Was passiert, wenn man ein E-Mountainbike speziell für Bikeparks und ruppige Trails entwickelt, wobei der Uphill nur als Mittel zum Zweck und das Bike zum Shuttle-Ersatz dient? Ein E-MTB mit viel Federweg und noch mehr Akkukapazität kommt heraus. Dann packt man noch einen bulligen Motocross-Lock oben drauf und fertig ist die Ballermaschine Canyon Torque:ON CF 9.

Canyon Torque:ON CF 9 | Shimano EP8/900 Wh | 180/175 mm (v/h)
24,6 kg in Größe M | 7.899 € | Hersteller-Website

Canyon hat es 2021 bereits mit dem Torque:ON probiert, damals noch komplett aus Alu, mit kleinen 27,5 Zoll-Laufrädern vorne und hinten und nur einer bereits damals kleinen Akkugröße von 504 Wh. Das Konzept war ein Bike mit schnellem Akkuwechsel und der Option, einen Zweitakku direkt mitzuerwerben, um so den fliegenden Wechsel am Parkplatz bei Bikepark Laps bewerkstelligen zu können. Die Grundidee vom Baller-Bike mit Motor als Shuttle-Ersatz ist beim neuen Torque:ON CF die Gleiche geblieben und das Bike ist mit 180 mm Federweg an der Front und 175 mm am Heck immer noch das langhubigste E-Mountainbike im Line-up. Dennoch hat sich vieles getan: Das Bike gibt es jetzt ausschließlich mit einem neuen Vollcarbon-Rahmen, wobei das von uns getestete CF 9-Modell 24,6 kg auf die Waage bringt. Das Vorderrad wurde vergrößert und das 7.899 € teure Torque:ON CF 9 rockt jetzt ein Mullet-Setup mit gemischten Laufradgrößen.

Das neue Canyon Torque:ON CF 9 2023 im Detail

Das Torque:ON CF 9 fällt mit seinem bulligen Look direkt ins Auge: Das Oberrohr ist weit nach unten gezogen und der Hinterbau mit seiner tief liegenden Sitzstrebe sehr flach gehalten. Auch durch seinen Dämpfer, der parallel zum Unterrohr verläuft, und dem am Unterrohr befestigten Gelenk hebt es sich optisch deutlich vom restlichen Canyon-Portfolio ab. Der Hinterbau ist aber wie bei den restlichen E-Mountainbikes des Herstellers ein Viergelenker. Da durch die Platzierung des Dämpfers kein Platz für eine Trinkflasche im Rahmendreieck ist, wurden die Entwickler und Entwicklerinnen von Canyon kreativ: Damit ihr während der Fahrt trotzdem immer ausreichend hydriert seid, ist eine speziell geformte, 650 ml große Flasche in einem Loch im Oberrohr untergebracht. Passend zur Motocross-Optik des Bikes wirkt die Flasche ein bisschen wie ein Benzintank.

Die speziell für das Torque:ON entwickelte, 650 ml große Flasche sitzt im Loch im Oberrohr.
Ob sich die Halterung wohl zweckentfremden lässt?
Der neue Torque:ON-Hinterbau ist weiterhin ein Viergelenker, hebt sich aber optisch deutlich vom restlichen Canyon-Portfolio ab.

Bei dem Motorsystem setzt Canyon – genau wie beim Spectral:ON – auf eine Mischung aus einem Shimano EP8-Motor und einer der zwei eigens entwickelten Batterien, die wahlweise 720 Wh oder 900 Wh Kapazität haben. Bikes in Größe S sind jedoch nur mit dem kleineren 720er-Akku kompatibel. Da die kleinste Größe aber auch meistens von leichteren Fahrerinnen und Fahrern bewegt wird, sollte das kein Problem sein. Das Bike hat in jedem Fall eine massive Reichweite, zumal sich der Akku leicht wechseln lässt. Das Torque:ON lässt sich allerdings nicht ohne Akku fahren, da der Bashguard auch an den Akku-Schrauben und dem Ladestecker am Akku hängt. Will man analog unterwegs sein – wenn man beispielsweise doch Liftunterstützung hat – muss man dennoch den Akkus mit sich herumfahren – oder man klebt das Motor- und Akku-Cover mit Panzertape zu ;).

