ABS und Trail-Performance? Bosch hat mit dem neuen eBike ABS Pro ein ambitioniertes Ziel: mehr Sicherheit und Performance auf dem Trail. Schnelleres Regelverhalten und optimierte Bremsdruckmodulation richtet sich vor allem an erfahrene Fahrer. Wir haben das System in den Dolomiten für euch ans Limit gebracht. Wie es sich geschlagen hat, erfahrt ihr im Test!
Bereits 2018 brachte Bosch das erste ABS für Pedelecs auf den Markt – ein Meilenstein für die Sicherheit im E-Bike-Bereich. Im Jahr 2022 legte Bosch mit einem neuen ABS-System nach, das schnell an vielen Trekking- und Touren-Bikes wie dem BULLS SONIC EVO AM3 ABS oder dem Riese & Müller Delite 4 GT Touring zu finden war. Doch obwohl das System mehr Kontrolle beim Verzögern bot und neue Maßstäbe in Sachen Sicherheit setzte, waren ambitionierte E-Mountainbiker nicht überzeugt: Die weniger sportliche Ausrichtung und die 2- bzw. 3-Finger-Bremshebel waren nicht das, was man sich in Extremsituationen wünscht. Bosch hat nun reagiert:
Mit der Erfahrung aus dem E-MTB-Racing wurde das eBike ABS Pro entwickelt, das speziell für den Rennsport und den harten Einsatz auf Trails konzipiert wurde, jedoch auch Tourenfahrern verbesserte Kontrolle und Sicherheit bieten soll. Bosch verspricht ein präziseres Ansprechverhalten, optimierte Bremsmodulation und die Möglichkeit, in kritischen Momenten wertvolle Sekunden zu gewinnen. Doch kann das System wirklich halten, was es verspricht? Wir haben es für euch getestet und herausgefunden, ob das Bosch eBike ABS Pro das Zeug hat, euch zum Sieg zu bremsen.
Das neue Bosch eBike ABS Pro im Detail
Das Bosch eBike ABS Pro ist mit zwei verschiedenen Bremssystemen kompatibel, die beide im großen Bremsen-Vergleichstest unseres Schwestermagazins ENDURO ausführlich getestet wurden: MAGURA MT7 und TRP DH-R EVO.
Die MAGURA MT7 setzt auf einen 1-Finger-Bremshebel, der nicht nur ergonomisch geformt ist, sondern sich auch individuell anpassen lässt – ein klarer Fortschritt gegenüber den früheren 2- und 3-Finger-Bremshebeln der MAGURA MT C ABS, die beim alten ABS zum Einsatz kamen. Die Griffweitenverstellung ist zwar nur mit Werkzeug vornehmbar, ermöglicht aber eine präzise Anpassung der Hebelposition.
Die TRP DH-R EVO ist ebenfalls eine Vierkolbenbremse, allerdings mit einem etwas längeren 1-Finger-Bremshebel. Hier ist die Griffweitenverstellung werkzeuglos möglich, was eine noch einfachere Anpassung erlaubt. Bei beiden Bremsen lässt sich der Druckpunkt jedoch nicht individuell einstellen.
Wichtig zu wissen: Das Brems-Feeling wird von den Bremssystemen bestimmt, nicht vom ABS. Nachrüstbar für andere Bremsen ist das Bosch eBike ABS Pro laut Hersteller nicht und nur für E-MTBs mit dem Smart System verfügbar.
Unser Testbike ist mit der MAGURA MT7 ausgestattet, die vorne wie hinten auf 200 mm große Bremsscheiben zugreift. An den Bremsscheiben sind jeweils 56-fach geschlitzte Sensorräder (Tonewheels) befestigt – eine Verbesserung gegenüber den 50-fach geschlitzten Rädern des bisherigen ABS-Systems. Diese Erhöhung der Schlitzzahl ermöglicht eine deutlich präzisere Erfassung der Raddrehgeschwindigkeit. Beim neuen ABS Pro kann das System dadurch schneller und genauer auf Bremsvorgänge reagieren. Das Resultat ist ein feiner abgestimmtes Eingreifen des ABS, besonders bei plötzlichen Änderungen der Bodenhaftung. Der ABS-Mechanismus selbst sitzt dezent in einem kleinen Kasten am linken Tauchrohr der Federgabel. Hier laufen nicht nur die Bremsleitungen der Vorderradbremse zusammen, sondern auch die elektrischen Anschlüsse der Sensoren von Vorder- und Hinterrad. Der Strom für das ABS-System wird direkt aus dem Haupt-Akku des E-MTBs bezogen. Wichtig: Das Hinterrad wird nicht durch das ABS geregelt, sondern dient ausschließlich der Geschwindigkeitserfassung.
