Es gibt Traumbikes und es gibt Vernunftbikes. Nach mehr als 1.500 Testkilometern können wir sagen: Das MERIDA eNINETY-NINE XT-EDITION EQ ist ein traumhaftes Vernunftbike. Warum? Das erfahrt ihr hier.

Merida eNINETY-NINE XT-EDITION EQ | 23,47 kg | 3.599 €

Jeder wünscht sich doch insgeheim das ultimative Do-it-all-Bike. Neueste Technologie, den stärksten Motor, den größten Akku und die edelste Ausstattung. Komfortabel soll es sein, sportlich, leicht, schnell – und es soll im Wald, in der Stadt und am besten noch auf gemäßigten Trails gleichermaßen gut funktionieren. Doch wenn man dann tatsächlich in die Verlegenheit kommt, sich ein derart universales Rad zuzulegen, scheitert die Hälfte der Wünsche meistens nicht nur am Preis, sondern vielmehr am Konzept. Was soll es sein? Ein Cityrad mag komfortabel und wendig sein, schließt den Einsatz abseits asphaltierter Wege aber kategorisch aus. Ein Mountainbike kann dort zwar glänzen – Beleuchtung, Wetterschutz und Alltagstauglichkeit werden aber immer ein schlechter Kompromiss bleiben. Ein Trekkingbike dann?

Das komfortable MERIDA fühlt sich sowohl in urbaner Umgebung als auch auf groben Waldwegen vollkommen zu Hause.

MERIDA scheint nun mit dem eNINETY-NINE das gesunde Mittelmaß zwischen Trekking- und Mountainbike gefunden zu haben, und das Beste: Das Bike bleibt dennoch stadttauglich. Das Konzept sieht zumindest vielversprechend aus. Wendige Geometrie, etwas gestreckte Sitzposition, Vollfederung und als Besonderheit 28″-/29″-Laufräder mit etwas breiteren Felgen und voluminöseren Reifen als sonst an Trekkingbikes üblich. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis scheint zu stimmen. Für 3.599 € findet man am MERIDA eNINETY-NINE XT-EDITION EQ zwar keine Highend-Ausstattung, aber jedes Teil ist bewährt, solide und die gesamte Zusammenstellung sieht durchdacht aus.

Gute und sinnvolle Ausstattung

Das in schickem Metallic-Grün oder unauffälligerem Metallic-Schwarz/Blau erhältliche MERIDA eNINETY-NINE XT-EDITION EQ stellt die oberste der Ausstattungsvarianten dar und lässt nichts zu wünschen übrig. Die 11 Gänge der namensgebenden Shimano XT-Schaltung laufen auf der großen 11–46-Kassette, mit deren Hilfe jeder Anstieg selbst im Eco-Modus bezwingbar ist. Verzögert wird mit einer sehr gut dosierbaren SLX-Bremse vom selben Hersteller. Die meisten Anbauteile wie Sattelstütze, Sattel, Felgen und Cockpit kommen direkt von MERIDA und bieten keinen Grund zur Beanstandung. Falls es doch mal schneller als gedacht dunkel werden sollte, sorgt der sehr helle Supernova-Scheinwerfer für die sichere Heimkehr – lediglich bei engen Kurven im stockfinsteren Wald könnte seine Seitenausleuchtung etwas breiter sein.

Federgabel SUNTOUR Raidon XC RLR 29 100 mm
Dämpfer RockShox Monarch RT
Motor Shimano Steps E6001
Akku Shimano E8010 500 Wh
Schaltung Shimano XT
Sattelstütze Merida Expert
Vorbau Merida Expert
Lenker Merida Expert 720 mm
Reifen Coninental Double Fighters 2.0
Felgen Merida Expert CC
Naben Shimano Deore
Preis 3.599 €
Gewicht 23,47 kg

Gut integriert
Das Display ist schlank und gut ablesbar, wird über eine Fernbedienung angesteuert und verfügt im Gegensatz zum E8000-Computer über einen dedizierten Lichtschalter.
Unkomfortabel
Einziges Manko am super aufgeräumten Cockpit: die dünnen, harten Griffe.
Unauffällig gut
Der hervorragende Hinterbau stellt analog zur Gabel 100 mm Federweg zur Verfügung und arbeitet absolut unauffällig und nahezu wippfrei. Den Plattformhebel kann man getrost in der offenen Stellung lassen.
Wohlerzogen
Die Leistung des Shimano E6001-Antriebs kann natürlich nicht mit der des stärkeren E8000-Motors mithalten, bietet aber eine sehr angenehme und wohldosierte Leistungsentfaltung – leider auch etwas lautstark.
Geräuschlos
Die SUNNYWHEEL-Schutzbleche funktionieren auch nach 1.500 km tadellos und klapperfrei. Lediglich das hintere dürfte ein paar Zentimeter länger ausfallen, um die Kette vor einem Waschgang zu bewahren.

