Das Canyon Roadlite:ON CF 9 LTD im Test – Integrationswunder und Designer-Piece

Das Canyon Roadlite:ON CF 9 LTD sieht aus wie Designobjekt und Statussymbol in einem. Schnell wird klar: Es will mehr sein als ein schnödes Fortbewegungsmittel. Das beweisen die sportlich schicken Elemente, die ins Design eingeflossen sind. Geht das Konzept auf oder ist das E-Bike wie ein Ferrari, der durch die Innenstadt flaniert und rot-weiße Curbs nur aus Erzählungen kennt?

Der Direktversender Canyon aus Koblenz verfügt über ein sehr breites Produktportfolio, das von MTBs über Rennräder bis hin zu Triathlon- und Trekking-Bikes alles abdeckt – sowohl mit als auch ohne E-Unterstützung. Und trotz der hohen Produktvielfalt schafft es Canyon immer wieder, Bikes zum Leben zu erwecken, die an Designstudien erinnern, so wie das Canyon Precede:ON. Das neue Canyon Roadlite:ON CF 9 LTD für 4.999 € gehört zur gleichen Riege und wird von Canyon als Fitness-E-Bike eingestuft: Es soll Sporttreiben und E-Bike-Fahren nicht wie einen Kompromiss aussehen lassen. Um dem Zweck gerecht zu werden, wiegt das Carbon-Bike nur gut 14 kg und sieht auch noch sehr schnieke aus. Geht das Konzept des Bikes auf oder offenbart es sich lediglich als schönes Design-Accessoire? Wir haben es herausgefunden.

Integration ist King – Ist das Canyon Roadlite:ON CF 9 LTD der Kaiser?

Optisch ist das Canyon ein Rad ohne viel Schnickschnack. Wie aus einem Guss, clean und athletisch mit voluminösen Rohren und dennoch scharfen Kanten. Mit der breiten Sattelstütze erinnert es an ein Aero-Rennrad, auf dem Bestzeiten in den Asphalt gebrannt werden. Dass es das nicht ist, machen der gerade Lenker und natürlich der Motor deutlich. Letzterer fällt zusammen mit dem dicken Akku im Unterrohr kaum auf, da die restlichen Proportionen scheinbar mühelos angeglichen wurden. Hinter der aufgeräumten Kulisse steckt dann aber doch ganz schön viel Technik: Integrierte Lichter im Lenker und unterm Sattel sowie das FAZUA-Motor-System mit App und 430 Wh großem Akku, was aber alles erst auf den zweiten Blick sichtbar wird. Außerdem gibt es unauffällig eingelassene Schutzblechaufnahmen und unter der Abdeckung der Hinterradachse verbirgt sich ein Gewinde, auf das direkt eine Anhängerkupplung montiert werden kann – mit diesen zwei Upgrades lässt sich das Rad im Handumdrehen vom sportlichen E-Bike zum alltagstauglichen Commuter umrüsten.

Das Roadlite:ON CF 9 LTD spielt Verstecken auf Chamäleon-Level und macht seinen Job gut. Am ganzen Bike sind weder Züge noch Leitungen zu sehen, alles läuft clean durch Lenker und Rahmen. Am auffälligsten ist dabei das einteilige Carbon-Cockpit, aus dem lediglich die Bremshebel ragen. Leitungen und Kolben sind ins Lenkerinnere gewandert. Die einzige Schelle am Lenker ist die des Schalthebels. Das Schalten funktioniert elektrisch und natürlich per Funk. Die Klingel schmiegt sich, genauso wie die Fernbedienung zur Motorsteuerung, fast nahtlos an die Griffe an. Dort wo der Lenker mittig ausgespart wurde, ist das LightSKIN Ultra Mini-Licht eingelassen, dessen 150 Lumen eher dazu dienen, gesehen zu werden, als bei schlechten Lichtbedingungen den Weg auszuleuchten. Die E-Komponenten kommen von FAZUA und der Ride 60-Motor liefert 60 Nm Tretunterstützung, solange der 430-Wh-Akku reicht – und der reicht lange. Vor allem, weil das Bike gern schneller gefahren wird als die 25 km/h, die der Motor unterstützt. Und trotz nahtloser Integration des Motorsystems bietet es größtmögliche Variabilität: Laden ist sowohl am Bike als auch extern möglich. Dafür kann der Akku mühelos via Schlüssel nach unten entnommen werden. Wer eine Stromquelle direkt am Abstellort hat, kann das Ladekabel einfach am Ladeport an der Unterseite des Oberrohrs einstecken. Mit 14,32 kg lässt sich das Leichtgewicht auch mal gut in die Penthouse-Wohnung befördern und macht dort dem Thonet-Designklassiker optisch noch Konkurrenz. Einzige Kritik an der Optik und Verarbeitung des Bikes: Der entnehmbare Akku entspricht nicht der Rahmenfarbe und die beiden Cover für Ladeport und Akkuentnahme sind haptisch keine Highlights, was das Öffnen und Schließen betrifft.

Schnell und sportlich trotz E-Support – Was kann das Canyon Roadlite:ON CF 9 LTD im Alltag?