Am Lenker des Torque:ON prangt das gewohnte, minimalistische Display des Shimano-Motorsystems.
Der Unterrohrschutz dient gleichzeitig als Motor- und Akku-Cover.

Die Ausstattung unseres Canyon Torque:ON CF 9 2023 im Detail

Das Canyon Torque:ON CF 9 bietet eine Ausstattung, die größtenteils zu einem Abfahrtsboliden passt. Das FOX-Factory-Fahrwerk besteht aus der 38er-Federgabel mit GRIP2-Dämpfungskartusche und einem FLOAT X2-Dämpfer. Beide sind ausgestattet mit der goldenen Kashima-Beschichtung und bieten Einstellbarkeit von Compression und Rebound im High- und Lowspeed-Bereich. Gestoppt wird das Bike von einer Shimano XT-Bremse, kombiniert mit 200-mm-Bremsscheiben an Front und Heck. Auch der 12-fach-Antrieb kommt von der Shimano XT-Serie.

Groß, breit und goldglänzend. Der FOX FLOAT X2-Dämpfer bietet euch maximale Einstellbarkeit.

Das Cockpit stammt von Canyon selbst aus der ON-Serie mit einem 40 mm langen Vorbau und einem 800 mm breiten Alu-Lenker. Größe S bekommt einen 780er-Lenker verpasst, was natürlich super sinnvoll für kleinere Fahrer und Fahrerinnen ist. Allerdings könnte man den schmaleren Lenker bereits ab Größe M montieren – so wie es beim neuen Strive:ON der Fall ist. Das Torque:ON CF 9 rollt auf SUNringlé Düroc SD Alu-Laufrädern mit MAXXIS-Reifen. Vorne ist ein ASSEGAI in weicher MaxxGrip-Gummimischung aufgezogen, hinten ein DHR II in härterer MaxxTerra-Gummimischung. An sich eine sehr gute Reifenkombi, allerdings kommen beide Reifen mit der dünnen EXO+ Karkasse, die für ein Bike dieses Kalibers eindeutig zu dünn ist. Wir raten euch, Reifen mit robusterer Karkasse wie Doubledown an Front und Heck zu verbauen. Das erhöht den Pannenschutz und verbessert gleichzeitig den Grip, da mit diesen Reifen weniger Luftdruck gefahren werden kann.

Die Lenkerbreite ist in Rahmengröße S 780 mm, in allen anderen Größen 800 mm.
Reifen mit der pannenanfälligen EXO+ Karkasse haben an einem Baller-Bike wie dem Torque:ON nichts zu suchen. Wir raten euch zum Upgrade zur robusteren Doubledown-Karkasse.

Canyon Torque:ON CF 9

7.899 €

Ausstattung

Motor Shimano EP8 85 Nm
Akku TrendPower Simplo 900 Wh
Display Shimano SC-EM 8000
Federgabel FOX 38 Factory GRIP2 180 mm
Dämpfer FOX Float X2 Factory 175 mm
Sattelstütze Canyon Iridium 170 mm
Bremsen Shimano XT 200/200 mm
Schaltung Shimano XT 1x12
Vorbau Canyon ON 40 mm
Lenker Canyon ON Alu 800 mm
Laufradsatz SUNringlé Düroc SD Alu 29"/27,5"
Reifen MAXXIS ASSEGAI, EXO+, MaxxGrip/Minion DHR II, EXO+, MaxxTerra 2,5"/2,6"

