In diesem Vergleichstest küren wir weder einen klaren Testsieger noch einen Kauftipp. Denn bei MTB-Reifen gibt es zahlreiche Faktoren, die die Performance maßgeblich beeinflussen. Aus gutem Grund bieten die Hersteller eine breite Palette an Modellen und Versionen an – abgestimmt auf verschiedene Fahrertypen und – niveaus, Bikes und Trail-Bedingungen. Wer sein Enduro-Bike hauptsächlich mit dem Shuttle nach oben bringt, stellt ganz andere Anforderungen an seine Reifen als jemand, der mit demselben Bike in den Alpen unterwegs ist und sich jede Abfahrt aus eigener Kraft verdient. Selbst wenn wir uns in der Redaktion auf ein bestimmtes Modell einigen könnten, wäre es lediglich der bestmögliche Kompromiss für möglichst vielseitige Einsätze. Also einen perfekten Reifen, der für alle Biker gleichermaßen passt, gibt es schlichtweg nicht! Stattdessen wollen wir euch erklären, auf was ihr in Zukunft achten müsst, welche Unterschiede es gibt und was ihr von gewissen Anpassungen – wie dem Luftdruck oder der Karkasse – erwarten könnt. Zudem erklären wir euch die unterschiedlichen Philosophien der Hersteller und deren – teils sehr verwirrenden – Produktpaletten, damit ihr in Zukunft die perfekte Wahl für eure Reifen treffen könnt.
Wir haben alle relevanten Profile, Gummimischungen und Karkassen aller bekannten Hersteller über Monate hinweg für euch getestet. Damit dieser Test für euch gut übersichtlich bleibt, haben wir ihn in insgesamt drei Teile aufgegliedert. Im ersten Teil findet ihr alles, was ihr grundlegend über Reifen wissen müsst. Die vier wichtigsten Faktoren, auf die ihr bei der Reifenwahl achten müsst, haben wir im zweiten Teil erklärt. Im letzten Teil verraten wir euch, wie ihr die zu euch passenden Reifen findet. Und im Anschluss daran geben wir euch einen Überblick über alle bekannten Hersteller.
Die Theorie: Was ihr über MTB-Reifen wissen müsst
Tubeless is the way to go – oder?
Die Vorteile von tubeless montierten Reifen liegen auf der Hand: weniger Gewicht, mehr Grip, geringerer Rollwiderstand und höherer Pannenschutz. Auch wenn die Montage etwas mühsam sein kann (nicht muss!), sind fast alle modernen MTB-Reifen sowie -Felgen für den Tubeless-Einsatz vorgesehen. Für den Fall, dass ihr noch mit normalen Schläuchen unterwegs seid, haben wir für euch eine detaillierte Tubeless-Montage-Anleitung und die dringliche Empfehlung, sich endlich an den Umbau zu wagen. Wir selbst fahren nur tubeless und haben auch alle Reifen nur ohne Schlauch für euch getestet. Seit kurzem gibt es aber auch den Trend, mit sogenannten TPU-Schläuchen zu fahren, die wesentlich leichter, etwas robuster, allerdings auch deutlich teurer sind als herkömmliche Schläuche. Wir haben TPU-Schläuche meist nur als Pannenset dabei, weil sie eben kleiner und leichter als herkömmliche Schläuche sind, und würden euch weiterhin das Tubeless-Setup ans Herz legen.
Bei mehr als 2,5 bar Reifendruck ist der Verlust an Grip immens!
Wenn ihr noch nie etwas von Tubeless gehört habt, dann checkt unseren großen MTB-Tubeless Guide. Dort erklären wir euch alles, was ihr über ein Tubeless-Setup wissen müsst!