Das Canyon Roadlite:ON sieht nicht nur schnell aus, es fährt sich auch so. Die Sitzposition ist sportlich zentral, leicht über den geraden Lenker gebeugt und der FAZUA-Motor schiebt im Rocket-Mode sehr zügig bis zur 25 km/h Schwelle. Aber nur weil dann der Motor-Support endet, heißt das noch lange nicht, dass hier schon Schluss ist. Das Bike will definitiv mehr und es fällt leicht, mit dem Roadlite:ON schneller zu fahren – und dabei noch Akku zu sparen ;). Wer auch bis 25 km/h mehr aus eigener Kraft treten will, wechselt einfach in den darunter liegenden River- bzw. Breeze-Mode. Die 3 Taster der Lenkerfernbedienung sind nicht gerade definiert, dafür vereint die kleine Remote Bedienung und Anzeige-LEDs in einer Einheit. Dank der minimalistischen Anzeige aus fünf bunten LEDs können Rahmen und Cockpit frei von einem Display bleiben. Die hohe Bandbreite der SRAM X01 Eagle AXS-Schaltung aus dem MTB-Bereich lässt euch auch die steilsten Anstiege rauffahren und ermöglicht es, immer den passenden Gang zu finden. Beim Antreten am Berg greift euch der Motor im höchsten Support-Modus trotz der „nur” 60 Nm mit unerwartet viel Schubkraft unter die Arme.

Flott gefahrene Stadtkurven und Laternen-Slaloms gehen mit dem Roadlite:ON leicht von der Hand. Das Bike zirkelt spritzig und agil um die Kurven und die vorgebeugte Sitzposition sorgt für kontinuierlichen Druck auf dem Vorderrad. Lediglich Unebenheiten solltet ihr besser umfahren: Das Bike – bezogen auf Rahmen und Gabel – ist sehr steif und die 40 mm breiten Schwalbe G-One Allround-Reifen sorgen für nur wenig Dämpfung. Hier hätten wir uns etwas breitere Reifen für mehr Komfort und passend zur Optik des Bikes gewünscht – leider sind 40 mm jedoch schon das Maximum an Reifenbreite, die das Bike aufnehmen kann.

Die sauber integrierten MCi-Bremsen von MAGURA sind nur Bike-Herstellern vorbehalten und – bis auf die Bremshebel – unsichtbar im Lenker integriert. Die Bremskraft ist für vorausschauende Fahrer ausreichend gut, entspricht sonst aber nicht ganz dem reaktiven Charakter des Bikes. Wer mehr will, sollte auf die Performance-Bremsbeläge von MAGURA wechseln. Auch die Ergonomie der Bremsen ist zugunsten der cleanen Optik eingeschränkt – außer Hebelweitenverstellung sind keine Anpassungen möglich. Für ordentlich passive Sicherheit sorgt dafür die clean integrierte Lichtanlage von LightSKIN vorn und Supernova hinten. Das Vorderlicht mit 150 Lumen bietet genug Helligkeit, um gesehen zu werden, das Rücklicht verfügt über ein zweistufiges Bremslicht: Helles Aufleuchten bei mäßiger, grelles Blinken bei starker Verzögerung. So seid ihr für Nachtfahrten durch die City gewappnet und das Licht ist immer dann geladen, wenn es das Bike auch ist. Für lange Touren und passend zum sportlichen Charakter, verfügt das Roadlite:ON über zwei Anschraubpunkte für Flaschenhalter. Auf sonstige Komfort-Features, wie Schutzbleche oder Gepäckträger, verzichtet das Designer-Bike scheinbar gewollt und spiegelt das auch selbstbewusst im sportlichen Fahreindruck wider.

Für wen ist das Canyon Roadlite:ON CF 9 LTD das richtige Rad?

Das Canyon Roadlite:ON CF 9 LTD richtet sich ganz klar an sportliche Individualisten, denen das Outfit beim Workout so wichtig ist wie das Workout selbst. Außerdem werden sich Schönwetter-Pendler freuen, die das Dropbar-Bike an den Nagel gehängt haben und das E-System fast unsichtbar integriert wissen wollen. Eins ist gewiss: Mit dem Rad werdet ihr Blicke auf euch ziehen und aus der Masse herausstechen. Was es mit dem Ferrari in der Stadt nicht gemein hat? Mehr Fahrspaß und weniger böse Blicke 😉

Fazit zum Canyon Roadlite:ON CF 9 LTD

Das Roadlite:ON ist nicht ganz makellos, kann dafür aber mit Integration auf höchstem Niveau punkten. Das auf den ersten Blick absolut puristische Bike bietet auf den zweiten Blick gut versteckte Features wie die integrierten Lampen. Das undercover E-Bike bringt euch mit dem FAZUA-Motor sportlich, schnell und fast mühelos ans Ziel und bedient alle, die zugunsten von Style-Punkten bereit sind, auf den meisten Komfort zu verzichten.

Tuning-Tipp: Sattel nach vorne schieben

Words: Julian Schwede Photos: Mike Hunger