Cannondale präsentiert mit dem Topstone Carbon Neo Lefty 1 sein erstes motorisiertes Gravel-Bike. Neben dem Bosch Performance Line CX-Motor sind auch Federgabel, 650B-Laufräder und der 1×12-fach-Antrieb alles andere als gewöhnlich. Geht das Konzept auf oder haben die Mountainbike-Features am Gravel-Bike nichts verloren?

Cannondale Topstone Carbon Neo Lefty 1 | 17,28 kg in Größe M | 8.999 € | Hersteller-Website

Zeitgleich mit dem neuen Cannondale Topstone Carbon, das wir ebenfalls getestet haben, ist das neue Topstone Carbon Neo Lefty erhältlich – mit Sicherheit kein 08/15-Gravel-Bike! Mountainbike-Features wie die 650B-Laufräder, die Federelemente sowie der 1×12-fach-Antrieb mit großer 10–50T-Kassette vereint Cannondale mit dem Bosch Performance Line CX-Motor eines E-Bikes und dem Dropbar-Rahmen eines Gravel-Bikes. Das Versprechen: das Maximum an Gravel-Fahrspaß! Die Lefty Oliver-Federgabel soll das Neo Lefty in Kombination mit großer Reifenfreiheit und dem Bosch-Motor zu einer leistungsfähigen, sicheren und komfortablen Spaß-Maschine machen. Das Cannondale Topstone gibt auch beim Bikepacking eine gute Figur ab. Ihr wollt alles über Bikepacking und Bikes, Equipment, Tourenplanung und Übernachtung wissen? Dann klickt hier für unseren ausführlichen Bikepacking-Crashkurs.

Auf der Flucht vor dem neuen Cannondale Topstone Carbon Lefty 1 (zum Test)

Nach den beiden E-Rennrädern Cannondale Synapse NEO SE (zum Test) und dem Cannondale SuperSix EVO NEO (zum Test) haben wir bereits das dritte motorisierte E-Bike des US-amerikanischen Fahrradherstellers bei uns zum Test. Mit 30 mm Federweg vorne durch die Lefty Oliver und hinten durch das KingPin-System möchte das Gravel-Bike jedoch gerade fernab von asphaltiertem Untergrund punkten und gefahren werden. Herzstück des KingPin-Systems sind die Sitzstreben, die per Gelenk mit dem Sitzrohr verbunden sind. Die Sitz- und Kettenstreben sollen so konstruiert sein, dass als Ergebnis bis zu 30 mm Federweg zur Verfügung stehen. Die neue Lefty-Federgabel (1.340 g in der Carbon-Version, 1.610 g in der Alu-Version) soll den Fahrer mit neuer Dämpfungsabstimmung noch komfortabler über Trails gleiten lassen und erlaubt dank austauschbarer Volumenspacer eine individuelle Anpassung. Dank großzügiger Reifenfreiheit (700 x 45C oder 650 x 48B) könnt ihr zumindest vorne auch ohne Probleme zu den breitesten Reifen auf dem Markt greifen, hinten ist bei 700 x 40C bzw. 650 x 48B offiziell Schluss.

1×12-fach-Antrieb mit großer 10–50T-Kassette
Mountainbike-Feeling: 30 mm Lefty-Federweg …
… plus 30 mm KingPin-Federweg

Cannondale verspricht für jede Rahmengröße den gleichen Komfort und das gleiche Fahrgefühl, was durch einzeln abgestimmte Federung und angepasste Carbon-Layups sowie Rohrdurchmesser erreicht werden soll. Das Gravel-Bike ist für hydraulische 27,2 mm-Sattelstützen mit innenverlegter Leitung gewappnet und auch Schutzbleche können montiert werden. Die Schutzblechstrebe zwischen den Sitzstreben kann einfach abgenommen werden, wenn man sie nicht braucht. Bei unserem Test-Bike in Größe M finden im Hauptrahmen zwei Trinkflaschen Platz.