Die Top 3 Änderungen – Was hat sich am neuen Bosch eBike ABS Pro geändert?
- Schnelleres ABS-Regelverhalten: Das ABS reagiert jetzt noch schneller, um das Blockieren der Räder zu verhindern. Das soll für eine präzisere und sicherere Bremsleistung sorgen, besonders bei hohem Tempo auf anspruchsvollen Trails.
- Optimierte Bremsdruck-Modulation: Die Bremskraft wird nun feiner und genauer dosiert, dank der Erhöhung der Schlitzzahl in den Sensorrädern. Das bedeutet, dass die Bremse besser auf verschiedene Untergründe wie Schotter oder loses Geröll reagieren kann.
- Präzises Eingreifen in der ersten Bremsphase: Das ABS Pro greift besonders in der Anfangsphase des Bremsvorgangs ein, abhängig vom Fahrerinput und dem vorhandenen Grip auf dem Untergrund, was vor allem initiales Verbremsen minimieren soll.
Das neue ABS Pro kommt gleichzeitig mit zwei neuen Einstellmodi: Trail Pro für ambitionierte Fahrer und den Race-Modus für Enduro-Racer.
Trail Pro-Modus:
Der Trail Pro-Modus ist für technische Trails optimiert, bei denen es auf Kontrolle und Stabilität ankommt. Der Fokus liegt hier darauf, dass das Hinterrad beim Bremsen stabil bleibt und nicht abhebt. Das ABS greift stärker ein, um ein Abheben des Hinterrads zu verhindern – was besonders bei steilen oder losen Untergründen wichtig ist.
Race-Modus:
Der Race-Modus ist auf maximalen Speed und aggressive Bremsmanöver ausgelegt. Hier wird die Hinterrad-Abheberegelung deaktiviert, was bedeutet, dass der Fahrer das Hinterrad gewollt anheben kann, um enge Kurvenmanöver (z. B. Spitzkehren) zu fahren. Das ABS greift später und schwächer ein als im Trail Pro-Modus, was eine stärkere Anpassung an den Untergrund ermöglicht. Der Modus ist für erfahrene Fahrer gedacht, die sich mehr Flexibilität und aggressivere Bremsleistung wünschen.
Wer das ABS-System ausschalten will, kann dies ganz einfach über die eBike Flow App oder das Setting-Menü im Display tun. Auf den Displays Kiox 300, Kiox 500, Purion 200 und Purion 400 werden neben dem ausgewählten ABS-Modus auch Informationen wie Bremsweg und -dauer sowie die Anzahl der Bremsungen mit ABS-Einsatz angezeigt. Nach der Abfahrt lässt sich das eigene Bremsverhalten in der eBike Flow App analysieren und der Anteil der Bremsungen mit und ohne ABS Pro vergleichen. Nur auf dem neuen Purion 400 sind Bremsweg sowie Bremsdauer aktuell nicht verfügbar.
Bosch eBike ABS Pro im Test: Wie schlägt sich das ABS Pro auf dem Trail?
Wir haben das Bosch eBike ABS Pro für euch in den Dolomiten getestet, dabei jede Menge Tiefenmeter gesammelt und unsere gewohnte Bremsweise beibehalten, um herauszufinden, wie es sich in verschiedensten Situationen bewährt. Besonders eindrucksvoll lässt sich die Funktionsweise des ABS auf rutschigen oder glatten Oberflächen sowie nassen Wurzeln ausprobieren. Normalerweise blockiert das Vorderrad bei herkömmlichen Bremsen in solchen Situationen schnell, was zum Kontrollverlust und im schlimmsten Fall zu einem Crash führt. Mit dem ABS Pro wird dieses Blockieren jedoch zuverlässig verhindert, da das System sanft in die Bremskraft eingreift. Das Rad rollt weiterhin kontrolliert, und der Fahrer kann sicher weiterlenken. Zwar hängt der maximale Grip immer noch von den Reifen und dem Untergrund ab, aber das ABS erhöht die Fahrsicherheit spürbar, indem es den vorhandenen Grip maximal ausnutzt und man die Kontrolle über das Vorderrad beibehält.
