zu bringen: Sie sollen zur gleichen Zeit sowohl wartungsarm und langlebig als auch kraftvoll und clever sein. Defekte Schaltwerke und aufwendige Kettenöl-Schmierereien sollen der Vergangenheit angehören. Stattdessen soll man sich an automatischen Schaltvorgängen und neuen Diebstahlschutzfunktionen erfreuen können. Auch unter dem Aspekt der Sportlichkeit sollen sie Vorteile bringen, da sie eine zentraleren Schwerpunkt begünstigen. Aber alles der Reihe nach: Was ist ein Getriebemotor?
Ein Getriebemotor ist an sich eine Sonderform des Mittelmotors, bei der sich dieser im Tretlagerbereich des E-Bikes befindet. Von einem klassischen Mittelmotor, wie ihn Bosch, Shimano und Co. anbieten, unterscheidet er sich insoweit, als dass die Schaltung im Motor in Form eines Getriebes integriert wird. Das bedeutet, dass die Gangwahl unsichtbar im Inneren des Motors stattfindet. Eine Kassette (Zahnradkranz) mit Schaltwerk am Hinterrad, oder eine Nabenschaltung um die Hinterradachse herum, wird überflüssig. Damit sind in der Theorie eine Handvoll Vorteile verbunden.
Da das Getriebe zusammen mit dem Motor im Motorgehäuse untergebracht ist, wird es vor Verunreinigungen und Wettereinflüssen weitestgehend geschützt. Es gibt weniger Komponenten, die nach einer Schlechtwetterfahrt zu reinigen oder zu warten sind.
Mit dem Wegfall der Kassette eröffnet sich die Möglichkeit der Kraftübertragung mittels Zahnriemen. Diese sind für gewöhnlich selbstschmierend. Ihr müsst somit auch an dieser Stelle kein Öl auftragen und die gelegentliche Riemenreinigung mit einer weichen Bürste und einem Wasserschlauch geht schnell von der Hand. Plus: Verschmutzte Hosenbeine aufgrund einer öligen Kette gehören der Vergangenheit an.
Die klassische Kettenschaltung, bei der gleich mehrere Komponenten den Elementen ausgesetzt sind, unterliegt in der Theorie einer hohen Beanspruchung und tendenziell auch einem höheren Verschleiß — vor allem beim E-Bike. Darum gelten die neuen Getriebemotoren als besonders langlebig. Es kommt jedoch immer auf den Einzelfall und die Dimensionierung der Teile an. Bestückt ein E-Bike-Hersteller sein Kettenschaltungsrad lediglich mit 3 Gängen und einer massiven Motorradkette, erzielt dieses natürlich eine höhere Laufleistung als ein filigranes internes Getriebe mit 30 Gängen. Doch in der Regel ist das Gegenteil der Fall.
Für eine geringere Defektanfälligkeit spricht auch, dass weniger Teile an exponierten und stark beanspruchten Stellen des E-Bikes montiert sind. Legt man ein E-Bike mit Kettenschaltung unachtsam auf dem Schaltwerk ab, kann sich dieses verbiegen. Im schlimmsten Fall kann es bei Felskontakt abreißen – Mountainbiker können ein Lied davon singen. Bei Motoren mit Getriebeschaltungen fällt zumindest diese Gefahr weg, es kommt höchstens ein kurzer Ketten- oder Riemenspanner statt eines Schaltwerks zum Einsatz.
Eine große 12-fach-Kassette bringt je nach Modell bereits ein halbes Kilo Gewicht auf die Waage, eine moderne Nabenschaltung ist dagegen meist schwerer als ein Kilogramm. Fällt das Gewicht am Hinterrad weg, können besonders sportliche E-Biker mit vollgefederten Fahrrädern profitieren. Jedes Gramm am Hinterrad zählt zur ungefederten und rotierenden Masse. Je leichter das Hinterrad, umso einfacher kann es in Rotation versetzt und wieder abgebremst werden. Bei einem Fully kann ein leichteres Hinterrad zudem einfacher über Bodenwellen und Hindernisse hinwegrollen und sich danach wieder schnell an den Untergrund anschmiegen — Stichwort Massenträgheit.