Für die Schutzblechmontage kann an den Sitzstreben eine Strebe angeschraubt werden
Für den Ausbau des Vorderrads muss erst der Bremssattel demontiert werden – das ist mit dem Hebel zum Glück in Sekunden erledigt

Das Topstone kommt in einer hübschen schwarz-emerald-grünen Lackierung daher und wirkt dank sauberer Zugverlegung und interner Sattelklemmung sehr aufgeräumt, auch der 500-Wh-Akku ist komplett ins Unterrohr integriert. Das Kabel des Rücklichts wandert unsichtbar unterhalb des Sattels in die Sattelstütze, einzig der externe Speichenmagnet am Hinterrad stört den Look – und hat an einem 2021er Rad für 9.000 € eigentlich nichts mehr zu suchen. Das Bosch Kiox-Display glänzt zwar mit einer tollen Übersichtlichkeit und kann Tracks aufzeichnen und per Bluetooth an euer Smartphone schicken, hat aber keinerlei Navigations-Features und kann den GPS-Computer, der normalerweise an der zentralen Position vor dem Vorbau montiert ist, nicht gänzlich ersetzen. Praktisch ist hingegen der im Bosch-System integrierte Wattmesser, der in Echtzeit Auskunft darüber gibt, wie viel Leistung der Fahrer auf die Pedale bringt. Optisch wenig ansprechend muss der GPS-Computer dann entweder auf dem Vorbau oder neben dem Kiox-Display montiert werden. Wer dann auch noch ein Frontlicht für seine Touren benötigt – im Gegensatz zum Supernova-Rücklicht ist das nämlich nicht montiert – bekommt am Cockpit langsam, aber sicher Platzprobleme. Die Steuerung des Motors und das Blättern durch die unterschiedlichen Display-Informationen erfolgt über eine Fernbedienung auf der linken Seite des Lenkers, die zwar nur in Oberlenker-Position bedient werden kann, mit ihrer Ergonomie aber überzeugt.

Das Bosch Kiox-Display nimmt den Standardplatz eures GPS-Computers ein
Die Bedienung der Remote ist nur in Oberlenker-Position möglich
Einen Speichenmagneten möchten wir an einem 9.000-€-Bike im Jahr 2020 eigentlich nicht mehr sehen müssen
Das Hinterlicht-Kabel ist sauber in die Sattelstütze integriert

In welchen Versionen ist das Cannondale Topstone Neo erhältlich?

Das neue Topstone Neo E-Gravel-Bike ist in insgesamt vier Versionen und ausschließlich mit KingPin-Carbon-Rahmen erhältlich. Unser Test-Bike, das Carbon 1 Lefty, und das Carbon 3 Lefty sind für den Offroad-Einsatz ausgelegt und mit Lefty-Federgabel, breiten Reifen mit 650B x 42B und 1-fach-Schaltgruppe ausgestattet. Die Carbon 2- und Carbon 4-Versionen werden je mit Carbon-Gabel und 2-fach-Schaltgruppen angeboten. Ungewöhnlich für ein Gravel-Bike: Die Laufräder sind per Boost-Steckachsen mit 12 x 110 mm (bzw. Lefty 50-Nabe) vorne und mit 12 x 148 mm hinten verschraubt.

Modell Carbon Neo Lefty 1 Carbon Neo Lefty 3 Carbon Neo 2 Carbon Neo 4
Preis 8.999 € 5.799 € 6.299 € 4.499 €
Motor Bosch Performance Line CX Bosch Performance Line CX Bosch Performance Line CX Bosch Performance Line CX
Akku Bosch PowerTube 500 Wh Bosch PowerTube 500 Wh Bosch PowerTube 500 Wh Bosch PowerTube 500 Wh
Display Bosch Kiox Bosch Purion Bosch Kiox Bosch Purion
Gabel Lefty Oliver Lefty Oliver Carbon-Starrgabel Carbon-Starrgabel
Reifen WTB Resolute 650 x 42B WTB Resolute 650 x 42B WTB Riddler 700 x 37C WTB Riddler 700 x 37C
Schaltgruppe Force eTap AXS HRD 1 x 12 GRX 600 1 x 11 GRX 800 2 x 11 GRX 400 2 x 10
Kurbelübersetzung 44T 44T 46/30T 46/30T
Kassettenübersetzung 10–50T 11–42T 11–34T 11–34T

Ausstattung unseres Test-Bikes

Schaltgruppe SRAM Force eTap AXS mit X01 Eagle AXS-Schaltwerk, 1 x 12, 42T*
Kassette SRAM XG-1275 Eagle, 10–50T
Motor Bosch Performance Line CX, 75 Nm
Akku Bosch PowerTube, 500 Wh
Display Bosch Kiox
Unterstützungs-Modi ECO (40 Nm), TOUR (50 Nm), SPORT (75 Nm), TURBO (75 Nm)
Bremsen SRAM Force AXS, 180/160 mm
Laufräder WTB ST i25 TCS-Felgen, Formula-Naben
Reifen WTB Resolute 650 x 42B
Sattelstütze Promax SP-9032, 20 mm Versatz
Lenker Cannondale 3, 400 mm
Vorbau Cannondale, 90 mm
Gewicht 17,28 kg in Größe M
Preis 8.999 €
Verfügbarkeit ab sofort

