Der Koblenzer Direktversender hat sich Zeit gelassen: Während viele Firmen seit Jahren E-Mountainbikes im Portfolio haben, mussten wir auf das Canyon Spectral:ON lange warten. Hat sich das gelohnt? Wir haben das günstige Canyon Spectral:ON 6.0 getestet.

Canyon Spectral:ON 6.0 | 22,32 kg | 3.799 €

Canyon ist seit einigen Jahren nicht nur für sein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern auch für seine innovativen Konzepte und eine sehr durchdachte Designsprache bekannt. Kein Wunder, dass die Erwartungen an das erste E-Mountainbike aus Koblenz sehr hoch waren. Und kein Wunder, dass einige dadurch beim ersten Blick auf das neue Bike enttäuscht waren. Der Shimano-Akku mit 500 Wh ist lediglich semi-integriert, die Schweißnähte sind sehr mächtig und große Innovationen sieht man erst mal nicht. Doch wie viele Gedanken sich das Team von Canyon beim neuen Spectral:ON gemacht hat, wird schon bei der Lieferung des Bikes klar. Statt in einem gewöhnlichen Bike-Karton liefern die Koblenzer das Rad im speziell entwickelten, robusten Bikeguard-Karton. In ihm ist es nicht nur perfekt geschützt, aus ihm kann man es auch ganz einfach he­r­aus­rol­len, ohne es nach oben herauswuchten zu müssen.Top, denn so droht nicht schon vor der Tour ein Bandscheibenvorfall.

Hat man das Spectral:ON einmal aus dem Karton befreit, entdeckt man nach und nach die ersten Besonderheiten. Ein Flaschenhalter im Rahmendreieck mit externem Akku? Bisher eine Seltenheit. Zwei verschiedene Laufradgrößen an Front und Heck? Alles andere als die Regel. Einen speziell fürs E-Mountainbike entwickelten Sattel? Haben wir von anderen Herstellern bis dato noch nicht gesehen.

Das Canyon Spectral:ON 6.0 im Detail

Die Ausstattung des mit 3.799 € günstigen Bikes ist zwar nicht Highend, aber größtenteils sehr durchdacht und funktional. Die Schaltung besteht aus einem Mix von Shimano XT- und SLX-Komponenten mit großer 11–46-Kassette. Die MAGURA MT Trail-Bremse verfügt über große 200-mm-Bremsscheiben und die DT Swiss H1900 SPLINE-Laufräder sind speziell für die hohen Belastungen am E-Mountainbike konzipiert. Einzig der Schwalbe Nobby Nic-Hinterreifen in der günstigen Performance-Variante mit dünner Snake-Skin-Karkasse sorgt schon im Stand für hochgezogene Augenbrauen.

Gabel RockShox Yari RC 150 mm
Dämpfer RockShox Deluxe R 140 mm
Schaltung Shimano Deore XT
Motor Shimano Steps E8000
Akku Shimano 500 Wh
Bremsen Magura MT Trail Sport 203/203 mm
Lenker Race Face Aeffect R 760 mm
Vorbau Race Face Aeffect R 60 mm
Sattelstütze Kind Shock Lev Si 150 mm
Reifen Schwalbe Nobby Nic 2,6″/2,35″
Laufräder DT Swiss H1900 Spline 27,5″+/29″

Am Limit
Die MAGURA MT Trail setzt auf lediglich zwei Kolben am Hinterrad. Die Bremsleistung war okay, doch auf langen Abfahrten hätten wir uns trotz der 200-mm-Bremsscheibe eine Vierkolben-Version wie am Vorderrad gewünscht.
Speziell
Der eigens entwickelte Sattel wirkt zu Beginn ungewohnt, im Verlauf des Tests haben wir ihn aber sehr zu schätzen gelernt. Gerade bergauf bietet er sehr guten Support und entlastet den Rücken.
Überfordert
Der dünnwandige Schwalbe Nobby Nic in günstiger Performance-Variante wurde dem Rad überhaupt nicht gerecht. Wir empfehlen hier direkt ein Upgrade auf eine mit Apex verstärkte Version. Canyon wird diese Variante in Zukunft auch serienmäßig verbauen.
Praktisch
Trotz externem Akku kann im Rahmendreieck des Spectral ein Flaschenhalter montiert werden. Das passende Modell kann man online direkt zum Bike dazu bestellen.

Die Geometrie des Canyon Spectral:ON 6.0

Canyon bietet das Spectral:ON in fünf Größen an, wodurch jeder Fahrer ein Rad in passender Größe finden sollte. Wir entschieden uns bei 180 cm Körpergröße für die L-Variante.

