Was steckt hinter DJI und ihrem neuen DJI Avinox Drive System? Was können wir von dem Drohnen-Pionier in Zukunft erwarten? Und warum wird der neue Motor auch die Drohnenentwicklung beeinflussen? Als erstes Bike-Magazin weltweit haben wir das DJI-Hauptquartier in Shenzhen besucht und konnten hinter die Kulissen des chinesischen Tech-Giganten einen Blick werfen.

Champagne poppin´! Der DJI Avinox M1 Motor hat den Testsieg in unserem großen Motorenvergleichstest 2025 eingefahren – und das vollkommen verdient: Nachdem wir das Motorsystem als erstes Bike-Magazin bereits im Juni 2024 testen und es über die Saison hinweg benchmarken konnten, stand fest: Fahrverhalten, Dosierbarkeit, Usability und Konnektivität setzen Maßstäbe, die die Konkurrenz in den Schatten stellen – bei einem Gewicht und Baumaßen, die den Light-Motorenkonzepten gefährlich nahe kommen. Doch was steckt wirklich hinter dem E-MTB-Motoren-Newcomer?

Um das zu verstehen, sind wir dorthin gereist, wo die Idee geboren wurde: DJI Sky City – das DJI-Headquarter in Shenzhen, China. In den zwei von Stararchitekten Foster + Partners designten Wolkenkratzern finden Tausende Mitarbeiter Platz. Kommt man an, merkt man bereits an der Pforte, dass hier technologischer Fortschritt nicht nur entwickelt, sondern auch gelebt wird. Zugleich erinnert vieles an Apple. Das mag zum einen daran liegen, dass der Stararchitekt auch den Apple Park in Cupertino entworfen hat, zum anderen an der sehr cleanen und reduzierten Corporate Identity. Abgesehen vom kleinen Logo an der Rezeption finden sich keine DJI-Logos im Inneren oder gar an den Gebäudefassaden. Im Oktober 2024 wurden unser Magazin-Gründer und Chefredakteur Robin Schmitt sowie Fotograf Oli Graf von Entwicklern, Testtrack-Verantwortlichen und weiteren Kollegen empfangen.

Schon der riesige Eingangsbereich ist beeindruckend: Ein Zen-Garten, ist der Eintritt in den DJI-Kosmos. Nach der Sicherheitskontrolle geht es mit großen Aufzügen in die oberen Etagen, wo wir auf moderne Arbeitsplätzen stoßen. Eine schwebende Glasbrücke verbindet die beiden Türme des Headquaters. Für die Mitarbeiter bietet DJI mehr als nur Arbeitsplätze: Ein Ruhegarten, ein Fitnessstudio und sogar ein Kindergarten sorgen für einen Ausgleich im Alltag. Unser absolutes Highlight: Ein traditionelles Teehaus, das einen in eine andere Dimension versetzt und einen Kontrast zur sonst schnelllebigen Umgebung schafft.

Fun Fact: Die Glasfassaden in den oberen Stockwerken müssen abgedunkelt werden, da es regelmäßig Personen gibt, die versuchen Einblicke in die neuesten Entwicklungen zu bekommen.

Die nächste Überraschung wartet gleich nebenan: Eine Indoor-Teststrecke im benachbarten Einkaufszentrum. Sobald die Tür aufgeht, stehen wir plötzlich wieder in einer komplett anderen Welt zwischen Staub, Erde und Schikanen. Genau hier, auf dem hauseigenen Testtrack, wurde das DJI Avinox Drive System entwickelt, abgestimmt und getestet. Natürlich haben wir die Gelegenheit genutzt, das System selbst ausgiebig zu fahren und direkt mit den Entwicklern über Funktionen und Fahrgefühl zu sprechen.
Als erstes Magazin weltweit konnten wir den Avinox M1-Motor nicht nur in Shenzhen auf dem Indoor-Testtrack unter die Lupe nehmen, sondern auch unter realen Bedingungen im deutschen Mittelgebirge und in den Alpen testen.

Shenzhen als Innovationsschmiede

Die Entstehung des DJI Avinox M1 Motors führt uns direkt nach Shenzhen. Hier wird das gesamte Motorsystem gefertigt, und es ist kein Zufall, dass DJI diesen Ort ausgesucht hat. Im als chinesisches Silicon Valley bezeichneten Shenzhen sitzen chinesische Tech-Giganten wie BYD genauso wie die Dependancen vieler internationaler Firmen wie etwa Microsoft. Shenzhen ist seit Jahren Magnet für viele Entwickler und IT-Spezialisten – wer etwas erreichen und bewegen will, zieht dorthin. Entsprechend ticken dort die Uhren anders – und zwar deutlich schneller. Was in anderen Teilen der Welt 2 bis 3 Tage braucht, ist dort an einem Tag erledigt. Hexerei? Nein. Shenzhen ist schlichtweg ein Magnet für junge Tech-Entwickler und Uni-Absolventen, die hungrig und heiß darauf sind, beruflich Vollgas zu geben – entsprechend sind Arbeitstempo und Innovationskraft auf einem anderen Level. Dafür gibt es sogar einen eigenen Begriff: „Shenzhen Time“.