Die Geometrie des Cannondale Topstone Carbon Neo Lefty 1

Größe S M L XL
Sattelrohr 410 mm 440 mm 500 mm 550 mm
Oberrohr 534 mm 552 mm 569 mm 586 mm
Steuerrohr 127 mm 158 mm 195 mm 229 mm
Lenkwinkel 71° 71° 71° 71°
Sitzwinkel 74° 74° 74° 74°
Kettenstrebe 420 mm 420 mm 420 mm 420 mm
BB Drop 64 mm 61 mm 61 mm 59 mm
Radstand 1.018 mm 1.038 mm 1.057 mm 1.076 mm
Reach 377 mm 387 mm 394 mm 402 mm
Stack 549 mm 575 mm 610 mm 640 mm

Das Cannondale Topstone Carbon Neo Lefty 1 im ersten Test

Das Maximum an Gravel will das Topstone Carbon Neo sein. Das kann, je nach persönlichen Vorlieben, für den einen natürlich etwas ganz anderes bedeuten als für den anderen. Während der sportliche Typ auf der Jagd nach persönlichen Bestzeiten und Strava-KOMs wenig Freude mit dem E-Topstone haben wird, ist das Bike für weniger trainierte bzw. ambitionierte Fahrer eventuell genau das gewünschte Maximum an Gravel! Die Reichweite einer Ausfahrt wird plötzlich verdoppelt oder verdreifacht, die Fahrt ins Büro trotz steiler Anstiege auf einmal schweißfrei absolviert oder der Ride mit dem durchtrainierten Kumpel endlich für beide Seiten befriedigend gestaltet.

Das Herzstück des Bikes, der Bosch Performance Line CX-Antrieb, ist ein sehr kraftvoller Motor und fürs Gravel-Bike eine sinnvolle Wahl. Die Unterstützungsstufen sind sinnvoll abgestimmt und gerade der ECO-Modus dürfte für viele die optimale Stufe sein, um schnell unterwegs zu sein und sich trotzdem noch zu verausgaben. Der TURBO-Modus ist fürs Graveln fast schon zu stark. Wenn man sich aber mal verschätzt hat und die Beine leer sind, ist die Heimfahrt im TURBO-Modus fast ohne Anstrengung zu bewältigen. Gewünscht hätten wir uns den E-MTB-Modus, den euch jeder Händler am Bike einrichten kann. Der Modus ist deutlich progressiver und regelt die Unterstützung je nach Intensität. Für steile und rutschige Gravel-Anstiege, bei denen das Hinterrad durchzudrehen droht, ist so ein Modus Gold wert, da er sich an der vom Fahrer erbrachten Leistung orientiert und die Leistungslöcher im Gegensatz zu eher linearen Modi eben nicht glattbügelt. Wir wissen, dass das Thema Reichweite viel diskutiert wird. Dazu lässt sich aber keine verlässliche Aussage treffen, da die Reichweite von diversen Faktoren wie der Fahrweise, dem Fahrergewicht und den gefahrenen Kilometern oberhalb der 25-km/h-Grenze abhängt. Mehr dazu lest ihr im Artikel unseres Schwestermagazins E-MOUNTAINBIKE „Die Wahrheit über Labortests“.

Die Beschleunigung des Topstone Carbon Neo ist wie erwartet hervorragend und ihr seid innerhalb von Sekunden bei 25 km/h angekommen. Hier geht dann der Grenzbereich los, in dem die Unterstützung nachlässt und zwischen 27 und 27,3 km/h ganz aufhört. Genau dieser für einen Fahrradmotor knifflige Bereich ist beim Bosch Performance Line CX sehr gut gelöst und ihr fallt nicht plötzlich in ein unterstützungsfreies Loch. Die Übergänge sind fließend und auch das Wiedereinsetzen ist abgesehen vom kräftigen TURBO-Modus sehr harmonisch.

