Wenn man eine Familie hat, wirkt eine Gelegenheit zum Biken wie ein goldenes Ticket für Willy Wonkas Schokoladenfabrik: ein Abenteuer-Zeitfenster voller Möglichkeiten, die genutzt werden wollen. Unser UK-Redakteur Thomas hat sein goldenes Ticket genutzt, um den Ben Lomond mit dem E-Mountainbike zu bezwingen.
Vielleicht war es bloße Willenskraft, die ein unverschämt warmes und trockenes Ende des Monats hervorrief, vielleicht war es auch nur Glück. Doch wie durch Zauberhand hatte ich zwischen all unseren Familienterminen ein kleines Zeitfenster mit gutem Wetter zum Biken entdeckt und war fest entschlossen, es zu nutzen. Denn nach langem Winterwetter sehnte ich mich nach den natürlichen Herausforderungen der Wildnis, um die Spinnweben des Alltags wegzublasen. Selbst wenn man eine Weile auf den besten, speziell gebauten Mountainbike-Trails unterwegs ist, wünscht man sich manchmal, noch einen draufzusetzen und seine Komfortzone hinter sich zu lassen. Daher zerbrach ich mir den Kopf auf der Suche nach irgendeinem andersartigen Ort zum Biken, um dort etwas zu verwirklichen, das – ziemlich wahrscheinlich – noch nie zuvor auf einem E-MTB getan wurde. Mit der genauen Anweisung, zum Mittagessen zurück zu sein, benötigte ich einen Plan, um vergeudete Zeit im Auto zu minimieren und die Aktivitätszeit zu maximieren. Das grobe Ziel hieß also: eine bergige Umgebung finden, die ich innerhalb einer relativ kurzen Fahrzeit erreichen konnte. Das einzige Problem war nur, dass bei diesem fantastischen Wetter halb Schottland dieselbe Idee haben würde …
Von Glasgow und Edinburgh aus kommt man mit dem Auto in einer guten Stunde zu dem majestätischen Gipfel Ben Lomond im Herzen des Trossachs-Nationalparks. Er ist der südlichste der 277 Gipfel in Schottland, die mindestens 3.000 Fuß hoch (ungefähr 914 m) und als mächtige Munros bekannt sind. Ben Lomond ist einer der meistbesuchten Munros in Schottland: Die Herausforderung des schroffen Ben sorgt in Kombination mit der herausragenden Schönheit der umliegenden Seen und Berge der Trossachs dafür, dass die Parkplätze zu jeder Jahreszeit überquellen können mit Wanderern, die sich in Form einer gigantischen Ameisenstraße mühselig bergauf bewegen wie rotgesichtige Wanderameisen.
Allerdings sollte man nicht den Fehler machen und sich von seiner Beliebtheit täuschen lassen: Nichtsdestotrotz hat man es auf dem Ben Lomond mit einer ernstzunehmenden Bergwelt zu tun. Das Wetter kann im günstigsten Fall unvorhersehbar sein und schlimmstenfalls geradezu tödlich, das Terrain ist gnadenlos und ausgesetzt und die sommerlichen Mücken sind so groß wie eine Faust.
Für jeden, der die Berge für sich allein möchte, ist ein früher Start unerlässlich. Doch für einen E-Mountainbiker mit wenig Freizeit, der noch dazu eine flüssige Abfahrt begehrt, braucht es eine Sonnenaufgangstour (auch Dawnie genannt). Eine echte Sonnenaufgangs-Session – für alle Nicht-Surfer, die diese Zeilen lesen – erfordert es, schon vor den ersten Sonnenstrahlen auf dem Wasser bzw. dem Berg zu sein. Mein Ziel lautete also, den Parkplatz in der Morgendämmerung zu verlassen und bereits auf dem Weg nach oben zu sein, wenn der Hahn das erste Mal kräht.
Drei Routen führen auf den Gipfel des Ben Lomond und auf jeder von ihnen ist es erlaubt, bergauf und bergab zu fahren, aber wegen der sensiblen Natur des oftmals sumpfigen Hochmoores entschied ich mich, bergauf die Hauptroute zu nehmen. Der Weg mag zwar von Menschenhand errichtet worden sein, doch das hier ist alles andere als ein Trail-Zentrum.