DJI ist seit 2006 in Shenzhen zuhause. Was damals mit der Vision begann, Drohnen für jedermann zugänglich zu machen, hat sich zu einem globalen Technologieführer entwickelt. Aber DJI kann weit mehr als nur fliegende Kameras, auch extrem leistungsfähige Powerbanks und Gimbals gehören zum Spezialgebiet der Chinesen. Genau diese Technologien und Erfahrungen, ursprünglich für Luftaufnahmen und Filmemacher gedacht, sind heute die Grundlage für das DJI Avinox Drive System. Das Mindset dahinter auch: ein Premiumprodukt in großer Stückzahl und hoher Qualität einer breiteren Masse zugänglich zu machen – Stichwort: Economy of Scale.

Für uns war es der logische nächste Schritt

E-Mountainbikes sind kein Nischenprodukt mehr. Mit einem prognostizierten Marktwert von 71,5 Milliarden US-Dollar bis 2030, so Markets and Markets, ist das Potenzial trotz der aktuellen globalen Marktsituation riesig. Besonders in Europa, wo E-MTBs über die Hälfte des Marktanteils ausmachen, hat DJI ihre Chance gewittert. Gesagt, getan … Drei Jahre in aller Stille, hinter verschlossenen Türen und mit einem Team bestehend aus leidenschaftlichen E-Mountainbikern und Ingenieuren, wurde an dem neuen Antriebssystem gearbeitet. Das Ergebnis? Überraschend gut – oder besser gesagt: herausragend. Eine Überraschung oder einfach nur ein logischer Schritt?

Was DJI von anderen Motorenherstellern unterscheidet

Das DJI Avinox-System kam für viele überraschend – der Erfolg allerdings nicht, wenn man einmal hinter die Kulissen von DJI blickt.

Während andere Motorenhersteller unter dem Druck schwächelnder Kernmärkte verzweifelt nach neuen Geschäftsfeldern suchen, hat sich DJI aus einer starken Position heraus einem neuen Geschäftszweig gewidmet – mit einem florierenden Kerngeschäft im Rücken.

Denn DJI ist in erster Linie ein Software- und Tech-Unternehmen und bringt umfangreiches Know-how mit: Erfahrung im Motorenbau von Drohnen, Akku-Technologie aus Powerbanks und Fluggeräten sowie präzise Software-Steuerung aus Gimbals. Dazu kommen eine etablierte Lieferkette und langjährige Partnerschaften mit Zulieferern, die es dem Unternehmen ermöglichen, große Stückzahlen zu wettbewerbsfähigen Preisen herzustellen.

Doch DJI will nicht nur mit einem leistungsfähigen Motor punkten. Für den Fall der Fälle setzt der Hersteller auf ein gut durchdachtes Servicenetzwerk: Eine Service-Hotline, lokale Händler und ein großes Ersatzteillager in den Niederlanden sollen dafür sorgen, dass defekte Teile in der Regel innerhalb von drei Tagen ersetzt werden können. Händler berichten sogar, dass benötigte Ersatzteile bereits verfügbar waren, noch bevor die ersten Amflow-Bikes ausgeliefert wurden. Mit mehr als zehn Jahren Erfahrung im Remote-Support scheint DJI also bestens aufgestellt – zumindest auf dem Papier. Ob das Servicenetzwerk in der Praxis den Erwartungen der Kunden gerecht wird, bleibt abzuwarten. Die Vorzeichen dafür stehen jedoch bestens.

Ein weiterer Punkt, der DJI auszeichnet, ist das hohe Arbeitstempo. DJI arbeitet spürbar schneller und agiler als viele etablierte Unternehmen – das merken auch wir deutlich in der Kommunikation mit ihnen.