Um den konstanten Bodenkontakt der 2″ breiten Continental Double Fighter-Reifen kümmert sich hinten ein einwandfrei arbeitender RockShox Monarch RT-Dämpfer und vorn eine nicht ganz ebenbürtige, aber dennoch gut dämpfende SUNTOUR Raidon XC-Gabel. Ihr Lockout-Hebel am Lenker ist ergonomisch und funktionell zwar einwandfrei, wir empfanden ihn jedoch als überflüssig – wirklich stören tut er am vorzüglich aufgeräumten Cockpit dann aber auch nicht. Die Reifen selbst sind ein guter Mittelweg aus geringem Rollwiderstand bzw. leisem Abrollgeräusch auf Asphalt und gutem Grip auf Schotter und trockenem, losem Boden. Lediglich im Matsch und in tiefem, feuchtem, lockerem Waldboden kommen sie an ihre Grenzen. Dafür ist diese Version (EQ) des eNINETY-NINE aber auch nicht gedacht. Ein weiterer Vorteil der etwas dickeren Reifen – im Vergleich zum traditionellen, dünnen 28″-Format – ist die Möglichkeit, deutlich geringere Luftdrücke fahren zu können; wir empfanden 1,9 bis 2,1 bar bei 75 kg Durchschnittsgewicht als ideal. So ergeben sich gesteigerter Komfort sowie erhöhte Sicherheit durch bessere Traktion.

Positiv, nämlich klapper- und wackelfrei, schlugen sich der Seitenständer und auch die überraschend guten SUNNYWHEEL-Schutzbleche, die auch nach langer Beanspruchung auf sehr groben Wegen spielfrei und geräuschlos sitzen. Dank der Gummilippe schützen sie vorn deutlich besser als diverse Konkurrenten, hinten dürften sie jedoch etwas länger ausfallen – nicht, um die Beine besser zu schützen, denn dort landet das abfließende Wasser interessanterweise gar nicht. Vielmehr trifft es durch den Fahrtwind ziemlich genau die Kette und spült so jede vorhandene Schmierung in kurzer Zeit einfach weg.

Die Geometrie des Merida eNINETY-NINE XT-EDITION EQ

Größe S M L XL
Sattelrohr 390 mm 430 mm 470 mm 510 mm
Oberrohr 570 mm 585 mm 600 mm 615 mm
Steuerrohr 110 mm 115 mm 125 mm 135 mm
Lenkwinkel 68° 68° 68° 68°
Sitzwinkel 74° 74° 74° 74°
Kettenstrebe 480 mm 480 mm 480 mm 480 mm
BB Drop 40 mm 40 mm 40 mm 40 mm
Radstand 1157 mm 1173 mm 1189 mm 1205 mm
Reach 399 mm 413 mm 425 mm 437 mm
Stack 597 mm 601 mm 611 mm 620 mm

Angenehmer Vortrieb, gepaart mit hoher Reichweite: der Antrieb

MERIDA kombiniert am eNINETY-NINE den Shimano STEPS E6001-Motor mit einem großen 504-Wh-Akku der E8000er-Reihe. Die Antriebsleistung ist für sämtliche Einsatzgebiete des Bikes vollkommen ausreichend und in allen drei Unterstützungsmodi sehr gut abgestuft und dosierbar. Vor allem der Eco-Modus ist mehr als nur ein Rettungsanker und lässt sich hervorragend nutzen. Der Motor selbst ist angenehm sparsam und zusammen mit dem großen Akku der höheren Serie ergibt sich eine vergleichsweise hohe Reichweite, auch bei permanenter voller Unterstützung.

Gerade der Eco-Modus des ohnehin schon sparsamen Shimano E6001-Motors ist mehr als nur ein Rettungsanker und lässt sich hervorragend nutzen.

