Carbonrahmen, 4.8″ dicke Reifen auf Carbonfelgen, einen MPF Drive-Antrieb, von dem bis dato wohl kaum jemand gehört hat – das E-LOM 4point8 X01 ist alles andere als ein typisches E-Mountainbike. Und da auch die Marke bei den meisten von uns bisher wohl eher unter dem Radar geflogen sein dürfte, haben wir uns das ungewöhnliche E-Fatbike ausführlichst vorgenommen.
Fatbikes wühlen sich durch Matsch, Sand und Schnee wie kein anderes Rad und sind deshalb das perfekte Fortbewegungsmittel für die kalte Jahreszeit. Auf der Suche nach interessanten Bikes stießen wir auf die für viele bisher unbekannte kleine deutsche Firma E-LOM. Im Sortiment von vier verschiedenen Rahmen finden sich neben 29er Hardtail und 27,5″-Fully nämlich auch gleich zwei Fatbikes – in Carbon und Titan. Deren Modellname 4point8 kommt nicht von ungefähr, denn beide Modelle setzen auf die breitesten derzeit erhältlichen Reifen. Wir entschieden uns für die teurere Ausstattungsvariante X01 des Carbonmodells, das vor allem über beeindruckend aussehende Carbonlaufräder verfügt.
Die Ausstattung des E-LOM 4point8 X01
Lassen wir den Antrieb mal noch außen vor und konzentrieren uns auf die restliche Ausstattung der 4point8 X01. Der Modellname verrät hier schon einiges. 4,8” breit sind nämlich die Schwalbe Jumbo Jim-Reifen – montiert auf extravagant aussehenden 90 mm breiten Nextie Wild Dragon-Carbonfelgen. Deren Form und Finish sind sehr geschickt gewählt, denn dank der dachartigen Form und des glatten Klarlacks können Schnee und Schlamm einfach abrutschen und sammeln sich nicht auf der Felge. Zwei Gummiwülste im Inneren halten den Reifen auch bei 0,2 bar sicher in den Felgenhörnern und lassen das Tubeless-Setup entspannt und auf Anhieb gelingen. Ungewöhnliches auch bei der Schaltung – der 1×11-fach SRAM X01-Antrieb wird per eher selten anzutreffendem Grip Shift-Drehschalter betätigt.
Die restliche Ausstattung ist weniger exotisch. Vorn nimmt eine RockShox Bluto mit 100 mm Federweg den groben Schlägen die Härte, das Cockpit besteht aus einem TRUVATIV BooBar-Lenker mit angenehmen 740 mm Breite sowie einem 75 mm langen Stylo T20-Vorbau aus gleichem Haus. Positiv ist auch, dass eine absenkbare RockShox Reverb Stealth-Sattelstütze verbaut wurde und die SRAM Guide R-Bremsanlage über eine große 200-mm-Scheibe vorn verfügt – so muss es sein.
Die Waage bleibt übrigens trotz viel Carbon bei 22,25 kg stehen (Rahmengr. 50 cm) – hier hätten wir uns ehrlich gesagt etwas weniger erhofft.
Rahmen und Antrieb des E-LOM 4point8 X01
Rein optisch kann der Rahmen des E-LOM schon einmal voll überzeugen – mattes Carbon, elegante Formen und komplett innenverlegte Züge schmeicheln dem Auge und verleihen dem 4point8 zusammen mit den ungewöhnlichen Carbonfelgen einen edlen Look. Und auch im Detail ist der Rahmen wirklich gut durchdacht und gefertigt. Konstruktionstechnisch lässt sich das vor allem auf das MPF Drive-System zurückführen. Der Motor verfügt nämlich über eine Art Spacer für das Kettenblatt, um die Kette am dicken Reifen vorbeizuführen. Das ermöglicht es, symmetrische Kettenstreben zu verwenden und den Motor zentriert und nicht etwa versetzt zu verbauen, wie es bei Fatbikes mit Bosch-Antrieben üblich ist. Außerdem kann dank des Spacers jedes handelsübliche Kettenblatt mit entsprechendem Lochkreis verbaut werden und sich die Übersetzung so einfach anpassen lassen.
Dank der sehr kompakten Abmessungen des MPF Drive kann das 4point8 außerdem mit einer großen Reifenfreiheit für Schlamm oder Schnee aufwarten. Theoretisch ließen sich für ein traillastigeres Bike so auch deutlich kürzere Kettenstreben realisieren, als es mit anderen Antrieben der Fall ist. Mit 490 mm sind die Kettenstreben des E-LOMs aber ohnehin schon kürzer als die der meisten anderen E-Fatbikes.
Das Display ist gleichzeitig Bedienteil und somit etwas ungünstig außen positioniert. Das hat aber wiederum den Vorteil, auf ein zweites verzichten zu können, was das Cockpit etwas aufräumt. Außerdem lässt sich so eine Lampe in der Mitte montieren – gerade im Winter ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt. Die Tasten sind recht schwer zu drücken, verfügen aber über akustisches Feedback in Form eines Pieptons und der Inhalt des Displays ist übersichtlich und liefert alle gängigen Daten.