Technische Daten

Größe S M L XL
Gewicht 24,6 kg

Weitere Ausstattungsvarianten des Canyon Torque:ON CF 2023

Neben der von uns getesteten CF 9-Variante ist das Torque:ON in zwei weiteren Ausführungen erhältlich: CF 8 und CF LTD Roczen. Alle Modelle sind mit 720- oder 900-Wh-Akku erhältlich, wobei der größere Akku 400 € auf den Preis und rund 900 g auf das Gewicht draufschlägt. Dafür erhält man jedoch rund 20 % mehr Reichweite. Das CF 9-Modell mit dem großen Akku ist für 7.899 € erhältlich. Alle im Folgenden genannten Preise beziehen sich auf die Variante mit großem Akku.
Das CF 8-Modell macht den Einstieg und geht für 6.399 € über die digitale Online-Theke des Direktversenders. Es ist mit einem Fahrwerk aus der FOX Performance-Serie ausgestattet: eine 38er-Gabel mit GRIP-Dämpfungskartusche und ein FLOAT X2-Dämpfer, der Einstellung von Lowspeed-Compression und -Rebound zulässt. Schaltung und Bremsen stammen aus der Shimano SLX-Serie. Die CF-8-Variante bietet bereits eine solide Basis, die auf dem Trail niemand zurückhalten wird.
Für alle Motocross-Fans und RockShox-Fahrer gibt es dann noch die CF LTD Roczen-Version. Wie der Name bereits vermuten lässt, ist dieses Modell das Pro-Modell des Motocross-Profis und Canyon-Ambassadeurs Ken Roczen. Das Bike kostet mit großem 900-Wh-Akku 9.393 € und ist mit Top-Level RockShox Ultimate-Fahrwerk ausgestattet: Vorne arbeitet die ZEB mit Charger 3-Dämpfungskartusche, hinten ein Super Deluxe-Stahlfederdämpfer. Bremsen und Schaltung stammen mit der CODE RSC und der X01 AXS-Schaltgruppe aus dem Hause SRAM.

Die Geometrie des neuen Canyon Torque:ON 2023

Die Geometrie des Torque:ON ist fast identisch zu der des neuen Canyon Strive:ON. Beide Bikes teilen sich den gleichen Lenkwinkel und fast identische Sitzwinkel. Der Reach beträgt bei beiden Bikes 475 mm in Größe M, gepaart mit einem angenehm kurzen 420er-Sitzrohr. Das würde euch viel Bewegungsfreiheit auf dem Trail geben, allerdings hat das Torque:ON sehr lange Reach-Werte, weshalb diesbezüglich einige Langbeiner das Bike in Größe M wählen würden. Die Dropperpost mit einem Hub von 170 mm ist für Großgewachsene allerdings zu kurz, was euch wiederum etwas in eurer Bewegungsfreiheit einschränkt. Die Kettenstreben sind über alle Größen hinweg 445 mm lang. Im Gegensatz zum Strive:ON ist beim Torque:ON jedoch der Stack höher und das Tretlager niedriger.

Größe S M L XL
Oberrohr 592 mm 618,6 mm 645,6 mm 673 mm
Sattelrohr 395 mm 420 mm 435 mm 460 mm
Steuerrohr 105 mm 115 mm 125 mm 135 mm
Lenkwinkel 63,5° 63,5° 63,5° 63,5°
Sitzwinkel 77,5° 77,5° 77,5° 77,5°
BB Drop 32 mm 32 mm 32 mm 32 mm
Kettenstrebe 445 mm 445 mm 445 mm 445 mm
Radstand 1.247 mm 1.276 mm 1.306 mm 1.334 mm
Reach 450 mm 475 mm 500 mm 525 mm
Stack 639 mm 648 mm 657 mm 666 mm
Helm Giro Merrit Spherical | Brille Oakley Sutro | Shirt Canyon CLLCTV Jersey | Hose Canyon Trail Pants | Schuhe Specialized Cliplite 2FO | Handschuhe SQlab ONE11 | Protektor POC VPD System Torso

Die Ruhe selbst – Das Canyon Torque:ON CF 9 2023 auf dem Trail

Schwingt man sich auf den Sattel des Torque:ON CF 9, sitzt man aufrecht und entspannt, ohne dass Druck auf den Händen lastet. Sobald man in die Pedale tritt, liefert das Bike ein geräumiges Gefühl und eignet sich durch die komfortable Sitzposition gut für lange Tage als Shuttle-Ersatz. Werden die Aufstiege steiler und technischer, steigt die Front jedoch recht leicht und durch das niedrige Tretlager muss man sich zudem vor Pedalaufsetzern in Acht nehmen. Im Vergleich zum Strive:ON ist das Torque:ON ein deutlich schwächerer Tech-Climber, zumal der Shimano EP8-Motor nicht so kraftvoll anschiebt wie der Bosch CX-Motor.