Das gesparte Gewicht am Hinterrad wandert bei Getriebemotoren dorthin, wo es am wenigsten stört: zentral und tief in den Tretlagerbereich. In der Theorie sorgt das für eine bessere Gewichtsverteilung. Ein zentraler Schwerpunkt ist förderlich für Agilität, ein tiefer Schwerpunkt bringt höhere Laufruhe mit sich.
Wie immer kommt es auch hier auf den Einzelfall an und darauf, wie gut die Bike-Hersteller mit den Möglichkeiten der neuen Motorsysteme umgehen können. Einen Nachteil, was das Gewicht betrifft, haben die von uns getesteten Getriebemotoren dennoch: Sie wiegen allesamt vier Kilogramm und aufwärts. Ein besonders leichtes E-Bike lässt sich mit ihnen nicht umsetzen.
Viele der bisher aufgezählten Vorteile sind jedoch nur nette Nebeneffekte. Der große Vorteil von Getriebemotoren liegt in der Schaltperformance und in den neuen smarten Funktionen, die eine interne Getriebeschaltung mit sich bringt. Und genau diese wollen wir uns an den Probanden im Detail anschauen.
Der weit verbreitete Allrounder unter den Getriebemotoren – Die Pinion MGU E1.12 im Vergleichstest
Pinion hat sich in erster Linie mit Getriebeschaltungen an analogen Bikes einen Namen in der Radwelt gemacht. Jedoch hat der schwäbische Getriebehersteller mit einem Background im Automobilsektor im Sommer 2023 auch die E-Bike-Welt auf den Kopf gestellt.
Pinion ist zwar nicht der erste Hersteller, der einen Getriebemotor auf den Markt gebracht hat, aber die Pinion MGU (Motor.Gearbox.Unit) hat dafür die größten Wellen geschlagen und wurde mit offenen Armen von E-Bike-Herstellern empfangen. Im E-SUV-Vergleichstest unseres Schwestermagazins E-MOUNTAINBIKE setzte bereits jeder dritte Hersteller auf die Pinion MGU. Auch im großen Vergleichstest um das beste E-Mountainbike 2024 war der Getriebemotor dreimal vertreten.
Die Pinion MGU gibt es in vier Ausführungen, entweder mit einem internen 9-Gang-Getriebe oder mit 12 Gängen, unterteilt dann jeweils nochmal in eine Variante für S-Pedelecs mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung bei 45 km/h oder für E-Bikes bei 25 km/h.
Mit 12 Gängen bringt die MGU circa 4,1 kg auf die Waage und ist damit der leichteste Getriebemotor im Test. Im Vergleich zu konventionellen Full-Assist-Mittelmotoren ist die MGU nur ein kleines Stück größer und lässt sich daher noch relativ einfach in ein E-Bike integrieren. Das ist bei vielen Herstellern mit Sicherheit auf eine positive Resonanz gestoßen und hat die weite Verbreitung des Motors beflügelt.
In der Variante mit 12 Gängen verfügt der Motor über eine enorme Übersetzungsbandbreite von 600 % (MGU E1.9: 568 %), deutlich mehr als die anderen beiden Getriebemotoren und auch mehr als eine moderne 12-fach-Kettenschaltung. In der Praxis bedeutet das, dass der Pinion MGU E1.12 so gut wie nie die Übersetzungsbandbreite ausgeht und man sowohl für die steilsten Anstiege einen leichten Kriechgang sowie einen schwereren Gang für schnelle Abfahrten zur Verfügung hat.