Der Luftdruck ist entscheidend
Der richtige Luftdruck im Reifen ist essenziell: Zu viel davon und ihr könnt euch von Komfort und Grip verabschieden. Bei einem zu geringen Luftdruck sind ein unpräzises, schwammiges Fahrverhalten und Defekte vorprogrammiert. Der passende Druck ist dabei sehr individuell und hängt von unzähligen Faktoren ab, wie der Karkasse, Gummimischung und den Bedingungen auf der Strecke. Wir empfehlen euch, vor jedem Ride den Luftdruck mit einem Luftdruckprüfer zu checken und etwas zu experimentieren – die Minute und Investition lohnt sich! Hier findet ihr einen separaten Guide, wie ihr den perfekten Reifendruck findet.
Reifenbreite ≠ Reifenbreite
Wie breit ist zu breit und wie schmal ist zu schmal? Prinzipiell gilt: Die Reifenbreite muss zur Felgenweite passen. Ein breiterer Reifen hat eine größere Aufstandsfläche und kann so mehr Grip generieren. Zudem kann das erhöhte Volumen den Pannenschutz und den Komfort erhöhen. Mit Reifen, die breiter als 2,6” sind, haben sportlich-aggressive Fahrer in Kurven aber oft mit negativen Effekten zu kämpfen: Das Fahrverhalten wird schwammig und unpräzise, wodurch sich enge Linien oft nicht mehr halten lassen. In Anliegern knicken die breiten Reifen schneller und heftiger weg. Sowohl die Felge als auch das Profil beeinflussen die tatsächliche Breite des Reifens enorm. Gemessen wird nämlich immer an der breitesten Stelle: also ganz außen an den Seitenstollen. Somit sind die Reifenbreiten der unterschiedlichen Hersteller nicht direkt vergleichbar und ein 2,5”-Reifen von MAXXIS kann breiter oder schmaler sein als ein 2,5”-Reifen von SCHWALBE, Continental oder anderen Herstellern.
Gewicht
Das Gewicht eurer Reifen solltet ihr nicht unterschätzen: Der Reifensatz alleine, ohne Tubeless-Milch und Co., trägt mit etwa 2,5 kg zum Gesamtgewicht eures Bikes bei. Das kommt zwar einer gefüllten großen Trinkblase gleich, dennoch wirkt sich das Gewicht des Reifens deutlich spürbarer auf die Fahrperformance aus. Zum einen sind die Reifen Teil der rotierenden Masse, die ihr bei jedem Antritt und bei jeder Bremsung beschleunigen und abbremsen müsst. Zum anderen fungieren die Reifen – noch vor eurer Gabel – als Federelement und reagieren auf Schläge, wodurch sie massiven Einfluss auf euer Fahrwerk haben. Schwere Reifen können das Fahrverhalten aber auch positiv beeinflussen: Geht es heftiger zur Sache, helfen euch schwere Reifen, die Linie im Steinfeld oder über den Wurzelteppich zu halten, was eure Fahrt stabilisiert. Leichte seitliche Schläge versetzen sie deutlich weniger. Der Grat zwischen „zu schwer“ und „zu leicht“ ist schmal, doch in der Regel investiert man lieber etwas mehr Gewicht, um das Extra an Fahrperformance und Grip zu bekommen und seine Felgen und Ersatzschläuche zu schonen.
Robuste und stabile Reifen sind schwer – bringen aber klare Vorteile in der Abfahrt. Um am Gesamtgewicht zu sparen, greifen immer noch viele Bike-Hersteller zu unterdimensionierten Serienreifen – schade!
Vorderreifen ≠ Hinterreifen
Die Anforderungen am Vorderrad unterscheiden sich von denen am Hinterrad. Beim MTB gilt es, so viel Grip wie möglich am Vorderrad zu generieren, während man am Hinterrad Kompromisse zwischen Traktion und Rollwiderstand eingehen muss. Auch beim Thema Pannenschutz gibt es massive Unterschiede, die Kräfte am Hinterrad sind oftmals um ein Vielfaches höher. Wenn wir unsere Platten zusammenzählen, hatten wir den Bärenanteil davon am Hinterrad. Ihr habt also viel Spielraum bei Profil, Karkasse und Gummimischung. Nutzt ihn!