Der Akku sitzt zwar sehr stabil und klapperfrei, bietet allerdings keine Möglichkeit, im Rahmen geladen zu werden und muss jedes Mal aufgeschlossen und entnommen werden. Da er allerdings sehr straff in der Aufnahme sitzt (eindringender Dreck verstärkt das noch) und der Haltegriff sich leider nicht ausreichend aufklappen lässt, ist die Prozedur spätestens nach dem dritten Mal sehr störend. Auch optisch fügt er sich leider nicht ins sonst schicke Gesamtbild des E-LOM 4point8 ein und ist zu guter Letzt auch nur als kleines 418 Wh-Modell erhältlich – hier wäre ein Modell mit mehr Kapazität wünschenswert.
Die durchschnittlich 65 Nm Drehmoment des MPF Drive ließen uns schon vorher eine etwas geringere Power als bei einem Bosch Performance CX erwarten. Aber schiere Kraft ist nicht unbedingt alles – wie fährt sich das E-LOM 4point8 nun also?
Fahrverhalten und Handhabung
Zuerst einmal: leise! Selbst bei voller Unterstützung hört man fast nichts und kann sich angenehm mit seinen Mitfahrern unterhalten. Allgemein setzt die Unterstützung minimal verzögert ein und schiebt etwas nach. Das ist nach kurzer Eingewöhnungsphase aber nicht mehr zu spüren. Im oberen Geschwindigkeitsbereich dürfte die Motorsteuerung die Unterstützung etwas harmonischer regeln – sie schiebt teilweise etwas unregelmäßig – und der Motor ist gerade an steilen Stücken leider etwas zu schwach. Bei mittlerer Geschwindigkeit bzw. Steigung ist die Unterstützung jedoch sehr gleichmäßig und vor allem leicht ansteigende Trails lassen sich sehr flüssig, kontrolliert und mit viel Spaß fahren.
Die Rahmengeometrie ist recht neutral und ausgewogen, verfügt aber über einen vergleichsweise großen Reach. Das sorgt für eine minimal gestrecktere Haltung und so auf Touren oder längeren Distanzen für mehr Komfort. Dank verhältnismäßig kurzer Kettenstreben, steifem Carbonrahmen und einwandfrei arbeitender RockShox Bluto-Federgabel lässt es sich jedoch auch wunderbar bergab über die Trails bewegen. Den Remote-Lockout der Gabel empfanden wir jedoch als überflüssig – ein aufgeräumtes Cockpit ist uns lieber. Das unterstützt mit seinem 740 mm breiten Lenker sowie dem an unserem Testbike verbauten 75-mm-Vorbau den Eindruck eines gelungenen Kompromisses aus Touren- und Trailtauglichkeit. Der verbaute Gripshift-Schaltgriff bietet Vor- und Nachteile – einerseits lassen sich damit beliebig viele Gänge auf einmal schalten, andererseits kann man den Bremshebel nicht wirklich weit nach außen schieben.
Ein kleiner Hinweis zur Rahmenhöhe: Die Reverb Stealth-Sattelstütze mit ihren langen 150 mm Hub empfiehlt die Rahmengröße L erst ab einer Fahrergröße von über 1,80 m oder bei überdurchschnittlich langen Beinen. Auf Nachfrage kann ab Werk aber auch eine Reverb mit 125 mm Hub verbaut werden.
Fatbike-Reifen garantieren pauschal durch ihre schiere Breite und den geringen Luftdruck geniale Traktion. Die Schwalbe Jumbo Jim sind vom Grip zwar nicht unbedingt die besten Schneereifen am Markt, können als Allrounder aber überzeugen. Sie sind außerdem verhältnismäßig leicht und zeigen nur geringes Eigensteuerverhalten – bewegt man sich eher auf harten Böden, weisen sie allerdings auch schon nach kurzer Zeit recht hohen Verschleiß auf.
Fazit zum E-LOM 4point8 X01
Der Preis von 6.690 € für das E-LOM 4point8 X01 ist hoch – durch die geringe Stückzahl, den hochwertigen Carbonrahmen, die durchgehend gute Ausstattung und das individuelle Antriebskonzept jedoch durchaus zu rechtfertigen.
Der MPF Drive-Motor hat dank geringer Abmessungen und sehr niedrigem Geräuschpegel definitiv Zukunftspotenzial, kämpft aber noch mit leichten Kinderkrankheiten in der Motorsteuerung und dürfte vor allem etwas mehr Power vertragen. Am Nachfolger, der laut E-LOM genau diese Kritikpunkte anfasst, wird allerdings bereits gearbeitet. Er soll zeitnah vorgestellt werden. Größter Kritikpunkt ist wohl der Akku. Dieser sollte schlanker werden, über mehr Kapazität verfügen und vor allem direkt aufladbar bzw. besser handhabbar sein.
Letztlich ist es auf jeden Fall beachtlich, was ein kleiner, mutiger Hersteller wie E-LOM mit dem 4point8 liefern kann. Denn wer mit den leichten Schwächen des Antriebs leben kann, bekommt mit den E-LOM 4point8 ein wirklich gut konstruiertes, durchdacht aufgebautes Bike, das sowohl beim Anschauen als auch Fahren viel Freude bereitet und sich in allen Fahrsituationen gut und sicher anfühlt.
Weitere Informationen zum E-LOM 4point8 findet ihr auf der E-LOM Website.
Text: Andreas Maschke Bilder: Noah Haxel
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