Im Vergleich zur unmittelbaren Konkurrenz von Bosch ist der Shimano E6001-Antrieb auf langen Bergaufstrecken bzw. sehr steilen Stücken mit starker Unterstützung schon eher laut. Da die individuelle Wahrnehmung und Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Frequenzen jedoch stark variiert, empfiehlt es sich eine ausgedehnte Probefahrt zu unternehmen. Dafür kann der Shimano-Antrieb mit seinem sehr geringen inneren Widerstand punkten. So lässt sich das MERIDA trotz seiner 23,47 kg auch mit ausgeschalteter Unterstützung bzw. über 25 km/h sehr angenehm und natürlich pedalieren.

Fahrverhalten und Dauertest

Die Sitzposition auf dem MERIDA eNINETY-NINE ist entsprechend der Kategorie, unter der es geführt wird, eher sportlich und etwas gestreckter, aber keineswegs unkomfortabel. Es eignet sich für entspanntes Dahingleiten genauso wie für sportlich ambitionierte Ausfahrten. Positiv zu erwähnen ist hier außerdem der mit 720 mm angenehm breite Lenker. Gerade auf groben Wegen oder schnellen Abfahrten gibt er Sicherheit und ist dennoch schmal genug, um voll stadtverkehrstauglich zu sein. Einzig die vermutlich günstigsten Teile am ganzen Bike, die Griffe, empfanden wir bereits nach der ersten Fahrt als sehr unangenehm und haben sie deshalb getauscht.

Die gesamte Ausstattung verhielt sich während unserer 1.500 Testkilometer sehr unauffällig und zeigte sich robust. Kein Klappern, keine sich lösenden Schrauben oder Teile. Das Konzept geht somit voll auf: Neben der Vollfederung helfen die vergleichsweise großvolumigen Reifen auch hier enorm. Sie erlauben deutlich geringere Reifendrücke, was nicht nur den Komfort und die Sicherheit erhöht, sondern auch die Haltbarkeit. So können sie einen großen Teil der Vibrationen und Schläge absorbieren und leiten somit – im Vergleich zu klassischen 700c-Reifen mit hohem Luftdruck – deutlich weniger Kräfte in Rahmen und Teile ein.

Auch über das Handling des eNINETY-NINE gibt es nur Positives zu berichten. Das Rad fährt sich angenehm neutral, ist in allen Situationen sicher und angenehm zu beherrschen und fühlt sich sowohl in urbaner Umgebung als auch auf groben Waldwegen zu Hause. Hier kommt erneut das 100-mm-Fahrwerk zum Tragen. Entspannt, zuverlässig und wunderbar unauffällig filtert es feine wie grobe Unebenheiten heraus, ohne selbst mit offenem Dämpfer großartig Antriebseinflüsse aufzunehmen.

Fazit

Hut ab, MERIDA! Das eNINETY-NINE XT-EDITION EQ ist das ultimative Allround-Bike für den tagtäglichen Ganzjahreseinsatz – sei es als Stadtrad, Forststraßen-Pendler, sportliches Fitnessbike oder Tourenrad für den Urlaub. Die Ausstattung ist auf den Punkt gebracht, Geometrie und Fahrverhalten sind sehr stimmig, Verarbeitung und Haltbarkeit einwandfrei – es gibt hinten und vorne absolut nichts auszusetzen. Ein Rad, das jeden Cent wert ist und mit dem sehr viele Menschen sehr glücklich werden dürften.

Stärken

– Laufradkonzept
– stimmige, durchdachte Ausstattung
– breites Einsatzgebiet
– sicheres, komfortablesFahrverhalten
– Haltbarkeit

Schwächen

– Griffe
– Motorgeräusch kann als störend empfunden werden


Tipp

Wer eher ein sportliches Fitnessbike als ein Rad für den alltäglichen Einsatz bei Wind und Wetter sucht, greift zur Nicht-EQ-Version für 100 € mehr. Sie verzichtet zwar auf Lichtanlage, Schutzbleche und Gepäckträger, verfügt dafür aber über eine bessere Gabel samt Boost-Standard sowie über breitere, profiliertere Reifen und spart außerdem über 2 kg Gewicht.

Mehr Infos findet ihr unter: merida-bikes.com



Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!

Words: Photos: Valentin Rühl