Das Torque:ON ist bergauf eher für schnelle Laps …
… als für technische Anstiege gemacht.

Geht es bergab, steht man durch das tiefe Tretlager und die hohe Front gut integriert im Bike, was einem bereits auf den ersten Metern ein hohes Sicherheitsgefühl vermittelt. Auf flachen, flowigen Trails fühlt sich das Torque:ON unterfordert an und bietet ein softes, etwas träges Fahrgefühl – kein Wunder, bei 180 mm Federweg. Der Fahrerinput verpufft im Fahrwerk und an kleinen Kanten abzuziehen oder verspielte Lines zu fahren, benötigt viel Körpereinsatz. Auch beim Pushen über Wellen lässt sich somit nicht viel Schwung generieren. Das progressive Fahrwerk bietet dafür massig Reserven und man landet Sprünge wie auf einem Wattebausch. Auch wenn man die Landung etwas überschießt oder auf einem Stein oder einer Wurzel landet – kein Problem mit dem Torque:ON. Das Bike lässt sich nur schwer aus der Ruhe bringen. So fühlt es sich auch pudelwohl, sobald der Trail steiler und vor allem rougher wird. Das Torque:ON bietet hohe Laufruhe und ermutigt einen, die Bremsen noch ein paar Sekunden länger offen zu halten. Durch das kleine Hinterrad ist es jedoch trotzdem recht wendig in engen Passagen.

Für wen ist das neue Canyon Torque:ON CF 9 2023?

Das Torque:ON CF 9 ist die richtige Wahl für alle, die ein Bike mit hoher Reichweite und massig Reserven suchen. Es ist ein guter Shuttle-Ersatz für Bikeparks ohne Uplift oder roughe High-Speed-Trails. Es vermittelt viel Sicherheit, braucht allerdings auch ein gewisses Maß an Trails, um richtig aufzublühen. Während das neue Strive:ON eher ein Bike ist, das viel Feedback und Gegenhalt bietet und den Fahrer dazu auffordert, saubere Linien zu fahren, ist das Torque:ON ein Baller-Bike, mit dem man am liebsten straightline über alles drüber heizt.

Bulliger Look? Check. Massive Reichweite? Check. Massig Reserven? Check. Das CanyonTorque:ON CF 9 ist ein Baller-Bike, das mit seinem Motor einen Shuttle-Ersatz darstellt. Auch wenn es mit dem langhubigen Fahrwerk auf flachen Flowtrails unterfordert ist, lässt es sich in engen Passagen dennoch recht agil steuern. Durch die hohe Front und das niedrige Tretlager ist es auch nicht der stärkste technische Kletterer, aber in der Abfahrt kommt ihm das zugute: Das CanyonTorque:ON CF vermittelt viel Sicherheit und schürt euer Selbstvertrauen.

Tops

  • große Reichweite für lange Tage
  • hohes Sicherheitsempfinden
  • recht agiles Handling bei hoher Laufruhe

Flops

  • kein sehr starker Tech-Kletterer
  • auf einfachen Trails unterfordert

Alle weiteren Informationen findet ihr auf der Hersteller-Website.


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Words: Simon Kohler Photos: Roo Fowler

Über den Autor

Simon Kohler

Simon liebt Geschwindigkeit. Als Downhill Skater ist er lange Zeit Rennen gefahren und mit seinem Longboard Alpenpässe runtergeknallt. Inzwischen hat er vier gegen zwei Reifen eingetauscht und heizt jetzt mit seinem Mountainbike auf Trails und Bikepark Lines. Bei verschiedensten Roadtrips durch die Alpen hat er seither einige der feinsten Trails Europas ausgekostet. Da er einige Zeit in Österreich gelebt hat, kennt er zudem die lokalen Bikeparks wie seine Westentasche. Durch sein Ingenieurstudium und seine Liebe zum Detail ist er ein echter Technik-Nerd und testet jetzt als Redakteur die aktuellsten Bikes und Parts auf Herz und Nieren. Als Frühaufsteher und selbsterklärter Müsli-Connaisseur lebt er sein Leben frei nach dem Motto „Powered by Oats. And also Legs.“