Beim Start in den Trail mit dem Trail Pro-Modus greift das ABS früh und sanft ein, besonders auf unebenen Untergründen oder losem Schotter. Der Race-Modus bietet dagegen eine aggressivere Bremsdynamik: Hier setzt das ABS später ein, und durch die deaktivierte Hinterrad-Abheberegelung ermöglicht es erfahrenen Fahrern, das Hinterrad bewusst anzuheben, um enge Kurven präziser zu meistern. Auch in schnellen Passagen bleibt die Bremskraft kraftvoll, ohne dass das Vorderrad blockiert. Das erlaubt eine kontrollierte, aber dynamische Fahrweise. Allerdings sollten Einsteiger sich aufgrund der deaktivierten Hinterrad-Abheberegelung erst mit dem Race-Modus vertraut machen. Denn bei starkem Bremsen besteht das Risiko, über den Lenker zu gehen, besonders in steilen Passagen. Einsteiger sind daher besser im Trail Pro-Modus aufgehoben, der mehr Sicherheit bietet und das Abheben des Hinterrads verhindert.
Ein großer Vorteil des neuen Bosch eBike ABS Pro gegenüber früheren Versionen ist das feinere und unauffälligere Regelverhalten. Während das alte ABS oft deutlich spürbar eingriff und dadurch das Fahrgefühl beeinträchtigte, arbeitet das neue System so fein, dass der Eingriff kaum wahrnehmbar ist. Auch bietet das neue ABS Pro im Race-Modus mehr Freiheit, denn es greift später und schwächer ein, und die Hinterrad-Abheberegelung ist deaktiviert. Das gibt erfahrenen Fahrern mehr Kontrolle für dynamische und aggressive Fahrmanöver, ohne dass das System das Fahrgefühl dominiert.
Für wen ist das neue Bosch eBike ABS Pro geeignet, und für wen nicht?
Das Bosch eBike ABS Pro richtet sich, wie der Name schon vermuten lässt, vor allem an erfahrene E-Mountainbiker, die ihr technisches Fahrkönnen weiter verfeinern und ihre Bestzeiten auf anspruchsvollen Trails verbessern wollen. Der Race-Modus spricht gezielt ambitionierte Fahrer an, die mit aktivem Fahrstil über die Trails jagen, dabei aber dennoch auf ein System setzen wollen, das ihnen Sicherheit und Kontrolle vermittelt.
Wer jedoch nur gelegentlich auf einfachen Strecken unterwegs ist, wird möglicherweise den vollen Nutzen im Race-Modus des Bosch eBike ABS Pro nicht ganz ausschöpfen und ist mit dem Trail Pro-Modus besser bedient, der mehr Kontrolle und Sicherheit liefert.
Fazit zum neuen Bosch eBike ABS Pro
Bosch hat mit dem eBike ABS Pro ein System geschaffen, das Sicherheit und sportliche Performance besser als bisher miteinander kombiniert. Das schnelle und unauffällige Regelverhalten sowie der 1-Finger-Bremshebel sind besonders für ambitionierte Fahrer geeignet. Im Gegensatz zum stark auf Sicherheit fokussierten Vorgängermodell bringt das ABS Pro nun die Dynamik, die viele vermisst haben. Einsteiger sollten sich jedoch erst an die Funktionsweise des Systems im Trail Pro-Modus gewöhnen.
Tops
- unauffälliges und schnelles Regelverhalten
- hohe Performance-Ausrichtung
- erhöht das Sicherheitsempfinden
Flops
- Race-Modus für Einsteiger etwas zu aggressiv abgestimmt
Erste E-MTBs mit dem neuen Bosch eBike ABS Pro werden voraussichtlich ab Ende 2024 im Fachhandel erhältlich sein.
Alle weiteren Infos findet ihr auf bosch.com
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Words: Benedikt Schmidt Photos: Mike Hunger