Specialized Turbo Kenevo – so lautet der Name des neuen großen Bruders des Turbo Levos. Ein Bike das für den Einsatz auf anspruchsvollen Strecken und im Bikepark konstruiert wurde. Wir durften das Big-Bike bereits in den USA und im heimischen Bayern testen und haben es über Trails, Drops und Wallrides gejagt! Wie viel Evel Knievel steckt im neuen Kenevo?

Specialized Turbo Kenevo Expert 6Fattie | 180/180 mm (v/h) | 23,65 kg | 6.299 €

Bye bye Shuttle, Lift und Schieben

Was machen, wenn der Lift geschlossen ist? Specialized Kenevo schnappen und ab geht’s!
Mit 180 mm Fahrwerk, aggressiver Geometrie und dem neuen Turbo 1.3 Rx Trail-tuned Motor ist das robust ausgestattete Bike voll auf den Bikepark-Einsatz ausgelegt – braucht ihn aber nicht, denn das Kenevo ist sein eigenes Shuttle!

Specialized Turbo Kenevo im Detail

Das Kenevo setzt auf das gleiche technische System wie das Levo – vom Motor über die 504Wh-Batterie bis hin zur Motorenabstimmung und Hitzeableitung – weißt aber dennoch signifikante Unterschiede zu seinem kleinen Bruder auf. Herzstück ist ein Aluminiumrahmen der optisch stark dem unmotorisierten Enduro-Modell ähnelt. Der robuste Rahmen gepaart mit jeder Menge abfahrtslastiger Komponenten treiben das Gewicht auf 23,65 kg Größe M).


Federgabel: RockShox Lyrik RCT3 Dual Position Air 180 mm
Dämpfer: Öhlins TTX22M Coil 180 mm
Bremsen: SRAM Code R 200/200 mm
Schaltung: SRAM GX
Sattelstütze: Command Post Wu
Vorbau: Specialized Trail
Lenker: Specialized 6061 alloy
Felgen: Roval 650b alloy construction
Naben: Specialized alloy disc
Reifen: Butcher GRID casing
Gewicht: 23,65 kg
Preis: 6.299 €


Ausstattungs-Highlights sind die RockShox Lyrik Federgabel mit 180 mm Federweg, der Öhlins-Stahlfederdämpfer mit ebenfalls 180 mm, sowie die massiven SRAM Code Bremsen mit 200 mm Scheiben und den neuen 27,5 x 2.6” Specialized Butcher Reifen. Bei der Schaltung vertrauen die Amerikaner auf die SRAM GX mit 1×11 Setup und einem speziellen GX-Schalthebel, der pro Schaltvorgang nur einen Gangwechsel zulässt und ähnlich wie bei der SRAM EX1 den Verschleiß reduzieren soll.

Die Command Post WU…
…verändert beim Absenken den Sattelwinkel

Eine weitere Besonderheit ist die höhenverstellbare Teleskopsattelstütze Specialized Command Post WU. Beim Absenken verändert sich der Sattel-Winkel um 14° und fährt damit in eine abfahrtslastigere Position, die im Downhill Vorteile bieten soll.

Der Specialized Turbo 1.3 Motor am Kenevo

Über die gesteigerte Performance des neuen Turbo 1.3 Motors, der auf Basis des Brose-Motors entwickelt wurde, haben wir im Rahmen des Levo Carbon Tests schon ausführlich berichtet – ausführliche Infos zum Motor findet ihr hier.

Specialized Turbo Kenevo: Preis, Modellvarianten, Verfügbarkeit

Das Specialized Turbo Kenevo gibt es aktuell nur in einer Modellvariante und zwei Farben – Grün wie abgebildet und in komplett Schwarz. Das Kenevo ist ab Anfang September 2017 erhältlich und geht für 6.299 € über die Ladentheke.

Specialized Turbo Kenevo: Geometrie, Größen

Die Geometrie des Kenevo ist ganz klar auf Abfahrtsspaß ausgelegt. Sie soll den perfekten Mix aus Laufruhe und Agilität bieten. Dabei sticht zum einen der flache 65° Lenkwinkel sowie die 443 mm kurzen Kettenstreben ins Auge. Dank eines steilen Sitzwinkels sollen aber auch lange Uphills kein Problem darstellen.