Nominell gibt Pinion für ihre MGU ein Drehmoment von 85 Nm an. Die Newtonmeter-Angaben bei Getriebemotoren sollte man jedoch nur als Näherungen verstehen, um sie besser in die Leistungsliga konventioneller Mittelmotoren ohne Getriebe einordnen zu können. Denn je nach eingelegtem Gang spuckt der Motor ein anderes Drehmoment aus. So soll die Pinion MGU in den leichtesten Gängen sogar mit bis zu 160 Nm an der Kette oder am Riemen ziehen.
Wählt man den stärksten Motorsupport-Modus „FLY“ aus, fühlt sich die Pinion MGU in der Praxis in allen Gängen sehr kraftvoll an. Im FLY-Modus verfügt der Motor über einen Unterstützungsfaktor von enormen 400 %. Für die Spitzenplatzierung im Kräftemessen in diesem Vergleichstest hat es dennoch nicht gereicht, denn der Getriebemotor vom französischen Konkurrenten Valeo ist noch kraftvoller.
Vergleicht man die Schaltfunktionen, ist der Pinion-Motor ebenfalls noch nicht so gut ausgestattet wie die Getriebemotoren der Konkurrenz. Der Motor beherrscht den Gangwechsel wie die anderen beiden Modelle im Stand und beim Rollen, ohne dass mitpedaliert werden muss. Kommt man an einer Ampel zum Stehen, legt er auch automatisch einen vordefinierten Startgang ein, wenn die Funktion Start.Select aktiviert ist.
Nur die vollautomatischen Schaltfunktionen sind an der Pinion MGU noch nicht ganz ausgereift. Mit der Pre.Select-Funktion wechselt die Pinion MGU zwar automatisch in den für die aktuell gefahrene Geschwindigkeit passenden Gang, aber nur im Leerlauf, wenn man nicht pedaliert. Rollt man bergab, schaltet die Pinion MGU hoch, sodass man nicht plötzlich ins Leere tritt. Pedaliert man jedoch bergauf und die Geschwindigkeit nimmt ab, wechselt die MGU nicht automatisch in einen leichteren Gang. Man muss noch selbst den Schalthebel betätigen oder mit dem Pedalieren pausieren. Auf den Schaltbefehl hin wechselt die MGU jedoch sehr zackig die Gänge, selbst unter voller Last, und produziert dabei praktisch nie einen Schaltfehler, im Gegensatz zu so manch schlecht eingestellter Kettenschaltung.
Der Status Quo soll sich jedoch im Sommer 2024 ändern. Pinion hat bereits ein kostenloses Software-Update angekündigt, mit der eine vollautomatische Schaltfunktion – auch unter voller Tretlast – auf allen MGUs Einzug halten soll.
Der kraftvolle Franzose – Der Valeo Cyclee-Getriebemotor im Vergleichstest
Valeo ist mit über 100.000 Angestellten ein weltweit bekanntes Powerhouse unter den Automobilzulieferern. Obwohl der Valeo Cyclee-Getriebemotor bereits im Dezember 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, fliegt er bei den meisten E-Bikern noch immer unter dem Radar. Laut Valeo haben sich bereits 25 Bike-Hersteller zum neuartigen Getriebemotor bekannt, jedoch sind die meisten von ihnen eher im Heimatland des Automobilzulieferers Frankreich verwurzelt, weswegen es noch an internationaler Präsenz mangelt. Dabei hätte der Getriebemotor etwas Rampenlicht mehr als verdient, denn er steuert dem ganzen E-Bike-Segment ein paar echte technologische Highlights bei.
Im Valeo Cyclee-Motor steckt ein automatisches 7-Gang-Getriebe, das in Zusammenarbeit mit dem französischen Getriebespezialisten Effigear entstanden ist. Die 7 Gänge sorgen für eine 450-%-Spreizung bei der Übersetzung. Damit verfügt das Valeo-Aggregat weder über die Bandbreite noch über die feine Abstufung zwischen den einzelnen Gängen wie das 12-Gang-Pinion-Pendant, Schalten wird an Bord eines Valeo-Bikes jedoch zur Nebensache.
