Ausgabe #017 Inspiration

Ist E-Mountainbiken die sinnvollste Sache der Welt?

Kommt dir deine Arbeit als sinnvoll vor? Fürchtest du dich vor künstlicher Intelligenz? Was erachtest du als wichtig im Leben?

Keine Sorge, an dieser Stelle wollen wir keine Antwort von euch hören. Aber vielleicht kennt ihr das Gefühl, sich ständig selbst optimieren zu müssen – immer noch produktiver, effizienter und effektiver. Allein an diesen Gedanken, beziehungsweise den Begriffen und Superlativen, erkennt man die Krux an unserer Zeit. Um bewundernswerte und erfolgreiche Menschen zu beschreiben, benutzen wir heutzutage Termini, die man früher nur für Maschinen verwendet hat. Auch wenn sich jeder irgendwie vor künstlicher Intelligenz fürchtet, wollen oder sollen wir in unserem durchgetakteten Alltag scheinbar so funktionieren wie Maschinen. Wer Martin Suters „Abschalten – Die Business Class macht Ferien“ gelesen hat, weiß, wie perfide das sein kann. Die entscheidende Frage ist doch: Was bleibt in diesem Effizienz- und Optimierungswahn, dem wir uns selbst unterwerfen, noch von uns Menschen übrig? Schließlich versuchen viele von uns, Fehler nicht einzugestehen und Gefühle sowie Emotionen einzusperren bzw. zu unterdrücken. Dabei ist allgemein bekannt: Unterdrückt man das Menschliche, läuft man Gefahr, sich zu überlasten und vor lauter Leistungsdruck den eigentlichen Sinn des Lebens aus den Augen zu verlieren. Das mag manchmal kurzfristig funktionieren, langfristig geht der Plan in der Regel aber nicht auf.

Man könnte jetzt fragen: Was ist der Sinn des Lebens? Erfolg, Reichtum, Ruhm und Ehre? Fakt ist, in unserer Gesellschaft braucht jeder Mensch Ziele: Ich will Millionär werden. Ich will attraktiver, muskulöser und schlauer werden. Wo sehe ich mich in 10 Jahren? Was will ich dieses Jahr erreichen?

Während das Leben in der Hoffnung auf das Erreichen des Ziels oder eines endgültigen Zustands wie im Rausch an uns vorbeizieht, realisieren manche, dass wir nicht mehr und nicht weniger haben als diesen jetzigen Moment. Was nach einem auf Amazon bestellten Happiness-Ratgeber aus der Eso-Ecke klingt, hat einen wahren Kern: Nur jetzt – während du diese Zeilen liest – lebst du. Alles, was war, ist Vergangenheit und Erinnerung. Alles, was kommt, ist ungewiss – egal wie viele Versicherungen du abgeschlossen hast. Bist du dir bewusst, wie du dich fühlst während du diese Zeilen liest?

Kennst du diesen Moment, wenn du einem wildfremden Menschen auf der Straße begegnest und ein flüchtiges Lächeln für eine vollkommen andere Stimmung sorgt, ja gar dein Herz aufgehen lässt? Die großen Philosophen der Weltgeschichte stimmen darüber ein, dass ein simples, echtes Lächeln eines der größten Wunder dieser Welt ist. Es verbindet uns mit anderen Menschen in einer Sprache, die keiner Worte bedarf, die aber jeder versteht. In diesen Momenten fühlen wir uns im Flow, die Welt und alle Sorgen sind vergessen. Der Kontostand, der nächste Geschäftstermin – all das hat in diesen Momenten keine Bedeutung. In diesen Momenten produzieren wir keine Wirtschaftskraft, wir optimieren nichts, wir sind weder effizient noch effektiv. Aber wir fühlen uns verdammt gut! Und kommt es irgendwie nicht genau darauf an?

An irgendeinem Punkt im Leben müssen wir uns entscheiden, worauf wir hören wollen: Auf das, was die anderen sagen, oder das, was man selbst fühlt? Auf das, was man selbst für richtig hält, was einen erfüllt, glücklich macht und ein Lächeln ins Gesicht zaubert? Hier können wir noch viel von unseren (oder anderen) Omas und Opas und deren Ruhe und Gelassenheit lernen.

Aber was hat die Magie eines Lächelns mit E-Mountainbiken zu tun? Nun ja: An sich ist es ja erst einmal bescheuert, mit einem Elektromotor statt reiner Muskelkraft Sport zu treiben und auf irgendwelche Berge hinaufzufahren. Der Trainingseffekt ist ja viel geringer – lautet zumindest das Vorurteil! Aber kommt es darauf an? Wer schon einmal E-Bike gefahren ist, der weiß, dass es kaum eine Sportart gibt, die so zuverlässig für ein dickes Grinsen im Gesicht sorgt wie das elektrifizierte Fahrrad. Schließlich fühlen wir uns wie Superman. Und was ist daran falsch, sich so zu fühlen? Jeder Arzt, jeder Handwerker, jeder Ingenieur hat seine Hilfsmittel, die einem das Leben leichter machen – warum darf der Biker dann kein E-Mountainbike besitzen? Schließlich ist das E-Mountainbike nicht nur die ultimative Waffe gegen Stress, sondern auch ein einfacher Einstieg in ein Gefühl des Flows: Du fliegst wie Super(wo)man den Berg hinauf – nur mit einem authentischen und dickeren Grinsen! Du bewegst dich, fährst dir dabei den Kopf frei und wirfst mit jedem zurückgelassenen Meter immer mehr Ballast ab.

Jeder Mensch braucht seinen Raum. Eine Zeit, wo er nichts sein muss, sondern einfach sein kann. Und das E-Mountainbike bietet genau diesen Raum. Wenn wir auf dem Berg sind, dann sind wir nicht mehr Geschäftsführer, besorgter Angestellter, Vater mit gescheiterter Ehe …, sondern nur noch Mensch. Und zwar ein Mensch mit einem Lächeln im Gesicht, der in diesem Moment mit sich und der Welt im Reinen ist. Was kann es Sinnvolleres geben?*

*Falls Rationalisten eine Antwort mit etwas Sinnvollerem finden sollten, dann einigen wir uns zumindest auf E-Mountainbiken als sinnvollste sinnlose Sache der Welt. Auch einen Hund zu halten, ist sinnlos: Er legt keine Eier, gibt keine Milch und essen sollte man ihn in Europa auch nicht. Aber Haustiere öffnen unser Herz und geben uns nach einem langen Arbeitstag unsere Menschlichkeit zurück. Ganz schön sinnvoll eigentlich, oder?


Dieser Artikel ist aus E-MOUNTAINBIKE Ausgabe #017

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Text: Robin Schmitt Illustrationen Julian Lemme


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Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.