Was das DJI Avinox Drive System von anderen Motorsystemen unterscheidet

Das DJI Avinox Drive System punktet nicht nur mit beeindruckenden technischen Eckdaten, sondern hebt sich vor allem im Fahrgefühl von der Konkurrenz ab:
Mit nur 2,52 kg setzt der Avinox M1-Motor Maßstäbe in puncto Gewicht. Ermöglicht wird dies durch ein kompaktes Planetengetriebe, bei dem Zahnräder aus Polymer zum Einsatz kommen. Die sollen nicht nur das Gewicht, sondern auch die Geräuschentwicklung reduzieren. Ursprünglich stammt die Technologie aus der Gimbal Steuerung der DJI Inspire 3, einer Kinodrohne für Filmemacher.

DJI verwendet für die Batterien des Avinox-Systems die neuesten LG-Zellen und setzt auch hier auf eine gewichtsoptimierte Bauweise. Die 600-Wh-Version bringt 2,9 kg auf die Waage, die 800-Wh-Version 3,7 kg. Zum Vergleich: Der Bosch PowerTube 800-Wh-Akku wiegt mit 3,9 kg nochmal rund 200 g mehr. Dank der 12A GaN-Schnellladetechnologie lässt sich die 800-Wh-Batterie in flotten 1,5 Stunden von 0 auf 75 % aufladen – ein Bruchteil der herkömmlichen Ladezeiten anderer Hersteller von 4 bis 6 Stunden.

Das selbst entwickelte Batterie-Management-System soll außerdem dafür sorgen, dass die Lebensdauer und die Effizienz des DJI Drive Systems verbessert werden. Praktisch: Die automatische Selbstentladung. Nach sieben Tagen sinkt der Ladezustand automatisch auf 95 %, nach 30 Tagen auf 60 %, um die Zellen vor Alterung und Kapazitätsverlust zu schützen – ein Konzept, das DJI aus der Phantom-Drohnenserie übernommen hat. Zusätzlich überwachen Temperatursensoren die Batterie, um Schäden durch extreme Hitze oder Kälte zu vermeiden. Über die Avinox-App haben Nutzer den Batteriestatus immer im Blick und erhalten hierüber bei Problemen direkt Benachrichtigungen.

DJI vergleicht die Batterie mit einem Muskel: Die maximale Leistung lässt sich nur durch regelmäßige Nutzung und die richtige Pflege abrufen – also keine Tiefentladung unter 20 % und keine ständige Aufladung des E-MTBs über 80 %.

Mit 105 Nm Drehmoment liefert der Avinox M1-Motor genug Power, um auch steilste Anstiege zu bewältigen. Im Boost-Modus stehen sogar 120 Nm für kurze Zeit zur Verfügung. Doch Drehmoment allein reicht nicht. Was wirklich zählt, ist die Dosierbarkeit – das Zusammenspiel zwischen Fahrer-Input und Motor-Output. Mit seiner präzisen Unterstützung liefert der Avinox trotz hoher Leistung ein natürliches Fahrgefühl, sodass der Fahrer immer die Kontrolle behält.

Den Unterschied macht die von DJI entwickelte Multi-Sensor-Fusion. Während andere Systeme oft auf weniger und gröbere Sensoren setzen, arbeitet das DJI Avinox Drive System mit 10 hochpräzisen Sensoren, die Daten wie Trittfrequenz, Geschwindigkeit und Gelände in Echtzeit erfassen. Ferdinand Wolf, Product Experience Director bei DJI, erklärt uns:

„Auf den ersten Blick denkt man, eine Drohne wäre komplexer zu entwickeln und benötigt mehr Sensoren. Aber ein E-MTB Motor hat es echt in sich. Drohnen reagieren zwar sensibel auf Steuerbefehle und äußere Einflüsse wie Wind, aber ein E-MTB Motor muss richtig mitdenken: Deine Trittfrequenz, die aktuelle Geschwindigkeit, der Trail – alles muss in Echtzeit interpretiert und umgesetzt werden. Dafür braucht es deutlich mehr Sensoren.”

Der wohl offensichtlichste Sensor ist der Geschwindigkeitssensor an der Bremscheibe, der die Bewegung des Hinterrads 41-mal pro Radumdrehung erfasst. Damit bietet der Avinox eine deutlich genauere Geschwindigkeitsbestimmung als viele Konkurrenzsysteme, die nur 1- bis 18-mal pro Umdrehung messen, wie beim Haibike XDURO Nduro 10.0. Diese Präzision ermöglicht es dem Motor sogar, den eingelegten Gang zu berechnen – selbst bei manuellen Schaltungen.

Die gesammelten Sensordaten werden dann vom Smart-Assist-Algorithmus analysiert, der die Motorunterstützung je nach Fahrstil und Gelände anpasst. Vor allem im Auto-Modus übernimmt der Algorithmus die Arbeit. Für den Fahrer bedeutet das weniger Ablenkung, sodass er sich mehr auf den Trail fokussieren kann.