Größe XS S M L XL
Oberrohr 582 mm 597 mm 616 mm 638 mm 660 mm
Sitzrohr 420 mm 430 mm 440 mm 480 mm 520 mm
Lenkwinkel 66/66,6° 66,8/67,6° 66,8/67,6° 66,8/67,6° 66,8/67,6°
Sitzwinkel 73,3/74,1° 73,8/74,6° 73,8/74,6° 73,8/74,6° 73,8/74,6°
Kettenstrebe 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm
BB Drop 33/24 mm 33/24 mm 33/24 mm 33/24 mm 33/24 mm
Radstand 1151/1149 mm 1161/1159 mm 1183/1181 mm 1208/1206 mm 1233/1231 mm
Reach 405 mm 425 mm 445 mm 465 mm 485 mm
Stack 605 mm 618 mm 622 mm 634 mm 644 mm

Das Canyon Spectral:ON 6.0 auf dem Trail

Die Sitzposition ist auch in der flachen Geometrie-Einstellung angenehm zentral. Der Canyon SD:ON-Sattel schiebt einen mit seiner ausgeprägten Stufe förmlich nach vorn. Der Shimano STEPS E8000-Antrieb arbeitet seit dem letzten Software-Update noch gefühlvoller und fadet an der 25-km/h-Grenze kaum spürbar aus – perfekt. Im progressiven Trailmode lässt er sich bergauf außerdem sehr gut dosieren. Trotz der eher kurzen Kettenstreben klettert das Spectral:ON sehr willig selbst technische Uphills hinauf. Nur wenn es richtig steil wird, muss man bewusst mehr Gewicht in Richtung Lenker verlagern. Einen Verstellhebel zum Verhärten des Dämpfers sucht man vergeblich, wir haben ihn aber auch nicht vermisst. Der Hinterbau sackt weder unangenehm weg, noch wippt das Rad stark.

Big Smile! Fahrspaß liefert das Spectral:ON serienmäßig!

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Trotz der guten Uphill-Eigenschaften schlägt die wahre Stunde des Canyon Spectral:ON in der Abfahrt. Hier brilliert das Rad mit einem sehr agilen, direkten und verspielten Handling. An Kanten lässt sich das Vorderrad ohne großen Aufwand anheben und auch Manuals sind mit etwas Übung kein Problem. Richtungswechsel erledigt das Canyon sehr willig und ohne großen Kraftaufwand. Je schneller es von links nach rechts geht, umso größer wird das Grinsen. Auch wenn der Vorbau mit einer Länge 60 mm eher lang ausfällt, hatten wir in steilem Gelände bergab nie den Eindruck, zu sehr über das Vorderrad gezogen zu werden. Im Gegenteil: Als Fahrer steht man angenehm integriert im Rad, wodurch man sehr sicher fährt.

Ultra nervig: Platte Reifen braucht kein Mensch!

Der Hinterbau mit 150 mm Federweg spricht feinfühlig an und vermittelt gleichzeitig gutes Feedback. Die RockShox Yari liefert eine sehr solide Performance. Sie kann zwar nicht mit den besten Federgabeln am Markt mithalten, ist aber dennoch angenehm feinfühlig und arbeitet angenehm definiert, sobald man die Druckstufendämpfung leicht schließt. Speziell für den günstigen Preis des Spectral:ON 6.0 geht sie absolut in Ordnung. Kritik gibt es nur für die pannenanfälligen Schwalbe-Reifen. Sowohl der Magic Mary in Front als auch der Nobby Nic am Heck verfügen nur über eine dünne Snake-Skin-Karkasse und waren in unserem Test mehrfach platt. Erst ein Wechsel auf robustere Reifen sorgte für stressfreie Touren. Canyon hat auf Nachfrage aber bereits angekündigt, hier in den nächsten Wochen einen Running-Change durchzuführen und die Reifen gegen robustere Modelle zu ersetzen.

Fazit

Das Canyon Spectral:ON 6.0 beweist: Mehr Geld muss man nicht ausgeben, um ein top E-Mountainbike mit hervorragendem Handling und durchdachter Ausstattung zu erhalten. Das Bike schafft einen sehr guten Spagat zwischen Agilität und Laufruhe und leistet sich einzig bei den unterdimensionierten Reifen eine kleine Schwäche.

Stärken

– wendig und laufruhig zugleich
– top Preis-Leistung
– innovative Features wie Sattel und Flaschenhalter

Schwächen

– Reifen unterdimensioniert
– optisch kein Highlight


Mehr Infos findet ihr unter: canyon.com


Dieser Artikel ist aus E-MOUNTAINBIKE Ausgabe #014

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Words: Photos: Andreas Maschke, Christoph Bayer