Die Geräuschkulisse ist anfangs natürlich ungewohnt, das stetige Surren des Motors hört man in den großvolumigen Carbon-Rohrsätzen des Topstone Carbon Neo schon deutlich. Nach kurzer Eingewöhnung ist das E-Bike-typische Geräusch aber so normal wie das Surren des Freilaufs und man nimmt es kaum mehr wahr. Wenn ihr viel im Flachen oder auf asphaltierten Straßen unterwegs seid, ist es gut zu wissen, dass das Bike auch bei höheren Geschwindigkeiten ohne Motorunterstützung super rollt und den Speed gut hält – auch dank der montierten WTB Resolute-Pneus in 650 x 42B, die bereits in unserem Gravel-Reifen-Vergleichstest (zum Test) mit sehr geringem Rollwiderstand geglänzt haben. Auch der Bosch-Motor gibt sich hier fahrerfreundlich und weist in der neuen Modellreihe fast keinerlei internen Widerstand auf.

Sobald das Topstone Carbon Neo unbefestigte Wege unter sich spürt, geht die Fahrt so richtig los. Gerade bei hohen Geschwindigkeiten liegt das Cannondale im Vergleich zu einem leichteren Gravel-Bike ohne Motor satt auf dem Trail und vermittelt viel Ruhe und Sicherheit. Unebenheiten werden von dem eingespielten KingPin-Lefty-Duo effektiv ausgebügelt und auch Wurzelteppiche verlieren plötzlichen ihren Schrecken. Die Lefty-Gabel kann man gut auf das jeweilige Fahrergewicht einstellen und sie ist auch im offenen Modus straff genug, um nicht zu viel Energie durch stetiges Ein- und Austauchen zu verschwenden. Für Antritte im Wiegetritt sollte sie aber doch blockiert werden, was durch einen großen und leicht bedienbaren Schalter auf der linken Seite der Gabelbrücke erfolgt. Das Bike ist trotz seines Gewichts von ca. 17 kg überraschend agil und lässt sich spielerisch durch Kurven drücken.

Helm Oakley ARO3 | Brille 100% Speedcraft | Jersey POC Resistance Ultra Tee | Shorts POC Resistance Ultra Shorts | Socken VOID Socks 16 | Schuhe Giro Empire VR90

Auffällig war, dass wir mit dem Topstone Carbon Neo relativ viele Pedalaufsetzer hatten. Auf unserer Hausrunde gab es hier Bodenkontakt an Stellen, die normalerweise keine Probleme bereiten – mit einem E-Bike pedaliert man aber auch an Stellen, an denen normalerweise Ruhe am Pedal herrscht. Dazu kommt, dass das Herausbeschleunigen aus Kurven mit dem Extra-Wumms des Motors super spaßig ist, man aber oft noch zu viel Schräglage hat, um das Pedal auf der Kurveninnenseite runtertreten zu können.

Unser Fazit zum Cannondale Topstone Carbon Neo Lefty 1

Das Topstone Carbon Neo ist eine kraftvolle Spaßmaschine und zeigt sowohl auf der Straße als auch auf dem Trail, dass es universell einsetzbar ist. Klar, für sportliche Fahrer, die mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h über Feld- und Waldwege preschen, macht das Bike keinen Sinn. Wer jedoch etwas weniger sportlich graveln will oder einfach seine Reichweite erhöhen und mit den Mitfahrenden mithalten möchte, für den ist das Topstone Carbon Neo Lefty 1 eine tolle Wahl!

Tops

  • super kraftvoller Bosch-Motor
  • sinnvoll abgestimmte Unterstützungsstufen
  • viel Komfort in der Front und am Heck
  • Sicherheit bei hohen Geschwindigkeiten

Flops

  • veralteter Speichenmagnet
  • Kiox-Display nimmt Platz von GPS-Gerät vor dem Vorbau weg
  • Remote-Bedienung nur in Oberlenker-Position möglich
Wer die Wahl hat, hat die Qual. Topstone Carbon oder Topstone Carbon Neo?

Mehr Informationen zum Cannondale Topstone Neo Carbon Lefty 1 erhaltet ihr unter cannondale.com

Ihr wollt wissen, wie sich andere Gravel-Bikes im Test schlagen? Unseren großen Gravel-Bike-Vergleichstest findet ihr hier und eine Übersicht über alle von uns getesteten Bikes gibt es hier.


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als GRAN FONDO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die New-Road-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text: Fotos: Max Schmitt, Benjamin Topf, Philipp Schwab