Dafür sorgen die bis zu 130 Nm Drehmoment und ein maximaler Motorsupport von bis zu 800 %, die jedes Valeo-E-Bike aus dem Stand in Windeseile auf Topspeed bringen. So kann der kraftvolle Motor die etwas beschnittene Übersetzungsbandbreite in der Praxis gut kompensieren. Steile Anstiege sind für den Valeo Cylcee-Motor kein Problem, und auch von hohen Lasten soll der Motor unbeeindruckt bleiben. Denn der Valeo Cyclee-Motor wurde für den Einsatz in schweren Cargo-Bikes konzipiert. Speziell für diese lässt sich der Valeo-Motor auch mit einem Rückwärtsgang bestücken, um z. B. schwere Lastenräder aus abschüssigen Parkbuchten auszuparken.
Eine weitere Besonderheit, die nur der Valeo Cyclee-Motor in diesem Vergleichstest mitbringt, ist ein Leerlauf-Gang. Der dient als cleverer Diebstahlschutz. Aktiviert man den Leerlauf beim Abstellen des E-Bikes, kann man noch so viel in die Pedale treten, das Valeo-E-Bike rührt sich keinen Millimeter vom Fleck. Es muss zuerst ein Code über die Remote und das Display eingetippt werden, um den Leerlauf aufzuheben und einen Gang einzulegen. Besser hätte man die Vorteile eines Getriebemotors für einen Diebstahlschutz nicht nutzen können.
Während der Fahrt kommt das interne Getriebe als vollautomatische Schaltung zum Einsatz. Im adaptiven Unterstützungsmodus „Predict“ werden die Gänge sogar ausschließlich automatisch eingelegt und es gibt keinen manuellen Override per Remote — also die Funktion, die Automatik per manuellem Schaltbefehl zu überbieten. Der Gangwechsel gelingt im Stand und im Rollen. Im Gegensatz zur Pinion MGU wird auch automatisch unter Tretlast geschaltet, also dann, wenn man gerade in die Pedale tritt. Doch hier erweist sich der Valeo Cyclee-Motor in manchen Situationen als besonders schaltfaul und reaktionsträge.
Nimmt die Geschwindigkeit zu, schaltet die Automatik vorhersehbar in einen höheren Gang und der Widerstand unter dem Pedal nimmt zu. Auch bei einem Schaltbefehl per Remote im Turbo- oder Eco-Modus funktioniert das einwandfrei. Geht es jedoch bergauf und die Geschwindigkeit nimmt ab, während man mit Kraft in die Pedale tritt, dann lässt das Getriebe auf sich warten. Egal ob automatisch im Predict-Modus oder manuell per Schaltremote: Liegt zu viel Druck auf dem Pedal, verzögert sich das Herunterschalten um mehrere Kurbelumdrehungen. Das verhindert zwar, dass der Widerstand unter dem Pedal plötzlich abreißt, man ins Leere tritt und die Balance verliert, erschwert aber auch eine sportlichen Fahrstil auf Anstiegen.
Mit circa 4,9 kg fällt der Valeo-Motor am schwersten aus. Das Motorgehäuse ähnelt einem Dreieck, das einen höheren Platzbedarf im Rahmen darstellt und die Integration erschwert. Hoffentlich lassen sich die E-Bike-Hersteller davon aber nicht abschrecken und Valeo gelingt es, weitere Partner für ihr Aggregat zu finden. Wir würden uns freuen, den kraftvollen Motor in noch mehr E-Bikes testen zu können.
Der gefühlvolle Belgier unter den Getriebemotoren – Der Owuru-Motor von E2 Drives im Vergleichstest
Wenn Pinion den Shooting-Star der Getriebemotoren-Szene darstellt und Valeo den französischen Lokalmatador gibt, dann kann man beim Owuru-Motor von E2 Drives mit Recht von einem Nischendasein sprechen: Der Motor kommt bisher nämlich nur in einem einzigen E-Bike zum Einsatz.