Steile Steinfelder aus Granit und Glimmerschiefer werden gekreuzt von kantigen Wasserbarrieren, bereit dazu, auf die Unachtsamen und Schwerfälligen Jagd zu machen. Steile Rinnen, super enge Spitzkehren und loser Schotter waren nur einige der Herausforderungen an diesem Morgen – und wir reden hier nur vom Weg bergauf! Während ich so vor mich hin kletterte, entwickelte ich eine Hassliebe zu meinem Bike. Einige der technischen Sektionen zu bewältigen, erforderte Timing und Hingabe. Das E-MTB erlaubte es mir dabei, vormals unmögliches Terrain zu befahren und belohnte mich nach jedem gemeisterten Abschnitt mit einem Erfolgserlebnis und Begeisterung. Allerdings war dieser Anstieg so weit weg von „Uphill-Flow“ wie nur irgend möglich und zudem nahezu unfahrbar: Man bräuchte die Fähigkeiten von Danny MacAskill und die Beine von Peter Sagan, um einen Großteil des Anstieges fahren zu können und an genau dieser Stelle hasste ich mein Bike. Versteht mich nicht falsch, es braucht natürlich immer seine Zeit, einen Berg hochzukommen, und natürlich genoss ich auf eine masochistische Art und Weise, ein 23 kg schweres E-MTB den Ben Lomond raufzuschleppen. Doch nach einer längeren steilen Tragepassage brannten sowohl Arme als auch Schultern von der Anstrengung und ich fragte mich, wessen Idee das eigentlich gewesen war – und verfluchte mich daraufhin selbst, schließlich konnte ich es auf niemanden sonst schieben.
Einen Vorteil hatte es, eine Pause einlegen zu müssen: Während die Sonne über den Trussochs aufging, war die Schönheit der nebelverhangenen Seen und Munros geradezu atemberaubend und das Brennen in meinen Armen verflüchtigte sich wie der frühe Morgennebel. Während ich die letzte Etappe fuhr und endlich den Gipfel des Ben Lomond erreichte, wurde mir klar, dass ich womöglich der erste Mensch überhaupt war, der das mit einem E-Mountainbike getan hat. Doch die Herausforderung des Aufstiegs war die Anstrengung mehr als wert!
Der Trail führte direkt über Felsplatten, mit unzähligen Linien zur Auswahl. Trotz grober Routenplanung bereits beim Aufstieg erforderte die Abfahrt schnelle Reaktionen und Hingabe, während Hindernisse plötzlich vor mir auftauchten.
Das offene Plateau markierte den Mittelteil und zugleich den rasantesten Part meiner Fahrt. Ohne die Bäume konnte ich erkennen, dass der Trail vor mir frei war, also Vollgas! Steine schepperten unter meinen Reifen, während ich durch den Schotter surfte und bevor ich durch eines der vielen Steinfelder donnerte.
Der frühe Start zahlte sich erneut aus, knifflige Sektionen löste ich ohne Anhalten und ohne auf Wanderer bei ihrem Weg bergauf Rücksicht nehmen zu müssen. Erst als ich die Baumgrenze erreichte, Arme und Beine zum Zerbersten vollgepumpt mit Milchsäure, traf ich meine ersten überrascht dreinschauenden Wanderer. Auf dem Weg ging es langsam geschäftiger zu, also schaltete ich gedanklich in den Botschafter-deines-Sports-Modus und fuhr, wann immer nötig, rechts ran, um Höflichkeiten mit jeder kleinen Gruppe auszutauschen, die mir begegnete. Den letzten Teil des Weges cruiste ich gemütlich zurück zum Van. Die Berge wieder zu verlassen war, als würde ich eine andere Welt betreten, und ich wurde mit einem wuseligen Parkplatz voller Wanderer konfrontiert, die sich auf ihren „frühen“ Start vorbereiteten – doch ich wusste, dass ich heute der frühe Vogel war, der den Wurm gefangen hatte.
Wie man eine erfolgreiche Sonnenaufgangstour in den Bergen verwirklicht:
Wenn ihr die Berge für euch allein haben wollt, dann sind hier unsere Tipps dafür, was ihr unbedingt tun oder lieber lassen solltet, um das Beste aus eurem E-MTB-Abenteuer zu machen.
Was gilt es zu tun?
- Checkt den Wetterbericht für die Berge – und rüstet euch für die herrschenden Bedingungen am Gipfel, nicht auf dem Parkplatz.
- Nehmt ausreichend Essen und Trinken mit, es ist stets weiter, als ihr denkt!
- Startet früh, um Wanderern bergab aus dem Weg zu gehen.
- Verhaltet euch respektvoll gegenüber der Umwelt und gegenüber anderen Besuchern der Berge – seid Botschafter für unseren Sport.
- Tragt Schuhe, mit denen ihr auf felsigem Untergrund gut laufen könnt. Wir empfehlen Flat-Pedale, da die Tour von ständigem Anhalten und Wanderpassagen mit dem Bike geprägt sein wird.
Was sollte man lassen?
- Zu spät am Tag starten – plant lieber extra Zeit für Fotos und Ruhepausen ein.
- Müll hinterlassen – lasst nichts als eure Reifenspuren zurück und nehmt allein eure Fotos mit!
- Die physischen Anforderungen von E-Mountainbiken in den Bergen unterschätzen.
- Zu versuchen, unbedingt schnell zu fahren, wenn sich andere Bergbesucher auf dem Trail tummeln.
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Words: Thomas Corfield Photos: Finlay Anderson