Welchen Herausforderungen muss sich DJI mit dem Avinox Drive System stellen?

Mit Bosch und Shimano dominieren derzeit zwei starke Player den E-MTB-Markt. Doch DJI bringt frischen Wind – und eine neue Perspektive. Die Frage ist nicht, ob DJI eine Rolle im Markt spielen wird, sondern wie schnell diese Rolle wie groß werden wird. Der Einstieg des Drohnengiganten rüttelt die Branche gerade wach. Kunden dürfen sich freuen: nicht nur wegen des hervorragenden Motors, sondern auch, weil DJI andere Hersteller in Zugzwang bringt, ein neues Level an Service und Benutzerfreundlichkeit anzubieten.

Wir können es kaum erwarten, zu zeigen, welche Bikes mit dem Avinox-Antriebssystem auf den Markt kommen.

Jetzt liegt es an den Bike-Herstellern, sich auf ein System einzulassen, das von einem Branchen-Neuling kommt. DJI begegnet diesen Bedenken mit fairen Preisen und einem sehr starken Gesamtpaket.

Top 5 – Was wir von DJI in Zukunft erwarten können

1. Neue Bikes mit DJI Avinox Drive System: Die ersten Spy-Shots wie etwa von Forbidden Bikes kursieren bereits in den sozialen Medien und zeigen, dass DJI bereits mit zahlreichen Bike-Herstellern zusammenarbeitet – auch aus Nordamerika. Entgegen der Befürchtungen soll es laut DJI und aktuellem Stand (abwarten, was Trump macht!) keine Nutzungsbeschränkungen für den US-amerikanischen Markt geben. DJI hat bereits bestätigt, dass 2025 neben dem AMFLOW PL Carbon Pro noch weitere E-MTBs mit ihrem Motorsystem an den Start gehen werden. Welche Marken man hier erwarten kann, bleibt spannend. Auch, ob sie alle auf das DJI-Avinox-Gesamtsystem setzen werden, wird sich zeigen. Während die meisten Bike-Hersteller das komplette System übernehmen werdens, bleibt DJI auch offen für Custom-Akku-Lösungen.

2. Von den Trails auf die Straße – DJI plant mit dem Avinox Drive System auch den urbanen Raum zu erobern. Schließlich sind die Power und Dosierbarkeit des Systems auch ideal für urbane E-Bikes, insbesondere Cargo-Bikes. Wie schnell und gut das gelingt, wird die Zeit zeigen – schließlich genießt der schwäbische Motorenhersteller Bosch in dieser (demografischen) Zielgruppe ein riesiges Vertrauen, und neue Player tun sich hier vor allem im zentraleuropäischen Markt schwerer.

3. Ein Range Extender steht auf der Prio-Liste von DJI weiter unten. Die Chinesen sehen den Bedarf für ihren Avinox-Motorsystem nicht so groß und wollen sich auf die Optimierung ihrer bestehenden Systeme konzentrieren.

4. Ab 2025 sollen per Avinox-App kostenlose Software-Updates verfügbar sein, die neue Features und Verbesserungen bringen – in wenigen Minuten via WLAN oder 5G installiert. Nice!

5. Spannendes Entwicklungskonzept: DJI bleibt nah dran an ihren Nutzern und bindet sie aktiv ein – zum Beispiel in der Facebook-Gruppe Amflow Bike Community Official. Dort werden Laien als Testfahrer rekrutiert, Beta-Versionen getestet und direktes Feedback gesammelt. So entsteht nicht nur eine starke Community, sondern auch ein ehrlicher Austausch, der die Weiterentwicklung vorantreibt.

6. Bonus: Welche Bikes würdet ihr euch in Zukunft mit dem DJI Avinox Motorsystem wünschen?

Teilt uns eure Lieblings-Brand mit, die ihr mit dem DJI Avinox Drive System sehen wollt!

Mit dem Avinox M1-Motor zeigt DJI, wie Drohnentechnologie die E-Bike-Branche bereichern kann. Das System kombiniert smarte Software, kompakte Technik und durchdachte Akkus zu einem beeindruckenden Gesamtpaket. Ist Avinox der Beginn einer Revolution? Das bleibt noch abzuwarten, doch DJI bringt frischen Wind in die Branche und treibt die Entwicklung voran. Spannend bleibt, welche Bikes mit diesem Motorsystem folgen. Eines ist sicher: Mit dem Avinox-Motor hat DJI eine Benchmark gesetzt, an der sich alle anderen messen müssen.


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Words: Benedikt Schmidt Photos: Oliver Graf, Robin Schmitt