Eine Zwiebel schneiden kann jeder, doch das macht noch lange keinen guten Koch aus. Viele neue Köche versuchen in jüngster Zeit, ihr eigenes E-Mountainbike-Süppchen zu brauen und neue Rennformate zu etablieren – dabei drohen sie, die gesamte Zunft in Verruf zu bringen.

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Zugegeben: Anfangs klang E-Mountainbike-Racing ziemlich verlockend. Es versprach eine neue Disziplin zu werden mit neuen Möglichkeiten und einer faszinierenden Technik-Komponente, wie man sie nur aus dem traditionellen Motorsport kennt. Doch auch wir mussten unsere Meinung überdenken, obwohl die Wurzeln unseres Redaktionsteams im Racing liegen und wir noch immer Marathon-, Enduro- und Downhill-Rennen fahren. Denn je mehr man sich mit der Thematik befasst, desto klarer erkennt man die Gefahren und Risiken von E-Mountainbike-Rennen.

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Braucht jeder Sport ein Rennformat?

Mit dem florierenden E-Mountainbike-Segment wittern Rennveranstalter und Hersteller die Chance, neue Rennformate zu etablieren. Doch das ist ein großer Fehler, der dem jungen E-Mountainbike-Sport deutlich mehr schaden als nutzen kann. Im Gegensatz zu Leichtathletik, Schwimmen oder auch Mountainbike-Marathons, bei denen es um die Höchstleistung der Athleten geht, übt nicht der Wettkampf, sondern der Spaß die Faszination beim E-Mountainbiken aus. Und dieser Spaß entsteht durch die spielerische Leichtigkeit, mit der wir die Grenzen der eigenen physischen Leistung überwinden und uns für kurze Zeit wie Superman fühlen können: Denn dank der elektrischen Unterstützung werden die physischen Grenzen für einen kostbaren Moment außer Kraft gesetzt. Ein Blick auf die meisten Freestyle-Sportarten lehrt uns, dass nicht jede Sportart einen Wettkampf braucht: Snowboard, Surfen oder Slopestyle – sie alle haben bekanntlich unter einem Pseudo-Contestformat gelitten. Mit Gegenbewegungen versuchten sich selbst die Profis dann dem Kommerzdruck von Veranstaltern und Sponsoren zu widersetzen. Nur ist es beim E-Mountainbiken schlimmer, da nicht nur die Gemeinschaft und Kollegialität auf dem Spiel stehen, sondern auch der Ruf und die legale Grundlage des gesamten Segments.

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9 Argumente gegen E-Mountainbike-Racing:

Spaß vor Wettkampf: Der Grundgedanke hinter E-Mountainbikes ist der Spaßfaktor. Wer mit seiner eigenen Leistung gegen die Zeit kämpfen will, tut dies auf einem auf Racing ausgelegten Mountainbike.

E-Mountainbike-Racing ist das falsche Marketing: E-Mountainbikes verkauft man nicht durch Podien und Medaillen, sondern durch persönliche Begeisterung und das Gefühl von Jungsein und Freiheit. Die Branche sollte E-Mountainbikes nicht als Hochleistungsmaschinen verkaufen wollen, sondern als Spaßmaschinen!

Die Vorband auf dem Festival: Kopiert man traditionelle Rennformate, wird E-Mountainbiking immer die zweite Wahl sein. Integriert in ein klassisches Mountainbike-Event sind E-Bikes wie die Vorband auf einem Festival: Nett anzuschauen, aber die Zuschauer und die Medien tauchen erst bei den Hauptacts auf. Eine Coverband ist selten so spannend wie das Original.

E-Mountainbikes sind zu langsam: Als Abbild des Breitensports muss sich E-MTB-Racing auch an die 25-km/h-Grenze halten. Doch gerade für gut trainierte Athleten ist diese Grenze zu niedrig. Bei manchen Rennformaten befindet man sich 95 % der Zeit über der 25-km/h-Grenze.