Betrachtet man es aber aus einer anderen Perspektive, ist dem Motorenhersteller E2 Drives mit ihrem Owuru-Motor ein absoluter Kassenschlager gelungen. Das Konzept muss den Sportartikelgiganten und E-Bike-Hersteller Decathlon so beeindruckt haben, dass man sich das kleine Motor-Start-Up kurzerhand einverleibt hat und E2 Drives nun eine Tochter des Unternehmens ist. Kaum verwunderlich also, dass der innovative Owuru-Motor bisher nur im Decathlon BTWIN LD920E-City-E-Bike zum Einsatz kommt.
Während beim Pinion-Motor alle Kennzahlen auf große Massentauglichkeit getrimmt sind und der Valeo-Motor mit Kraft klotzt statt zu kleckern, liegt der Fokus des Owuru-Motors ganz woanders. Er will mit einem besonders reibungslosen und entspannten Fahrgefühl glänzen und verfügt als einziger der Getriebemotoren über eine stufenlose Automatikschaltung.
Technisch gelingt dem Owuru-Motor das „schaltfreie“ Schalten dank zweier Elektromotoren, die über ein internes Planetengetriebe zusammenlaufen. In der Praxis bedeutet das, dass man einmal vor Fahrtantritt eine gewünschte Zieltrittfrequenz zwischen 40 und 90 U/min auswählt. Unterwegs muss man dann keinen Gedanken mehr ans Schalten verlieren.
Der Motor reguliert seine Leistung und den Widerstand der Kurbel immer so, dass man bei der gewünschten Trittfrequenz landet. Das gelingt komplett unterbrechungsfrei von Schaltvorgängen oder einem Leistungsabriss — ähnlich einem Variomatik-Getriebe am Motorroller.
Im Stadtverkehr kann daher keiner der anderen Motoren mit dem entspannten Fahrfeeling des Owuru-Motors mithalten. Tritt man für einen Ampelsprint härter in die Pedale, wechselt der Motor fließend in eine höhere Übersetzung und das Tempo nimmt zu, ohne dass man sich abstrampelt. Rollt man langsam auf das Ende einer Stop-and-go-Autokolonne zu, wird automatisch untersetzt und man ist beim Anfahren und Hinterherschleichen immer in einem angenehm leichten Gang unterwegs.
Das clevere Automatikgetriebe bringt jedoch auch Nachteile mit sich. Im Vergleich zu den anderen beiden Motoren ist der Owuru-Motor nicht ganz so kräftig und kann auch mit konventionellen Mittelmotoren aus der Full-Assist-Liga nicht ganz mithalten.
E2 Drives gibt ein minimales Drehmoment von 65 Nm an, das bei jedem Übersetzungsverhältnis machbar ist, im Idealfall sind bis zu 120 Nm möglich. 375 % Motorsupport für den Owuru-Motor klingen zwar üppig, kommen aber nicht an die 400 % und 800 % von Pinion und Valeo ran und auch die interne Übersetzungsbandbreite von 265 % fällt deutlich geringer aus im Vergleich zu den 600 % von Pinion und 450 % von Valeo.
In der flachen Innenstadt ist man noch zügig unterwegs. Muss man auf dem Commute aber steil ansteigende Panorama-Straßen bewältigen, geht dem Motor die Puste aus. Fällt beim Anstieg die Geschwindigkeit zu stark ab, kann der Motor die vorher festgelegte Zieltrittfrequenz nicht aufrecht erhalten und man wird gezwungen, sich aus dem Sattel aufzurichten um sich im Wiegetritt den Anstieg hoch zu kämpfen.
Ein weiteres Manko ist das Vibrieren, das der Motor von sich gibt. Der Motor ist an sich nicht besonders laut, der Valeo-Motor ist deutlich lauter und auch der Pinion-Motor kann in den ersten vier Gängen mit seiner Geräuschkulisse etwas nerven, doch beim Owuru-Motor kann man mit den Füßen förmlich spüren, wie die beiden Motoren im Inneren von zwei Richtungen aus am Planetengetriebe zerren.
