Nach einer schweren Verletzung ist der Weg zurück aufs Rad meist lang und beschwerlich. Stundenlang quält man sich in Fitnessstudios und auf Reha-Liegen. Physiotherapeutin Anne hat die enormen Vorteile eines E-Mountainbikes als Reha-Gerät am eigenen Leib erfahren – und hat uns ihre Geschichte erzählt.

Das Geräusch hört sich an, als würde ich mitten auf einer Baustelle stehen. Leider nicht, ich liege eingezwickt im MRT mit der Baustelle Knie. 15 lange Minuten warten. Dann sagt der Radiologe „Respekt, da haben sie ja ganze Arbeit geleistet“, während er mir mit Begeisterung die gestochen scharfen Bilder über den Beamer präsentiert. Als Physiotherapeutin ist mir schnell klar, dass meine nächste Challenge keinen spektakulären Gipfelnamen hat oder in Höhenmetern gemessen wird, sondern erst mal OP und Reha heißt.

  Baustelle Knie! Nach einem Skisturz im Winter folgte eine lange Reha-Phase.

Was passiert ist: die Diagnose

Mein Knie habe ich nach allen der Regeln der Kunst bei einem Skisturz Anfang Januar verletzt. Die Diagnose lautet Kreuzband- und Innenbandriss, Abriss Außenmeniskus und Knochenfraktur am Schienbeinkopf. Es folgen 10 Wochen warten, bis der Bruch zusammenwächst, und mit viel Glück Innenband und Meniskus selbst verheilen. Die Wartezeit lohnt sich: Die Fraktur und das Innenband sind wieder intakt. Damit steht der OP des vorderen Kreuzbandes nichts mehr im Wege.

Die Anfänge: eine Portion Ernüchterung

Weitere 6 Wochen später geht es mir schon besser und das Knie macht Fortschritte. Es folgt die Freigabe fürs Biken. Mit einer Einschränkung: Fahren ist nur ohne Widerstand erlaubt. Ich bin dennoch begeistert und beginne zu träumen. Es ist meine absolute Leidenschaft, in den Bergen zu sein und nach Trails zu suchen. Da bieten sich sowohl die Hausberge am Chiemsee an als auch diverse Tourengebiete in der Nähe. Mit dem Bike auch die abgelegenen und ausgefallenen Wege und Gegenden zu erkunden, ist die perfekte Kombination aus Natur und Adrenalin. Dafür nimmt man auch gerne mal in Kauf, das Rad zu schultern – wenn’s sein muss, auch tagelang, um den Mont Blanc zu umrunden.

Doch genug geträumt! Zurück zum Thema Radfahren ohne großen Widerstand. Das ist gar nicht so leicht, auch wenn es in meinem Wohnort Prien keinen echten Berg gibt. Denn „kein Berg“ heißt noch lange nicht „flach“ und so scheitere ich bei der ersten Tour bereits an einer Bahnunterführung.

Die Lösung: das E-Mountainbike

Glücklicherweise kommt mir eines Abends die Idee mit dem E-Mountainbike. Mein Vater ist schon länger auf dem E-MTB unterwegs und berichtet mir ständig von den enormen Vorteilen seines Geräts. Einfach die Plus-Taste zu drücken, statt ständig bei kleinen Steigungen absteigen zu müssen – das klingt verlockend und so entsteht die Idee „Reha mit dem E-Mountainbike“. Für den Feldversuch setze ich auf ein Haibike XDURO FullSeven 5.0 mit Bosch Nyon-Display, um meinen Reha-Verlauf genau dokumentieren zu können.

Die ersten Tage gestalten sich flach in Seenähe. Endlich wieder Fahrtwind im Gesicht! Langsam, aber zielsicher wird die Intensität gesteigert. Erst an Dauer, dann auch an Steigung. Bis ich das erste Mal nach Wochen endlich wieder vom Berg nach unten ins Tal blicken kann: der vertraute Blick auf den Chiemsee mit unzähligen Segelbooten. Die Sonne scheint mit voller Kraft und ein angenehmer Wind biegt die Bäume neben der Hütte hin und her. So fühlt sich Freiheit an.

  Nicht nur für das körperliche Training ist das E-MTB top, auch die Vorteile für die Psyche sind immens!

Das Aufbautraining lässt sich dank des Nyon-Displays inklusive Wattanzeige ausgezeichnet steuern. Anfangs schaffe ich lediglich 35 Watt Eigenleistung und bin ich vor allem im Sport- und Turbo-Mode unterwegs – also beim Motor, nicht in meinen Beinen. Nach einer Woche knacke ich dann das erste Mal die 80-Watt-Marke und auf dem Display leuchtet mir „starker Trainingseffekt“ entgegen. Ich muss tatsächlich lachen. Wie albern ich es immer fand, wenn jemand sein Training im Studio allein über die Anzeige des Kalorienverbrauchs gestaltet hat! Aber jetzt habe ich selbst gespürt, dass bei der Reha genau solche Kleinigkeiten extrem motivieren. Viel besser ist jedoch das Gefühl, fast 5 Monate nach dem Sturz (aber nur 7 Wochen nach der OP) endlich wieder mit Freunden gemeinsam in der Natur unterwegs sein zu können.

Anfangs waren es nur 35 Watt Eigenleistung – Anne war 84 % der Zeit im Turbo- und Sportmodus unterwegs.
Mittlerweile tritt sie nicht nur selbst mehr Watt, sondern fährt auch viel mehr im Eco- und Tour-Modus.

Dennoch komme ich natürlich nicht ganz um eine klassische Reha in der Klinik herum. Doch statt mich auf einem Ergometer warm zu fahren, schlage ich bereits bestens aufgewärmt und voller guter Laune dort auf.

Mittlerweile habe ich über 800 km und mehr als 15.000 Höhenmeter mit dem Haibike zurückgelegt, in nur 7 Wochen und mit frisch operiertem Knie. Die Wattanzeige auf meinem Display kann ich ohne Komplikationen wöchentlich höher treiben. Mein rechtes Bein ist zwar noch immer deutlich dünner, doch langsam, aber sicher kommt die Kraft zurück. Neben der sehr gezielten Trainingssteuerung hat das E-Mountainbike einen noch viel größeren Vorteil: Es hilft mir, meinen Kopf freizubekommen.

Nachdem sich der Winter sportlich bei mir schon verabschiedet hat, bevor es überhaupt richtig losging, kann ich im Frühling und Sommer mit meinen Freunden trotz frisch operiertem Knie die Berge erklimmen und magische Momente genießen. Statt auf Trails geht es nach wie vor eher zögerlich auf Forststraßen bergab, doch auch dieser Schritt wird bald kommen und er wird mir dank dem sicheren Handling des E-Mountainbikes leichter fallen als mit einem klassischen Mountainbike – ich freu mich drauf!


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Words: Anne Zettl Photos: Christoph Bayer