Know How Szene

E-Bike Tuning: Wenn schnell nicht genug ist

Kaum ein Thema treibt E-Mountainbiker so um wie das Tuning unserer Sportgeräte – genauer gesagt die Aufhebung der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h, die in den meisten Ländern für E-Bikes gilt. Wir haben für euch recherchiert, was Tuning bringt, welche Vorteile und welche Gefahren es birgt.

1. Grundprinzip des E-Tunings

Ein E-Bike erfasst zu jeder Zeit, wie schnell es fährt und wie stark und schnell der Fahrer in die Pedale tritt. Aus diesen Informationen bestimmt es die Leistung, mit der der Motor angesteuert wird. Erreicht das Bike die gesetzlich vorgegebene Grenze von 25 km/h, dann wird die Motorunterstützung deaktiviert. Bei entsprechender Fitness oder entsprechendem Gefälle lässt sich das Bike natürlich weiter beschleunigen – nur eben ohne Motorantrieb. Soll die Motorunterstützung auch über 25 km/h noch funktionieren, muss dem System also ein langsameres Tempo vorgespielt werden, als es tatsächlich der Fall ist. Genau an diesem Punkt setzen die meisten Tuningmöglichkeiten an. Zwischen dem Magnetsensor am Laufrad, der die einzelnen Umdrehungen des Rads erfasst, und der Computereinheit, die daraus die Geschwindigkeit des Bikes berechnet, wird ein kleines, elektronisches Gerät eingefügt. Dieses Gerät manipuliert die elektrischen Impulse des Magnetsensors, und die Computereinheit berechnet aus diesen falschen Signalen ein langsameres Fahrtempo. In Folge wird der Antrieb nicht deaktiviert, obwohl das Bike schon weit über 25 km/h fährt.

Das Corpus Delicti: Tuning-Kits wie dieses Exemplar werden genutzt um die Höchstgeschwindigkeit des E-Bikes anzuheben.

2. Schneller – aber nicht stärker!

Viele E-Biker gehen davon aus, dass sie nach Einbau eines E-Tuningkits einen leistungsfähigeren Motor haben, mit dem sie auch stärker beschleunigen können. Das ist jedoch nicht der Fall. Durch den Umbau wird nicht die Leistung des Antriebs erhöht, sondern es wird lediglich die künstliche 25-km/h-Grenze umgangen. Bis zu diesem Tempo wird keinerlei Änderung erzielt, das Fahrverhalten an steilen Anstiegen bleibt also genau gleich.

3. Was bringt ein E-Tuning überhaupt?

Wer ein Tuningkit in sein E-Bike einbaut, erhält kein neues Bike. Die Werbesprüche einiger Anbieter – Unterstützung bis 75 km/h – sind eher theoretischer Natur. Ein getuntes E-MTB mit normalem 250-Watt-Motor erreicht in der Ebene kurzfristig und mit sehr viel Motivation des Fahrers ca. 60 km/h. Über längere Zeit kann man als trainierter Amateurbiker mit 35–40 km/h rechnen.

4. Zusatzbelastung für Akku und Motor?

Die Frage, ob ein E-Tuning den Antrieb zusätzlich belastet, ist klar zu beantworten: Ja! In die Motorsteuerung selbst wird durch das E-Tuning zwar nicht eingegriffen, die Drehzahlbegrenzung und Temperaturüberwachung des Motors bleiben unbeeinflusst. Allerdings wird mit dem Überlisten der 25-km/h-Grenze der Antrieb in der Praxis viel länger auf Volllast betrieben – vergleichbar mit einer langen Bergfahrt. Der Motor verbraucht dadurch mehr Strom, der Akku wird stärker belastet und muss öfter aufgeladen werden. Besonders die höhere Wärmeentwicklung ist dabei für die Gesamtlebensdauer des Akkus nicht gerade förderlich. Zusätzlich stellt sich ein schnellerer Verschleiß des gesamten Antriebsstrangs ein, da der Motor über längere Zeit und mit mehr Kraft die Kette antreibt, als es der Fall ist, wenn man mit abgeregeltem Motor gemütlich an der 25 km/h-Grenze vor sich hinradelt.

Der Antriebsstrang verschleißt bei getunten E-Bikes deutlich schneller.