E-Marathons sind Anti-Werbung: Was macht Sportarten wie Surfen, Skaten und Skifahren für die breite Masse so attraktiv? Der Style ist inspirierend, die Locations veranlassen zum Träumen und der Sport sieht vor allem nach Leichtigkeit und Spaß aus! Bilder von – pardon – Lycra-Pellwürsten auf E-Mountainbikes sind Anti-Werbung. Wo sind die Style-Errungenschaften aus dem Enduro-Sport, die mittlerweile viele branchenexterne Marken in ihren Lifestyle-Werbeformaten aufgreifen?

Motor-Doping – unfair und imageschädigend: Bereits jetzt wird auf E-MTB-Rennen getrickst und getunt. Sobald es um mehr geht und Sponsorengelder im Spiel sind, wird Tuning noch deutlich zunehmen. Und mal ehrlich: Welcher Rennveranstalter hätte schon die Möglichkeit, ähnlich faire Bedingungen zu schaffen, wie wir es von extrem aufwendig regulierten und teuer kontrollierten Motorsport-Events wie der Formel 1 kennen?

Falsche Vorbilder & Worst Case: Der Profisport sollte immer eine Vorbildfunktion einnehmen – doch Motordoping wird beim E-Mountainbike-Racing unvermeidbar sein. Bereits jetzt birgt Alltags-Motordoping ein großes Konflikt- und Gefahrenpotenzial, das in Behörden und in der Politik diskutiert wird. Gerade bei einer so neuen Sportart wie E-Mountainbiking, bei der die Öffentlichkeit noch viele Vorurteile abbauen muss, kann Tuning also Gift sein. Worst Case: ein Verbot oder deutlich strengere gesetzliche Wegerecht-Regelungen für alle (E-)Mountainbiker! Negative Medienmeldungen aus dem Rennsport könnten der Tropfen sein, der das Fass auch für Alltagssportler zum Überlaufen bringt.

Eine schlechte Geschäftsidee: E-Mountainbike-Rennen werden sich in absehbarer Zeit nicht tragen. Deutlich weniger E-Mountainbiker suchen den sportlichen Wettkampf. Zudem werden die aktuell sehr geringen Teilnehmerzahlen in absehbarer Zukunft kaum steigen, lediglich 10% der E-MOUNTAINBIKE-Leser zeigen überhaupt Interesse an E-MTB Racing.

Wer hat schon Zeit, auf ein Rennen zu fahren? E-Mountainbiker haben häufig weniger Zeit zum Trainieren – und ein Rennen für Untrainierte macht wenig Sinn. Außerdem haben viele E-MTBler selten ein ganzes Wochenende Zeit, um auf ein weit entferntes Rennen zu fahren, statt Quality-Time mit ihrer Familie zu verbringen.

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Wir haben die Entwicklung der E-Mountainbikes von Anfang an konstruktiv und mit Optimismus begleitet und wichtige Weichen für den Sport Seite an Seite mit der Branche gestellt. Doch neue Köche, die sich im Kampf um aufzuholende Marktanteile nun in der Position sehen, überhastig neue Gerichte zusammenzumixen, bringen die Branche nicht weiter – im Gegenteil, sie können sogar deutlich mehr Schaden anrichten als Gutes bewirken.

Insbesondere in international unruhigen Zeiten (besonders Trailpolitik USA), in denen E-Mountainbikes ein sensibles Thema bei Behörden und in der Politik sind. Neue Köche sind gut, aber bitte mit neuer Kreativität und nicht mit faden alten Rezepten, die selbst im traditionellen Mountainbikesegment nicht mehr en vogue sind. Dabei bieten E-Mountainbikes so viele Möglichkeiten – vorausgesetzt, man bringt etwas Weitsicht und Kreativität mit. Alles andere wäre geschmacklos und kann dazu führen, dass neue Gäste erst gar nicht das neue E-Mountainbike-Restaurant betreten, die elektrisierenden Köstlichkeiten probieren und auf den Geschmack kommen.

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Im Rahmen des Design & Innovation Award 2017 werden wir diesen Herbst mit den wichtigsten Opinion-Leadern und E-Mountainbike-Pionieren neue Wege diskutieren und beschreiten. Ihr dürft auf inspirierende Kreationen gespannt sein!


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Words: Robin Schmitt Photos: Isac Paddock

Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.