Ja, Reifen sind teuer!
Auch wenn ihr nicht wie so manche Profis täglich auf neuen Reifen unterwegs seid, schlagen Reifen als Verschleißteil immer wieder große Löcher in die Urlaubskasse. Fakt ist: Ein hochwertiger Reifen ist relativ teuer, hat aber auch einen massiven Einfluss auf eure Trail-Performance und kann über Frust oder Spaß im Urlaub entscheiden. Denn wer flickt schon gerne unter nervigem Zeitaufwand seine Reifen, während die Kumpels amüsiert daneben stehen und Scherze über eure kleine Pumpe machen. Ihr solltet euren Reifen deshalb als Tuning und nicht als Verschleißteil betrachten. Es lohnt sich viel mehr, in hochwertige Reifen als in Carbon-Spacer oder Sonderlackierungen zu investieren.
Was bringen Tire Inserts?
Tire Inserts gibt es mittlerweile wie Sand am Meer und die Preisspanne dieser Systeme ist riesig. Das Funktionsprinzip ist bei den meisten Systemen dasselbe: Ein Schaumstoff agiert bei heftigen Einschlägen als Puffer zwischen dem Felgenhorn und dem Reifen. Dadurch schlägt der Reifen nicht mehr oder deutlich weicher auf der Felge auf und wird nicht so schnell von ihr beschädigt. Andere Probleme wie Burping können nur die wenigsten Systeme verhindern. Viele der verbreiteten Tire Inserts haben wir für unseren Tire-Insert Vergleichstest schon auf dem Trail und im Labor getestet. Am Ende hat uns aber immer derselbe Reifen mit einer stabileren Karkasse überzeugt. Warum? Der Gewichtsunterschied zwischen einem Reifen mit Tire-Insert und einem Reifen mit der nächst stärkeren Karkasse fällt oft nur marginal aus. Obendrein sind die Reifen mit stärkerer Karkasse deutlich robuster, erhalten nicht so leicht Löcher oder Risse und knicken in Kurven weniger schnell ein – mit einer stabileren Karkasse habt ihr also gleich drei Vorteile zum Preis von einem. Deshalb gilt: Erst wenn ihr mit der stabilsten Karkasse im Line-up weiterhin Probleme habt, solltet ihr über einen Tire-Insert nachdenken.
Der Einsatzzweck ist nicht in Stein gemeißelt
Auch wenn ein Reifen speziell für das Vorder- oder Hinterrad designt wurde, kann er auch am jeweils anderen Laufrad zum Einsatz kommen. Ein Minion DHR II (Downhill Rear II) funktioniert auch am Vorderrad sehr gut und bietet eine etwas schmalere Alternative zum voluminösen Minion DHF. Auch Michelins Wild Enduro-Vorderreifen kann bei schlammigen Bedingungen mehr Traktion am Hinterrad erzeugen als der „angedachte“ Hinterreifen.
Darüber hinaus habt ihr auch die freie Wahl beim Einsatzzweck: Ein „Matschreifen“ funktioniert im Hochsommer bei super staubigen, weichen Trails in der Regel ebenfalls hervorragend. Die Reifenhersteller geben euch einen groben Überblick, wofür sich der Reifen eignet. In Stein gemeißelt ist diese Einschätzung aber nicht: Ihr entscheidet!
Wie haben wir so viele Reifen getestet?
Gut Ding will Weile haben: Kein anderer Test bei ENDURO hat so lange gedauert und so viele Tester involviert wie unser Reifen-Vergleichstest. An ihm waren alle Redakteure im Team beteiligt. In den letzten zwei Jahren haben wir an die 200 Bikes getestet. Das macht 400 Reifen, auf denen wir unzählige Trail-Kilometer abgespult haben. Dadurch können wir auf einen riesigen Erfahrungsschatz in der Beurteilung der Reifen zurückgreifen. Die Eigenschaften der gängigsten Modelle in all ihren Variationen „erfahren“ wir mit jedem Ride auf unseren Test-Bikes.