5. Legal, illegal, alles egal?

E-Bikes mit Tretunterstützung bis 25 km/h, einer Motorenleistung von max. 250 Watt und einer Schiebehilfe bis max. 6 km/h werden rechtlich als Fahrräder angesehen. Zusätzliche Auflagen für den Fahrer gibt es hier nicht. Wirkt die Tretunterstützung auch über 25 km/h, dann wird aus dem Fahrrad ein sogenanntes Kleinkraftrad. Dieses braucht ein Versicherungskennzeichen und muss zugelassen werden. Vor allem Letzteres macht es in der Praxis so gut wie unmöglich, getunte E-Bikes legal im öffentlichen Raum zu fahren.

Mit einem getunten E-Bike in der Öffentlichkeit zu fahren, ist kein Kavaliersdelikt. E-Bike-Tuning hat nicht nur ernste rechtliche Konsequenzen, sondern kann unserem Sport auch nachhaltig schaden. Es steht viel auf dem Spiel – im schlimmsten Fall droht eine Gesetzesänderung, die E-Bikes grundsätzlich als Kleinkrafträder einstuft. Und dann wäre E-Mountainbiken, wie wir es heute kennen, Geschichte.

6. Gibt es unmittelbare Gefahren?

Während ein Verbot von E-Mountainbikes bzw. eine gesetzliche Restriktion für viele E-Mountainbiker eine eher abstrakte Folge darstellt, gibt es Gefahren, die jeden Tuner direkt betreffen:

Garantie

Die meisten Motorenhersteller können bei Garantiefällen und Service-Intervallen feststellen, ob der Motor getunt wurde oder getunt ist. Bei Tuning erlischt die Garantie – im Ernstfall kann ein Tuning dadurch richtig teuer werden.

Haftung

Mit einem getunten E-Mountainbike ist man rechtlich nicht mehr auf einem Fahrrad unterwegs, sondern auf einem nicht zugelassenen Fahrzeug. Das saftige Bußgeld, ohne Zulassung unterwegs zu sein, ist dabei das kleinste Übel. Weitaus kritischer ist, dass man auch keinen Versicherungsschutz hat. Fahren ohne Versicherung ist eine Straftat, da andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Sofern kein Versicherungsschutz besteht, ist laut § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten vorgesehen. Zudem droht auch eine Geldstrafe, die sich vor Gericht auf bis zu 180 Tagessätze belaufen kann. Das vorsätzliche Fahren ohne Versicherung (das bei einem getunten E-Mountainbike vorliegt – die Entscheidung fällt ein Gericht) umfasst eine deutlich höhere Geldstrafe und es wird ein Jahr Freiheitsstrafe verordnet.

Der E-Biker als Outlaw? Näher an der Realität als die meisten Tuner glauben.

7. Ist eine Gesetzesänderung die Lösung?

Viele E-Biker fordern vehement die Abschaffung bzw. Anhebung der 25-km/h-Regel. In naher Zukunft ist eine Anhebung der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit seitens des Gesetzgebers allerdings so gut wie ausgeschlossen. Die Einordnung der Fahrzeugklassen hat in der Praxis sehr viele Auswirkungen, von Führerschein bis Straßenverkehrsordnung. Die steigenden Unfallzahlen mit E-Bikes sind zwar vor allem auf deren Beliebtheit zurückzuführen, können aber dennoch nicht ignoriert werden und wiegen wohl deutlich stärker als das Interesse einer kleinen Gruppe sportlicher E-Mountainbiker. Das zähe Ringen um die Abschaffung der völlig veralteten Dynamo-Pflicht ist ein gutes Beispiel dafür, wie langsam die Mühlen der Politik mahlen.

Tuning, nein danke!

Klar, auch wir würden uns manchmal wünschen, über 25 km/h noch Unterstützung zu erhalten. Aber aufgrund der enormen Probleme, die das illegale Tuning mit sich bringt, positionieren wir uns klar gegen Tuningmaßnahmen. Gerade aufgrund der möglichen Rechtsfolgen raten wir auch unseren Lesern davon ab, ihr E-MTB mit entsprechenden Tuningkits zu modifizieren. Nur solange E-MTBs als Fahrräder eingestuft werden, haben wir die Freiheit, sie auch als solche im Gelände zu bewegen – und das soll auch so bleiben.

Text: Tobias Döring, Moritz Dittmar, Robin Schmitt Bilder: Christoph Bayer


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!