Größe S M L XL
Oberrohr 566 mm 597 mm 626 mm 655 mm
Steuerrohr 100 mm 110 mm 120 mm 130 mm
Lenkwinkel 65° 65° 65° 65°
Sitzwinkel 75,2° 74,8° 74,6° 74,3°
Kettenstrebe 443 mm 443mm 443 mm 443 mm
Radstand 1177 mm 1205 mm 1233 mm 1261 mm
Reach 407 mm 431 mm 455 mm 478 mm
Stack 601 mm 610 mm 619 mm 629 mm

Test: Specialized Turbo Kenevo Expert 6Fattie

Aufsitzen und wohlfühlen – typisch Specialized bedarf es keiner Eingewöhnungszeit, um mit dem Handling und der Sitzposition des Kenevo zurechtzukommen. Etwas aufrechter als auf dem Levo, geht es gemütlich den Berg hinauf, den Lift des Bikeparks lässt man mit diesem Bike einfach links (in unserem Falle rechts) liegen.

Über den minimalistischen und gut erreichbaren Trail Remote Hebel am Lenker kann man die Unterstützungsstufen des Motors einfach steuern. Das Kenevo klettert auch technische Trails souverän bergauf, zeigt sich dabei aber nicht so spritzig und direkt wie das Levo.

Oben angekommen, heißt es dann die versenkbare Sattelstütze Command Post WU abzusenken und sich für den Downhill bereit machen. Hier erfolgt eine Ernüchterung: Die versprochenen 150 mm Hub sind es in Realität nicht ganz. Der Hub der Stütze beläuft sich auf nominell 115 mm, die dann durch die zusätzliche Absenkung des Sattelhecks vergrößert werden, sodass die hintere Sattelkante zwar 150 mm tiefer ist, der vordere Bereich aber eben nicht. Gerade Fahrern mit langen Beinen fehlt es daher trotz Neige-Technik an Bewegungsfreiheit. Durch die komplexe Bauweise der Sattelstütze wächst nicht nur die Bauhöhe und damit die Mindesthöhe, sondern auch das Spiel, das in seitlicher und vertikaler Richtung spürbar ist.

In der Abfahrt begeistert das Bike dann mit sattem Fahrwerk und einer laufruhigen Geometrie. Der Hinterbau mit dem Öhlins TTX22M Stahldämpfer fühlte sich fabelhaft an und planierte jegliche Unebenheiten. So verlieren Steinfelder und Wurzelteppiche ihren Schrecken. Bei steilen Abschnitten steht man angenehm integriert und steuert das Bike souverän durch die aberwitzigsten Sektionen.

In der Luft fühlt sich das Bike ebenso pudelwohl und liegt mit seinen guten 23 kg sehr sicher in der Luft. Wallrides dagegen sind schon spannender: bei so viel Lebendgewicht kostet es echt Körner, das Bike aktiv zu bewegen und beispielsweise aus einem Wallride hinauszuspringen – schließlich drückt einen die Schwerkraft ja gegen die Wand! Bereits nach einem halben Tag im Bikepark war klar, mit diesem Bike macht man ein richtiges Workout! Wird der Trail verwinkelter und die Geschwindigkeit geringer, bleibt das Kenevo weiterhin gut kontrollierbar und setzt Richtungswechsel ohne großen Kraftaufwand willig um.

Was ist der Unterschied zum Levo?

Im direkten Vergleich zum S-Works Levo Carbon, merkt man, dass das Bike in Sachen Handling etwas schwerfälliger ist, was an der Geometrie und den rund 2,3 kg Mehrgewicht liegt. In technischen Sektionen liegt das Levo dank des tiefen Schwerpunkts auch sehr satt, erst wenn es richtig ruppig und steil wird spielt das Kenevo seine Stärken aus. Die größte Überraschung ist, dass der exakt gleiche Motor (siehe oben), beim Kenevo spürbar weniger Power in Vortrieb umwandelt als es beim Levo der Fall ist. Specialized bestätigte uns diese Eindrücke, die Ursache seien Kinematik und und die flachere Geometrie.

Fazit

Das neue Specialized Turbo Kenevo sollte Evel Keneval getauft werden! Denn für alle Stuntmen, Freerider und Bikepark-Jünger ist das Kenevo eine Offenbarung. Die durchdachte und stimmige Ausstattung machen es zu einer echten Waffe auf anspruchsvollen Trails und im Bikepark. Ein Shuttle braucht man nicht mehr, schöner Nebeneffekt ist, dass man stets warm gefahren ist, bevor es in die Abfahrt geht – jeder Physiotherapeut sollte das Kenevo verschreiben!

Fahrer die auf eine leichtfüßigere Trailperformance wert legen, sind weiterhin mit dem Levo besser bedient. Es klettert flinker und ist trotz gleichen Motors spürbar schneller! Der Preis des Kenevo von 6.299 € ist zwar hoch, wirkt bei der gebotenen Leistung aber angemessen.


Mehr Infos findet ihr unter: specialized.com


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!

Words: Robin Schmitt Photos: Olivier Beart, Christoph Bayer

Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.