Erfahrungen, Einschätzungen und Testrunden sind das eine, aber was wirklich zählt, ist: Wie schlagen sich die Reifen im direkten Vergleich miteinander? Während unserer Back-to-Back-Sessions im uns sehr gut bekannten Bikepark Kronplatz und auf unseren Hometrails lief unsere Tubeless-Pumpe auf Hochtouren. Armpump vom Reifenwechseln – ja, hatten wir. Aber nur so, mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Strecken und Bedingungen, können die Unterschiede der Reifen wirklich beurteilt werden. Für unseren Test am Kronplatz in Südtirol sind alle Tester auf dem Pivot Firebird und dem gleichen HUNT Trail Wide MTB-Alu-Laufradsatz gefahren, um gleiche Voraussetzungen zu haben: Gleiche Bikes und gleicher Laufradsatz, unterschiedliche Reifen. Hingegen haben wir für unsere Tests auf den Hometrails unterschiedliche Bikes und Laufräder aus Carbon, Alu und mit verschiedenen Breiten verwendet, um ein möglichst breites Spektrum abzudecken.
Bei welchen Reifen knicken die Seitenstollen zu schnell weg und welcher Reifen lässt sich im Grenzbereich noch kontrollieren, ohne dass Bodenkontakt unabdingbar wird? Welcher Reifen bietet die bessere Selbstreinigung und welcher lässt einen auch auf der Bremse nicht im Stich? Wie unterscheiden sich die verschiedenen Karkassen im Fahrverhalten und welchen Einfluss haben der Rebound und die Dämpfung der Karkasse auf den Grip und die Kontrolle?
Zusätzlich konnten wir mehrere Tage lang das renommierte Labor von Schwalbe in Beschlag nehmen, um alle Reifen unter standardisierten Bedingungen zu testen. Dort haben wir nicht nur alle Modelle gewogen und vermessen, sondern auch Tests zum Rollwiderstand, Durchschlagschutz und zur Pannenanfälligkeit durchgeführt, um unsere Test-Eindrücke vom Trail zu untermauern. Zudem pedalierte unser Redaktions-Praktikant – der zu seinem Glück einen Cross-Country-Background hat – für mehrere Tage die unterschiedlichsten Passstraßen und Schotterwege hinauf. So konnten wir mithilfe von GPS-Aufzeichnungen und Wattmess-Pedalen die Werte für den Rollwiderstand aus dem Labor in der Praxis nachprüfen, denn nur da zählt es wirklich.
Der Bikepark Kronplatz als Test-Location
Für unseren Back-to-Back-Test waren wir – wie oben erwähnt – im uns sehr gut bekannten Bikepark Kronplatz. Hier gibt es einen wilden Mix an Trails – von großen Jump-Trails mit dicken Anliegern und hohen Kompressionen bis hin zu steilen, verblockten und engen Passagen. Zudem lassen sich mehr als 1.000 Trail-Tiefenmeter am Stück sammeln, um dann mit einer schnellen Gondel wieder an den Start zu gelangen. Auch der Boden des Bikeparks war für uns ein wichtiger Faktor, denn er verändert sich selbst bei extrem trockenen oder feuchten Bedingungen nur gering und schafft so durchweg konstante Testbedingungen. Als Unterkunft stand uns die frisch eröffnete Brondstott Farm & Suites zur Verfügung, die nicht nur ausreichend Platz für Mountainbikes bietet, sondern auch in Sichtweite der Gondelstation liegt – und damit die perfekte Location für unseren Test war.
Ihr wollt wissen, welcher Reifen wirklich zu euch passt und welche Modelle im direkten Vergleich am besten abschneiden? In unserem großen Test erfahrt ihr alles über Laborwerte, Praxisergebnisse und die Empfehlungen unseres Expertenteams. Jetzt alle Details im MTB-Reifen-Vergleichstest 2025 bei unserem Schwestermagazin ENDURO entdecken!
Words & Photos: Peter Walker