Wie gut die allgemeine Integrierbarkeit des Owuru-Motors ist, ist eigentlich Nebensache, da er bisher nur in einem Bike zum Einsatz kommt. Der Motor wiegt 4,6 kg, ist damit also nicht direkt ein Leichtgewicht. Das Motorgehäuse ist nur etwas ausladender als bei einem modernen und kompakten Full-Assist-Mittelmotor ohne interner Schaltung. Bei der Integration muss noch besonderes Augenmerk auf eine gute Kennlinie für die Kette gelegt werden, denn der Motor gibt einen Großteil seiner Kraft über ein kleines zusätzliches Ritzel an die Kette weiter. Im Präzedenzfall, dem BTWIN LD920E-City-E-Bike, hat Decathlon ein erstklassiges Maß an Motorintegration bewiesen und ein ganzes Motorsystem um den Owuru-Antrieb gestrickt. Der Motor wird schön von den Rundungen des Rahmens in die Bike-Silhouette eingefasst und gibt seine Motorsystemdaten über ein todschickes Display im Vorbau aus.
Sind Getriebemotoren die Zukunft von E-Bike-Motoren?
Der inzwischen lange verstorbene Henri Desgrange, seiner Zeit ein bedeutender Radsportjournalist (und nebenbei auch der Begründer der Tour de France, aber das tut hier nichts zur Sache ;), hat angeblich gesagt: „Schaltungen sind nur etwas für Invaliden und Frauen.“ Natürlich ist inzwischen über ein Jahrhundert vergangen, seit Kollege Henri diese gewagte Behauptung aufgestellt haben soll, von der heute jeder weiß, dass sie nicht zutrifft. Doch unsere Denkmuster haben sich seither nicht sonderlich viel weiterentwickelt. „E-Bikes sind nur was für alte Leute, absenkbare Sattelstützen nur zusätzliches Gewicht und Scheibenbremsen viel zu kompliziert und fehleranfällig.”
Statt Innovationen vorurteilsfrei und ergebnisoffen zu empfangen, wird ihnen viel unbegründete Skepsis und Widerstand entgegengebracht.
Momentan mögen Getriebemotoren klobig, unausgereift und oftmals unsportlich erscheinen. Hinter vorgehaltener Hand wird ihnen nur ein schmales Einsatzgebiet für gemütliche City-Bikes und wartungsarme Trekkingräder zugesprochen. Noch wird der Motorenmarkt von konventionellen Mittelmotoren und Nabenmotoren dominiert. Getriebemotoren sind erst frisch auf dem noch relativ jungen E-Bike-Markt dazugestoßen. In ihnen steckt jedoch ein enormes Potential. Die Motorunterstützung und das Schalten gehören an einem E-Bike zusammen wie Pech und Schwefel. Daher macht es Sinn, beide Komponenten so gut aufeinander abzustimmen wie nur irgendwie möglich. Im besten Fall wird so aus zwei Komponenten nur eine: der Getriebemotor. Die Motoren von Pinion, Valeo und E2 Drives sind nicht perfekt, das stimmt. Es ist aber schon etwas her, dass uns ein E-Bike-Motor so beeindruckt hat, wie es diese drei tun. Ein Siegeszug der Getriebemotoren ist nicht ungewiss.
Pinion, Valeo und E2 Drives liefern einen imposanten, wenn auch noch etwas unausgereiften Auftritt auf dem E-Bike-Motorenmarkt ab. Die Weichen für einen Siegeszug der Getriebemotoren sind gestellt, es liegt nun an den Herstellern, das volle Potential dieser Motorengattung auszuschöpfen. Ob das gelingt, steht auf einem anderen Blatt. Konventionelle Mittelmotoren und die Kettenschaltung sollten sich jedoch warm anziehen, um einem möglichen Ansturm neuer Getriebemotoren standzuhalten.
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Words: Rudolf Fischer Photos: Jan Richter, Diverse